FIND 2024 an dieser Schaubühne Berlin: Die Schönheit, oberhalb den Bühnenrand zu gucken

Es kommt vor, dass im Theater politische Reden geschwungen werden. Zu Gunsten von normalerweise rennen die Redenden in diesem Zusammenhang die offenen Türen ihres linksliberalen Publikums ein. Nicht so am vergangenen Wochenende in dieser Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin. Da stand ein ordentlich gekleideter Herr mit Schnurrbart am Bühnenrand – und hetzte. Gegen Roma, gegen den Feminismus, gegen Minderheiten allgemein. Und beschwor stattdessen die wahre Nation, ein Land dieser Kultur und Tradition, dies zu sichern er sich vorgenommen habe.

Und dann geschah irgendwas Außerordentliches. Teile des Publikums schienen zu vergessen, wo sie waren: im Theater; und dass da vorn ein Schauspieler stand, dieser irgendwas spielte, und kein wirklicher Politiker dieser rechtspopulistischen Partei Chega aus Portugal. Einige standen hinaus und gingen. Andere husteten laut, lachten oder riefen „Cala-te“, darob „Halt den Mund“. Und ja, ein paar sangen sogar Grândola, Vila Morena, jenes Lied, dies vor 50 Jahren, am 25. April 1974, die Nelkenrevolution einleitete.

FIND 2024: Schwerpunkt hinaus Portugal

Die Szene war dies bemerkenswerte Finale einer bemerkenswerten Inszenierung: Catarina e a beleza de matar fascistas („Catarina und die Schönheit, Faschisten zu töten“) war zweifelsohne dies bisherige Highlight des diesjährigen Festivals Internationale Neue Dramatik (FIND) an dieser Schaubühne. Die Idee: ein Familientreffen. Man isst verbinden, trinkt, lacht, freut sich. Und dann erschießt man verschmelzen Faschisten. Jedes Jahr. Seit oberhalb 70 Jahren. Doch ohne Rest durch zwei teilbar wie die Faschisten wieder die Macht übernehmen – dies Stück spielt in einer unliebsam nahen Zukunft –, bricht dieser Zweifel in dieses antifaschistische Ritual ein. Ist dies dieser richtige Weg, den Faschismus aufzuhalten? Was bringt es denn, zeremoniell verschmelzen von ihnen zu ermorden? Und ist es nicht grundfalsch, verschmelzen Menschen zu töten?

Autor und Regisseur Tiago Rodrigues ist mit seinem Ensemble eine verstörende, komische, zum Nachdenken anregende Groteske gelungen, die unerträglich im Trend ist. Die Frage, mit welchen Mitteln die Faschisierung Europas noch aufzuhalten ist, bringt Rodrigues in mitreißenden Dialogen so hinaus die Szene, dass vielerlei Ambivalenzen merklich werden, ohne dass hier Diskurs ausgestellt würde. Als er 2018 begann, an dem Stück zu funktionieren, war Portugal noch eine Anomalie: ein westeuropäisches Land ohne starke Rechtspopulisten. Als Chega 2019 mit einem Abgeordneten ins Parlament einzog, galt dies wie politisches Erdbeben. Und Rodrigues wurde lichtvoll: Dieses Stück kann sich nicht nur mit dem ritualisierten Antifaschismus des demokratischen Portugals befassen; es muss zweitrangig um die Zukunft in Betracht kommen. Und die hat dies Stück eingeholt: Bei den Wahlen vom 10. März errang Chega jüngst 50 Sitze.

„Pêndulo“ wirft verschmelzen warmen Blick hinaus seine Protagonistinnen

Das Stück weist weit oberhalb den portugiesischen Kontext hinaus und ist zusammen dieser Auftakt des Schwerpunkts hinaus portugiesischsprachige Dramatik im Rahmen dieser Ausgabe des FIND. In Pêndulo, einem Projekt des zweitrangig wie Filmregisseur bekannten Theatermachers Marco Martins, erzählen Frauen, die wie Pflegerinnen, Reinigungskräfte oder im Supermarkt funktionieren, von ihren Leben. Alle kommen sie aus ehemaligen Kolonien Portugals, Brasilien oder São Tomé e Príncipe zum Beispiel. Ihre Geschichten werden jedoch nicht ausgestellt, sondern wie Momentaufnahmen destilliert: Es geht um die Nähe zu den hilflosen Alten, um die sie sich kümmern, um aufgegebene Träume, zweitrangig um Konflikte und Solidarität untereinander. Der Abend wirft verschmelzen warmen, zugegeben nicht mitleidigen Blick hinaus seine Protagonistinnen und entwickelt tendenziell die Atmosphäre eines Essayfilms.

Das dritte Stück in portugiesischer Sprache, Manifesto Transpofágico, wird noch zu sehen sein, ab dem 27. April. Der Titel erinnert an Oswald de Andrades Manifesto Antropófago von 1928, verschmelzen Schlüsseltext dieser brasilianischen Moderne, dieser dies Prinzip des kulturellen Kannibalismus zur Stärke erhebt. In dieser Produktion dieser Brasilianerin Renata Carvalho soll es indes um trans Personen und deren Leib in Betracht kommen.

Gemeinsam zusammenfügen die drei Stücke eine Art postkoloniale Sichtachse: Portugal, 50 Jahre nachher dieser endgültigen Dekolonialisierung, bleibt innig verwoben mit jenen Erdteilen, die es einst unterworfen hatte; ein sehr gelungener kuratorischer Handgriff.

Besetzung dieser GKN in Florenz: Haben die Arbeiter:medial Marx gelesen?

Als eine dieser wenigen Gelegenheiten in Berlin, verschmelzen Blick oberhalb den deutschsprachigen Bühnenrand zu werfen, ermöglicht es dies FIND, zweitrangig kleinere Produktionen zu sehen, die kaum international touren. Dazu gehört zweitrangig Il Capitale – un libro che ancora non abbiamo letto („Das Kapital – ein Buch, dies wir noch nicht gelesen nach sich ziehen“). Auch hier stillstehen keine professionellen Darsteller:medial hinaus dieser Szene, sondern Arbeiter:medial dieser GKN-Fabrik in Florenz. 2021 wurden allesamt gefeuert, die Fabrik sollte schließen.

Hat Marx gelesen, zugegeben keine Ahnung, welches er da tut: Theatermacher Nicola Borghesi

Foto: Luca del Pia

Doch die Arbeiter:medial besetzten die Fabrik und ringen seither für jedes deren und ihre Zukunft. Sie erfuhren enorme Solidarität aus dieser Bevölkerung, zweitrangig die Theatermacher Enrico Baraldi und Nicola Borghesi gingen in die Fabrik. Sie arbeiteten ohne Rest durch zwei teilbar an einem Stück oberhalb Karl Marx’ Klassiker, womit die Arbeiter:medial freilich wenig herbeiführen konnten. Weil sie nur zum Gucken kamen, erhielten sie den Spitznamen „Geheimdienst“. Doch langsam fasste man gegenseitiges Vertrauen und begann zusammenzuarbeiten.

Auf dieser Szene war nun ein schönes, starkes Stück oberhalb Solidarität zu sehen. Während Borghesi sich in linksbürgerlicher Selbstkritik übt, erzählen die Arbeiter:medial von ihrem Weg in die Fabrik. Tiziana soll zunächst Lakaiin dieser Geschäftsführung sein und wird, weil sie nachlässt, zur Putzkraft degradiert; Mario kommt aus Neapel und wollte ohne Rest durch zwei teilbar eine Familie gründen, wie die Kündigung kam. Vor allem geht es zugegeben um die Gründe, zu ringen. Und so ist es mehr wie ein gelungener Lacher, wenn Francesco Iorio sagt: „Ich dachte, ich müsste zum Psychologen, in diesem Zusammenhang musste ich nur eine Fabrik erobern.“

Festival Internationale Neue Dramatik Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin, noch solange bis 28. April 2024

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