Felor Badenberg: Schlapphüte wie Kuratoren

Es ist immer interessant, manchmal schockierend, wenn sich Begriffe entblättern. Beides ist auch jetzt der Fall, wo deutlich wird, wie das Land Berlin seine gescheiterte Antidiskriminierungsklausel zu retten und, darum geht es, „rechtssicher“ zu machen versucht. Rechtssicher heißt hier offenbar auch: schärfer. Geplant sind Maßnahmen, die noch viel weitergehen als zuvor angedacht und die auch nicht mehr nur die Kulturpolitik betreffen. 

Zur Erinnerung, erster Teil: Im Winter hatte Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) ins Spiel gebracht, Kulturschaffende sollten sich schriftlich von Antisemitismus und Israel-Hass distanzieren, ehe Fördergelder an sie ausgezahlt werden. Das scheiterte an diverser Gegenrede und verfassungspolitischen Bedenken. Wie man verhindert, dass Antisemiten Kulturfördermittel abgreifen, und andererseits gewährleistet, dass Kunst sich auch in jenen Sparten, die ohne staatliche Förderung nicht existieren könnten und würden, frei entfalten kann, das ist spätestens seitdem die Diskussion. Begonnen hatte sie eigentlich schon mit den Skandalen um die documenta fifteen im vergangenen Jahr. Mit dem antisemitischen Terror vom 7. Oktober 2023 und den ambivalenten Reaktionen im Kulturbetrieb, auf die wiederum Chialo mit seinem Vorstoß reagierte, hat sie aber an Dringlichkeit gewonnen. 

Genervter Senator

Zur Erinnerung, zweiter Teil: Eben jener Joe Chialo war es, der am vergangenen Wochenende bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Antisemitismus im Kulturbetrieb“ einigermaßen genervt auf weitere bohrende Fragen zur Klausel reagierte. „Die letzte Klausel sollten wir nicht mehr diskutieren. Das haben wir ja schon eingesehen und zurückgezogen“, sagte Chialo da. Er versprach eine neue „rechtssichere“ Regelung, unter anderem unter Mitarbeit der Justizsenatorin Felor Badenberg, ebenfalls CDU. Man musste Chialo so verstehen, dass diese neue Regelung die Bedenken der Betroffenen und der Öffentlichkeit gegen die Klausel berücksichtigt, ihnen womöglich entgegenkommt.  

Nun aber hat eben jene Justizsenatorin Badenberg in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung umrissen, was mit Chialos „rechtssicher“ gemeint ist. Und wenn man das liest, möchte man doch lieber zum Stand der Debatte zurück, dass Künstlerinnen nur unterschreiben sollten gegen Antisemitismus und Israel-Hass.

Einleuchtend und wächsern

In Paragraf 23 der Berliner Landeshaushaltsordnung möchte Badenberg ergänzen, dass Zuwendungen zukünftig nicht erfolgen dürfen, „wenn jemand verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt – beziehungsweise antisemitische, rassistische oder sonstige menschenverachtende Inhalte verbreitet“. Das klingt erst einmal so einleuchtend wie wächsern. Es kommt darauf an, wer darüber entscheidet. Wer die Begriffe auslegt und die Grenzen zieht. Badenberg: „Dafür haben wir in Deutschland klare gesetzliche Kriterien und geregelte Abläufe, das ist alles gebündelt beim Verfassungsschutz. Das ist alles transparent nachlesbar in Verfassungsschutzberichten, und die Betroffenen können, wenn sie sich zu Unrecht beschuldigt sehen, auch vor Gericht alles überprüfen lassen.“ 

Der Verfassungsschutz also soll zukünftig routinemäßig mitentscheiden, ob Gelder an Künstlerinnen und Kulturinstitutionen fließen. Schlapphüte werden zu Kuratoren gemacht. Mehr noch, abermals Badenberg: „Der Gedanke – kein Steuergeld für Verfassungsfeinde – ist übergreifend und kann nicht nur für den Kulturbereich gelten.“ Die Gesinnungsprüfung geht also weiter, über den Kulturbetrieb hinaus.

Es ist immer interessant, manchmal schockierend, wenn sich Begriffe entblättern. Beides ist auch jetzt der Fall, wo deutlich wird, wie das Land Berlin seine gescheiterte Antidiskriminierungsklausel zu retten und, darum geht es, „rechtssicher“ zu machen versucht. Rechtssicher heißt hier offenbar auch: schärfer. Geplant sind Maßnahmen, die noch viel weitergehen als zuvor angedacht und die auch nicht mehr nur die Kulturpolitik betreffen. 

Zur Erinnerung, erster Teil: Im Winter hatte Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) ins Spiel gebracht, Kulturschaffende sollten sich schriftlich von Antisemitismus und Israel-Hass distanzieren, ehe Fördergelder an sie ausgezahlt werden. Das scheiterte an diverser Gegenrede und verfassungspolitischen Bedenken. Wie man verhindert, dass Antisemiten Kulturfördermittel abgreifen, und andererseits gewährleistet, dass Kunst sich auch in jenen Sparten, die ohne staatliche Förderung nicht existieren könnten und würden, frei entfalten kann, das ist spätestens seitdem die Diskussion. Begonnen hatte sie eigentlich schon mit den Skandalen um die documenta fifteen im vergangenen Jahr. Mit dem antisemitischen Terror vom 7. Oktober 2023 und den ambivalenten Reaktionen im Kulturbetrieb, auf die wiederum Chialo mit seinem Vorstoß reagierte, hat sie aber an Dringlichkeit gewonnen. 

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