Nach einem Jahr der Skandale wollen viele ihr Spotify-Abo kündigen. Doch wohin? Wir haben uns sieben alternative Streamingdienste von Apple Music bis Qobuz genauer angesehen
Foto: Saksham Chutani
Welche Zahlen stünden im Wrapped, dem persönlichen Jahresrückblick also, des Unternehmens Spotify? 12,7 Milliarden Euro Umsatz fuhr es laut eigenen Angaben allein in den ersten neun Monaten 2025 ein und es gewann über 13 Millionen Bezahlabos hinzu. Mittlerweile besuchen über 700 Millionen Menschen den Dienst mindestens einmal pro Monat. Trotz Schwankungen war die Aktie dieses Jahr weit über 400 Prozent mehr wert als beim Börsengang im Jahr 2018.
Doch war die Kritik nie lauter als in diesem Jahr. Mit dem Buch Mood Machine legte Liz Pelly die definitive Streitschrift gegen das System Spotify vor. Im Sommer wurde bekannt, dass Noch-CEO Daniel Ek in Militärtechnologie investiert hatte. Dann fluteten erst artificial artists wie Velvet Sundown und schließlich rechtsextremer KI-Slop die Plattform. Zwischendurch lief Werbung für die US-amerikanische Abschiebebehörde.
Und da wäre ja noch das Geld: Der Marktführer ist einer der am schlechtesten zahlenden Streamingdienste. Wie dieses Geld verteilt wird, wie sich der Kampf um Sichtbarkeit gestaltet und dass vor allem kleinere Labels und Artists dabei schlechte Karten haben, wird weiterhin heiß diskutiert. Als ab dem Sommer Dutzende Bands ihre Kataloge von Spotify abzogen, lag das auch daran. Für ihre Fans stellte sich schon damals die Frage: Wohin stattdessen?
Wie die Anbieter versuchen, sich von Spotify und voneinander abzusetzen
Gibt es eine Streamingplattform, hinter der keine zwielichtigen Gelder stecken, die nicht in erster Linie sich selbst zuarbeitet, die Großen nicht übervorteilt und außerdem noch gerechter Gelder verteilt? Die von KI-Slop freigehalten und von Menschenhand statt Algorithmen kuratiert wird? Nein. Aber die Anbieter versuchen mittlerweile gezielter, sich voneinander abzusetzen. Das eröffnet dem Publikum mehr Auswahlmöglichkeiten.
Zuerst zum Geld. Mit einer Ausnahme schütten alle Streamingdienste auf dieselbe Weise Tantiemen aus. Abhängig davon, wie groß der Anteil bestimmter Songs am Gesamtaufkommen der Streams war, werden aus allen Einnahmen Tantiemen an die Rechteinhaber:innen ausgeschüttet. Wenn wie im Falle von Spotify und YouTube ein Teil der Einnahmen aus dem Werbegeschäft kommt, drückt das den Mittelwert nach unten.
Erhalten Musiker bei Apple Music und TIDAL wirklich mehr?
Wann immer von höheren Auszahlungen bei größeren Diensten wie Apple Music oder TIDAL die Rede ist, muss das mit Vorsicht genossen werden: Je mehr Menschen dorthin abwandern, desto mehr könnte das paradoxerweise die durchschnittlichen Auszahlungen beeinflussen. Die Faustregel: Je größer das Publikum und damit verbunden das Streamingaufkommen, desto kleinteiliger könnte die Rechnung werden.
Auch mag TIDAL sich auch künstlerfreundlich geben, gehört allerdings dem Finanzdienstleister Block und damit Twitter-Gründer Jack Dorsey. Der zieht gerade gegen die Institution des Urheberrechts ins Feld und kürzt die Belegschaft von TIDAL immer mehr zusammen. Dass TIDAL als irgendwie bessere Spotify-Alternative gehandelt wird, basiert also weitgehend auf Missverständnissen.
Apple Music ist dank Apples Vormachtstellung der größte Spotify-Konkurrent und versucht seit Längerem, sich durch menschliche Kuration abzuheben, zum Beispiel von DJs wie Zane Lowe oder Tim Sweeney. Der Service dient aber in erster Linie dazu, Apple-Produkte wie Airpods zu verkaufen, weshalb etwa für in Dolby Atmos gemischte Musik dort besser ausgeschüttet wird – und dementsprechend jede andere benachteiligt wird.
Deezer hat Vorteile – aber auch eine dunkle Seite
Zuletzt hat sich Deezer wegen seiner Maßnahmen gegen die KI-Flutung der Plattform in Szene gesetzt: Diese wird nicht in die algorithmischen und redaktionellen Empfehlungen aufgenommen. Das sorgt für ein menschlicheres Hörerlebnis bei einem Dienst, der indes zur Investfirma Access Industries und damit dem Multimilliardär Len Blavatnik gehört, gegen den sich Daniel Ek wie ein Chorknabe ausnimmt.
Interessanter sind Special-Interest-Dienste wie Qobuz und Rokk. Ersterer wendet sich an Audiophile und schüttete – als einziger Dienst, der solche Zahlen veröffentlicht – zuletzt 1,8 Cent pro Stream aus. Zweiterer löscht alle KI-Musik und hat zwar auch Taylor Swift im Programm, richtet sich aber an Fans harter Gitarrenmusik. Rokk verspricht Bands dank dieses Fokus’ doppelt so viel Geld wie bei konventionellen Streamern.
Das erfolgreichste Nischenprodukt ist SoundCloud, das mittlerweile den Investmentfirmen Raine Group und Temasek gehört. Die als eine Mischung aus sozialem Netzwerk und Streamingdienst fungierende Plattform setzt auf ein einleuchtendes Ausschüttungsmodell: Die Einnahmen aus individuellen Abobeiträgen werden ausschließlich an die Rechteinhaber:innen der Musik ausgeschüttet, die die einzelnen Nutzer:innen gehört haben.
Wie wäre es mit einer Genossenschaft?
Noch mehr Diversität wäre weiterhin wünschenswert, umso mehr aber eine alternative Streamingökonomie. Der noch im Aufbau befindliche, genossenschaftlich betriebene Dienst Tone könnte dafür in Zukunft ein Beispiel darstellen. Solange kann das Publikum immerhin zwischen marginal besseren Ausschüttungen, einem weitgehend KI-freien Hörerlebnis oder sogar auf spezifische Interessen zugeschnittenen Angeboten wählen.
Spotify mag die öffentliche Diskussion beherrschen, alternativlos ist der Dienst keineswegs.