Die Ablehnung ist groß für den Plan der Bundesregierung, ausländischen Fachkräften einen Steuerrabatt zu gewähren, wenn sie sich für Deutschland entscheiden. Die Debatte darüber wird hochemotional geführt. Dagegen wird es geradezu als Selbstverständlichkeit wahrgenommen, wenn die Regierung 15 Milliarden Euro an finanziellen Hilfen für zwei ausländische Unternehmen beschließt. Zehn Milliarden Euro für die Niederlassung des US-Unternehmens Intel in Magdeburg und fünf Milliarden Euro für TSMC aus Taiwan in Dresden. Auch die finanzielle Entlastung für deutsche Arbeitnehmende von 23 Milliarden Euro für die kommenden zwei Jahre wird nicht weiter hinterfragt. Was aber sagen diese Debatten über uns als Gesellschaft und unser Verständnis von Gerechtigkeit und Leistungsansprüchen aus?
Im Vergleich zu den 23 Milliarden Euro an Entlastungen, die im Bundeshaushalt 2025 und 2026 vorgesehen sind – primär für Spitzenverdienende –, würde der Steuerrabatt für ausländische Fachkräfte nur einen kleinen Bruchteil kosten. Wie viel genau, wissen wir nicht. Zum einen, weil wir nicht wissen, wie viele Fachkräfte aus dem Ausland künftig kommen werden. Zum anderen, weil die Bundesregierung diese Steuererleichterung nur für gut qualifizierte Fachkräfte in einer Einkommensspanne mit einer Untergrenze und einer Obergrenze gewähren will. Es ist also weder vorgesehen, Fachkräfte im Niedriglohnsektor noch Spitzenverdienende bei einer Investmentbank steuerlich zu entlasten. Hinzu kommt, dass der Rabatt zeitlich begrenzt wäre. Im ersten Jahr beträgt er 30 Prozent, im zweiten Jahr 20 Prozent und im dritten Jahr 10 Prozent des Bruttolohns.
Nehmen wir an, dass dies auf 100.000 neue Beschäftigte aus dem Ausland pro Jahr, in einer Einkommensspanne zwischen 30.000 und 70.000 Euro brutto im Jahr zuträfe. Pro ausländische Fachkraft würde dies eine steuerliche Entlastung zwischen 1.000 und 5.000 Euro im ersten Jahr und entsprechend in den beiden Folgejahren bedeuten. Hochgerechnet auf 100.000 neue Fachkräfte wären dies knapp 500 Millionen Euro an entgangenen Steuereinnahmen für den Staat.
23 Milliarden steuerliche Entlastung versus 500 Millionen Steuerrabatt
Wenn man berücksichtigt, dass Fachkräfte ohne den Steuerrabatt gar nicht nach Deutschland kämen, würden sogar Steuereinnahmen hinzukommen, die sonst gar nicht generiert worden wären. Denn es gibt zahlreiche wissenschaftliche Studien (PDF), die belegen, dass Steueranreize einen signifikant positiven Effekt vor allem auf die Zuwanderung hoch qualifizierter Migrantinnen und Migranten haben. Der von der Bundesregierung geplante Steuerrabatt dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit ein recht effektives Mittel sein, das langfristig auch dem deutschen Staat finanziell einen großen Nutzen bringt.
Woran liegt es also, dass 23 Milliarden Euro an steuerlicher Entlastung vornehmlich für Spitzenverdienende kaum der Rede wert sind, aber die 500 Millionen Euro für ausländische Fachkräfte einen Sturm der Entrüstung auslösen? Ein Teil der Antwort ist im Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen zu suchen. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner wurde in den vergangenen Jahren nicht müde zu betonen, dass die Leistungsträger unserer Gesellschaft stärker entlastet werden müssten. Ein höherer Mindestlohn oder ein höheres Bürgergeld sei dagegen nicht gerechtfertigt.
Wir wissen aus wissenschaftlichen Studien, dass eine große Mehrheit der Deutschen Gerechtigkeit über Leistung und Bedarfe definiert, nicht über Gleichheit oder Ansprüche. In anderen Worten: Viele setzen die Leistung und den Beitrag zur Gesellschaft mit der Höhe des Einkommens gleich. Menschen mit geringen Einkommen leisten somit wenig, und auch ihre Bedürfnisse sind – so die Logik – über Mindestlohn oder Bürgergeld mehr als ausreichend abgedeckt.
Vermutlich wären die gesellschaftliche Empörung und die Ablehnung des Steuerrabatts geringer, wenn die Nutznießer Deutsche wären. Vermutlich spielt es für viele auch keine Rolle, dass Deutschland dringend ausländische Fachkräfte benötigt, die letztlich zu einer größeren Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und somit zu höheren Löhnen und Einkommen beitragen würden. Vielen scheint es nicht bewusst zu sein, dass sie selbst direkt und indirekt durch Zuwanderung profitieren. Und offenbar vergisst man dabei, dass Menschen, die hier ins Land kommen, Schwierigkeiten haben, Wohnungen und Kinderbetreuung zu finden, und hohe Umzugskosten haben. Bei so vielen Nachteilen ist es gerecht, wenn sie an anderer Stelle einen Vorteil bekommen, wie ich schon in meiner Kolumne vom 12. Juli dargelegt habe.
Die Ablehnung ist groß für den Plan der Bundesregierung, ausländischen Fachkräften einen Steuerrabatt zu gewähren, wenn sie sich für Deutschland entscheiden. Die Debatte darüber wird hochemotional geführt. Dagegen wird es geradezu als Selbstverständlichkeit wahrgenommen, wenn die Regierung 15 Milliarden Euro an finanziellen Hilfen für zwei ausländische Unternehmen beschließt. Zehn Milliarden Euro für die Niederlassung des US-Unternehmens Intel in Magdeburg und fünf Milliarden Euro für TSMC aus Taiwan in Dresden. Auch die finanzielle Entlastung für deutsche Arbeitnehmende von 23 Milliarden Euro für die kommenden zwei Jahre wird nicht weiter hinterfragt. Was aber sagen diese Debatten über uns als Gesellschaft und unser Verständnis von Gerechtigkeit und Leistungsansprüchen aus?