F.A.Z. exklusiv: Zweifel am Gesundheitskurs jener Ampel

Eine deutliche Mehrheit der Deutschen macht die Bundesregierung für die Defizite im Gesundheitswesen verantwortlich. Das gilt sogar für Anhänger der drei Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP. In einer unveröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA Consulere, die der F.A.Z. vorliegt, stimmten 73 Prozent der Befragten der Aussage zu: „Die Gesundheitspolitik der aktuellen Bundesregierung führt dazu, dass im Gesundheitswesen vieles falsch läuft.“ Als Beispiele für Missstände wurden Krankenhausinsolvenzen, die Steigerung der Krankenkassenbeiträge oder Versorgungsengpässe bei Medikamenten genannt.

Diese negative Ansicht ist unter Oppositionswählern natürlich besonders verbreitet. Aus dem Unionslager schließen sich ihr 78 Prozent an, 80 Prozent und mehr sind es bei AfD, Freien Wählern und Bündnis Sahra Wagenknecht. Aber selbst 67 Prozent der SPD, der Partei von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, sehen die Lage in einem schlechten Licht. Bei den Grünen sind es 60, bei der FDP 58 Prozent.

Gesundheitswesen ist „zu teuer“

Mehr als drei Viertel aller Teilnehmer sind der Meinung, dass die Bürokratie das Gesundheitswesen zu teuer mache. Die repräsentative Onlinebefragung unter mehr als 1000 Erwachsenen entstand im Auftrag des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie BPI, der am Mittwoch in Berlin seine Hauptversammlung abhält. Dazu wird auch Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) erwartet.

Für den Verband am wichtigsten ist die Situation auf den Arzneimittelmärkten. 41 Prozent der Befragten gaben an, schon einmal Lieferengpässe erlebt zu haben. Eine Zweidrittelmehrheit der so Betroffenen behalf sich durch Verwendung eines anderen Präparats. Aber immerhin 23 Prozent verzichteten ganz auf die Medikation, unter jungen Leuten bis zu 29 Jahren waren es fast die Hälfte. In annähernd 60 Prozent der Fälle, in denen es Lieferengpässe gab, trat keine gesundheitliche Verschlechterung ein. 36 Prozent gaben jedoch an, aufgrund der Schwierigkeiten habe sich die Gesundheit des Patienten „etwas“ oder „deutlich“ verschlechtert.

Rund ein Drittel der von Lieferengpässen Betroffenen legte sich anschließend einen Medikamentenvorrat an, wobei Bereitschaft und Möglichkeit dazu mit steigendem Einkommen wachsen. Um die Knappheiten zu beseitigen, sprechen sich große Mehrheiten dafür aus, dass sich Deutschland in der Medikamentenversorgung von globalen Lieferketten unabhängig machen sollte (81 Prozent), dass die Regierung hierzulande tätige Pharmaunternehmen stärker schützen müsse – etwa vor Abwanderung oder Insolvenzen – (76 Prozent) und dass die Politik aufgerufen sei, mehr für die Ansiedlung von Herstellern in Deutschland zu tun, zum Beispiel über bessere Forschungs- und Produktionsbedingungen (82 Prozent).

Starke einheimische Pharmabetriebe, kleine wie große, sind einer überwältigenden Mehrheit wichtig. Jedoch erwartet die Hälfte der Umfragebeteiligten, dass es in fünf Jahren in Deutschland weniger Hersteller geben wird. Mehr als 60 Prozent halten die Medikamentenkosten in der Grundversorgung für zu hoch, aber eine Mehrheit widerspricht dem Satz, dass niedrigere Preise wichtiger seien als die Herkunft.

Mehr Einfluss der Industrie gewünscht

Eine Mehrheit aller Befragten möchte, dass sich die Bundesregierung stärker von der Pharmaindustrie beraten lässt – außer unter den Grünen-Wählern, hier sind es nur 46 Prozent. Positiv wird die Rolle der Branche in der Bekämpfung der Corona-Pandemie gesehen. Nur unter Wählern der AfD (36 Prozent) und der Freien Wähler (44 Prozent) gab es dazu keine mehrheitliche Zustimmung.

„Lieferengpässe bedeuten nicht nur eine Gefahr für die Gesundheitsversorgung, sondern auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland, für Fortschritt, Wohlstand und Arbeitsplätze“, sagte BPI-Chef Kai Joachimsen. „Wir brauchen keine Subventionen, aber Bedingungen, in denen wir auskömmlich forschen, entwickeln und produzieren können.“

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