F.A.Z. exklusiv: Sinkende Netzentgelte entlasten Haushalte um solange bis zu 100 Euro

Unternehmen und Privathaushalte können sich im nächsten Jahr auf sinkende Strompreise einstellen. Die Gebühren für die Nutzung der großen Stromleitungen werden 2026 spürbar fallen – und damit auch die Endpreise für private und gewerbliche Verbraucher. Nach Informationen der F.A.Z. planen die vier Übertragungsnetzbetreiber, die für die sogenannten Stromautobahnen verantwortlich sind, im kommenden Jahr eine Rücknahme ihrer Entgelte um fast 60 Prozent. Der Grund dafür ist, dass die Bundesregierung die Netzentgelte im kommenden Jahr mit 6,5 Milliarden Euro bezuschusst.

Die vorläufigen Berechnungen der Betreiber liegen der F.A.Z. vor. Die endgültige Höhe müssen sie bis zum 1. Oktober anmelden. Auf dieser Grundlage berechnen dann die Verteilnetzbetreiber, welche den Strom übernehmen und die Endkunden beliefern, ihre Gebühren. Die Gesamtentgelte, die etwa ein Drittel der gesamten Stromkosten ausmachen, stehen am 15. Oktober fest.

Am sichtbarsten wird sich die Verringerung bei großen rabattierten Industriekunden auf der Höchstspannungsebene zeigen, denn diese zahlen keine weiteren Verteilnetzgebühren. Die Verringerung der Übertragungsnetzentgelte schlägt also voll auf sie durch. Statt bisher 1,05 Cent je Kilowattstunde (kWh) müssen sie 2026 nur noch 0,47 Cent aufwenden, rund 55 Prozent weniger als bisher. Diese Berechnung gilt für Verbraucher mit einer Jahresarbeit von 850 Gigawattstunden, einer Jahreshöchstlast von 190 Megawattstunden und 75 Prozent Entgeltermäßigung.

Die Wirtschaft wird deutlich entlastet

Regionalverteiler, also etwa die Verteilnetzbetreiber, die in der Umspannebene zwischen Höchst- und Hochspannung agieren, zahlen künftig 2,13 statt 5,02 Cent, das sind fast 58 Prozent weniger als bisher. Wie die Verteilnetzentgelte ausfallen, ist noch unklar, doch dürften deren Betreiber ihre Entlastungen aus der Vorstufe weitergeben. Sie erheben etwa zwei Drittel der gesamten Netznutzungsgebühren, ein Drittel entfallen auf die Übertragungsnetzbetreiber.

Die Wirtschaft wird also deutlich entlastet, aber gilt das auch für Privathaushalte? Nur bedingt, meldet das Vergleichsportal Verivox. Es orientiert sich an sechs von den Übertragungsnetzbetreibern neu berechneten durchschnittlichen Abnahmefällen in der Höchst- und Hochspannung. Hier sinken die Entgelte um knapp 57 Prozent von 6,65 auf 2,86 Cent. Verivox zufolge bedeutet das für einen Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden, dass die Netzgebühren von durchschnittlich netto 427 Euro auf 376 Euro im Jahr fallen. Die gesamten Stromkosten sänken von 1385 auf 1324 Euro brutto, also um 61 Euro im Jahr oder um 4,4 Prozent.

„Von den 6,5 Milliarden Euro Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten wird voraussichtlich höchstens ein Drittel bei den Haushalten ankommen“, sagt Thorsten Storck von Verivox. „Hinzu kommt, dass die Entlastung regional stark unterschiedlich ausfällt, die Regierung bleibt damit weit hinter ihren Ankündigungen im Koalitionsvertrag zur Entlastung der Haushalte beim Strompreis zurück.“

Die Opposition ist nicht überzeugt

Die Bundesregierung sieht das erwartungsgemäß anders, insbesondere das zuständige Wirtschaftsministerium von Katherina Reiche (CDU). „Der von Ministerin Reiche umgesetzte Zuschuss zu den Übertragungsnetzkosten wirkt“, sagt ein Sprecher ihres Hauses. Man entlaste Unternehmen und Verbraucher um die genannten 6,5 Milliarden Euro, damit hohe Strompreise die Wettbewerbsfähigkeit künftig weniger belasteten.

„Die Senkung wird eine signifikante Wirkung für Mittelstand, Industrie sowie Verbraucherinnen und Verbraucher haben“, so der Sprecher. Zur Illustration macht er eine eigene Berechnung auf: „Für Haushaltskunden rechnen wir mit einer durchschnittlichen Entlastung von zwei Cent je kWh, für einen Vier-Personen-Haushalt entspricht dies einer Entlastung von rund 100 Euro.“

Die Opposition ist nicht überzeugt. „Unternehmen brauchen Planungssicherheit, deswegen wäre ein dauerhafter Zuschuss zu den Netzentgelten besser“, sagt der energiepolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Michael Kellner. „Der Ansatz der Regierung stellt weder sicher, dass die Entlastungen zu hundert Prozent weitergegeben werden, noch dass sie gleichmäßig sind.“ Kellner erwartet für Bürger und Betriebe je nach Region zwar eine Entlastung von ein bis drei Cent je Kilowattstunde: „Ein Zuschuss, der auf die Umlagen geht, wäre landesweit gerechter gewesen, weil alle gleich entlastet würden.“

Die Regierung aus CDU/CSU und SPD hat in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, die Energiekosten für Wirtschaft und Privathaushalte zu senken. Der Zuschuss zu den Netzentgelten sowie der geplante Industriestrompreis gehören zu diesen Entlastungen. Als Sofortmaßnahme war zudem eine Reduktion der Stromsteuer „für alle“ fest eingeplant, doch kann die Bundesregierung diese Zusage aufgrund klammer Kassen nicht einhalten. Sie ist daher sehr daran interessiert, die anderen Schritte zur Kostenentlastung in den Vordergrund zu stellen.

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