F.A.Z. exklusiv: Ford will in Deutschland 2900 Arbeitsplätze streichen

Der amerikanische Autokonzern Ford will in Europa weitere Arbeitsplätze abbauen, zum größten Teil durch Kündigungen in Deutschland. 4000 von 28.000 Stellen in Europa will Ford bis Ende 2027 streichen, berichtet Geschäftsführer Marcus Wassenberg der F.A.Z. „Ford macht Verluste in Europa und kann nicht einfach darauf bauen, dass der Mutterkonzern die europäische und die deutsche Tochtergesellschaft unbeschränkt weiter finanziert. Das heißt nicht, dass der Ford-Konzern nicht hinter uns steht, aber es gibt dort den legitimen Wunsch, dass wir in Europa und in Deutschland profitabel sind. Das heißt auch Kosten senken”, sagt Wassenberg. Seine Pläne hat Wassenberg am Mittwochvormittag dem europäischen Betriebsrat des Autoherstellers in Köln präsentiert. An diesem Standort sind die Produktionsmitarbeiter seit dieser Woche in Kurzarbeit, weil die Nachfrage nach den dort gebauten Elektroautos derzeit zu gering ist.

2900 der Stellen werden in Deutschland gestrichen, was also vor allem das Werk in Köln trifft. Noch hat Ford mehr als 15.000 Mitarbeiter in Deutschland, gut 3000 von ihnen arbeiten aber in dem Werk im Saarland, dessen Schließung im kommenden Jahr längst besiegelt ist. Auch in Köln hat der Konzern in den vergangenen Jahren schon mehrere Tausend Stellen gestrichen, zuletzt hatte Ford das Werk allerdings als Zukunftsprojekt ausgewählt. Jetzt steht fest, dass es auch in den ersten Monaten des neuen Jahres Kurzarbeit geben soll.

Kurzarbeit in Köln wird verlängert

„Wir stehen zu diesem Standort, zu Deutschland und zu Europa“, sagt Wassenberg, seit August einer von nur noch zwei Geschäftsführern der deutschen Ford-Werke GmbH und zugleich mit dem Titel Arbeitsdirektor zuständig für Personal und Beziehungen zu den Gewerkschaften. Ford habe zwei Milliarden Dollar in den Umbau des Werks in Köln für die Produktion von Elektrofahrzeugen gesteckt. Tausende Mitarbeiter seien umgeschult worden. „Aber wir fordern, dass alle ihren Beitrag leisten – und dabei ist auch die Politik gefragt. Wir brauchen den Umweltbonus und wir brauchen die Ladeinfrastruktur“, sagt Wassenberg. Die Arbeitskosten seien in den letzten zehn Jahren in Deutschland um 31 Prozent gestiegen. „Wir kämpfen in der Industrie immer noch um den Standort Deutschland und ich bin mir nicht sicher, ob das überall so verstanden wird.“

Die Probleme von Ford in Europa sind aus der Sicht von Wassenberg nicht unbedingt hausgemacht. Es gehe schließlich nicht nur um Kosten im Unternehmen, sondern auch um die Frage, wie der Umsatz mit Elektroautos stabilisiert oder gesteigert werden könne, und das sei auch eine Frage der Wirtschafts- und Umweltpolitik. „Alle Planungen für die Elektromobilität waren generell viel optimistischer als die Verkaufszahlen, die wir jetzt sehen“, sagt Wassenberg. „Das ist ja kein Ford-Problem“. Natürlich müssten Kostenstrukturen angepasst werden. „Aber das führt ja nicht dazu, dass die Leute Elektroautos kaufen, wenn sie andererseits nicht wissen, wo die Ladesäulen sind und wie teuer der Strom für die Elektroautos ist.“ Mit Blick auf das jähe Ende des früheren Umweltbonus Mitte Dezember 2023 mahnt Wassenberg: „Wir brauchen stabile Rahmenbedingungen. Wir müssen uns ebenso darauf verlassen können wie die Verbraucher.“

Marcus Wassenberg, Geschäftsführer Ford-Werke GmbHFord

Die Branche einschließlich der Zulieferer komme nun von zwei Seiten unter Druck: „Die Hersteller stellen auf Elektromobilität um und brauchen dafür stabile Stückzahlen, damit sich die Investitionen lohnen. Gleichzeitig können auch die Zulieferer die Transformation nur finanzieren, wenn die Stückzahlen stimmen.“

Die Ford-Spitze sieht sich nun eingeklemmt zwischen schlechter Konjunktur und schwacher Nachfrage einerseits und andererseits den harten Vorgaben für die Flottenemission neu verkaufter Modelle im Jahr 2025, die um 15 Prozent sinken soll. Die seien „komplett unrealistisch“, weil eben die Nachfrage nach Elektroautos, mit denen der CO2-Ausstoß von Verbrennern ausgeglichen werden sollte, so schwach sei. In der EU könne das die Autohersteller dazu zwingen, die Produktion von Verbrennerautos künstlich zu drosseln, um Strafzahlungen zu entgehen. Die schärferen Regeln für 2025 müssten aus Sicht von Ford verschoben werden. Am Ende der Verbrennerproduktion bis 2035 wolle Ford aber weiter festhalten: „Das Ziel 2035 steht”, sagt Wassenberg. „Wichtig ist, dass wir rechtzeitig mehr Schwung in den Markt für Elektroautos bringen.”

Gesamte Automobilbranche steht unter Druck

Die Lage der Autobranche sei schon in den vergangenen Monaten damit geprägt, dass der Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen bei Autoherstellern und Zulieferern angekündigt wurde. Die Lage bei Ford sieht Geschäftsführer Wassenberg daher nur als einen weiteren Indikator für die stockende Transformation der Antriebstechnik und als Herausforderung für Politik und Gesellschaft, Klarheit über grundlegende Weichenstellungen zu schaffen: „Derzeit wird es schwierig zu sagen, wie der Automobilsektor weiterhin ein Motor für unser Bruttoinlandsprodukt sein kann“, lautet die Folgerung. „Wie wichtig sind uns Industriearbeitsplätze in Deutschland und wie wichtig sind uns denn die Industriearbeitsplätze in der Automobilindustrie? Ist die für uns weiterhin Schlüsselbranche oder nicht mehr?“

Fast ein Viertel der Arbeitsplätze in Köln stehen zur Disposition, so viel ist klar. Nach den Regeln der Mitbestimmung geht das Unternehmen nun in Verhandlungen, bis Ende 2027 soll der Stellenabbau vollzogen sein. Betreffen dürfte er Beschäftigte quer durch alle Bereiche, Produktion genauso wie Produktentwicklung. „Wir bauen jetzt Überkapazitäten ab. Wir sind weiterhin in der Lage, im Zweischichtbetrieb Autos zu bauen“, sagt Wassenberg. Die Kleinwagenproduktion des Ford Fiesta ließen die Ford-Werke im Jahr 2023 auslaufen, jetzt entstehen dort Mittelklasse-SUV auf Elektrobasis. Vom Band laufen in dem „Electric Vehicle Center“ genannten Produktionswerk die beiden Modelle Explorer und Capri, allerdings auch erst seit wenigen Monaten. Das Modell Capri wird im Werk in Köln-Niehl etwa erst seit Ende September gefertigt. Ausgelegt war der Standort Köln auf eine maximale Produktionskapazität von 250.000 Autos im Jahr. Fachleute aus der Branche schätzen allerdings, dass nächstes Jahr nur 100.000 Stück der in Köln gefertigten Elektromodelle Explorer und Capri verkauft werden können.

Hersteller haben Schwierigkeiten, ihre Elektroautos zu verkaufen

„Der Elektroabsatz ist dramatisch eingebrochen. Das ist ein gravierendes Problem für die gesamte Branche, auch Zulieferer stecken in der Klemme“, sagt Wassenberg. „Aber Ford trifft die Lage besonders, denn wir haben als einer der ersten Autohersteller voll auf die Karte Elektromobilität gesetzt.“ Global operiert Ford in drei Sparten, für Verbrenner, Lieferwagen und Elektroautos. Während die Lieferwagen – auch in Deutschland – gut verkauft werden, steckt das Elektroautogeschäft noch tief in den roten Zahlen. Alleine im dritten Quartal fielen 1,2 Milliarden Dollar Verlust an, im Gesamtjahr dürften es fünf Milliarden Dollar werden. Das Werk in Köln, das nur noch Elektroautos baut, sticht dabei besonders heraus.

Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte) bei der Eröffnung des Ford Electric Vehicle Center in Köln am 12. Juni 2023.Reuters

„Wir waren über Jahre im Pkw-Geschäft nicht erfolgreich und wir müssen das ändern“, sagt Wassenberg. Der Manager hat schon in zahlreichen Unternehmen Restrukturierungsprogramme verantwortet, etwa bei Rolls-Royce Power Systems, den Heidelberger Druckmaschinen oder zuletzt Kion. Jetzt ist er derjenige, der in Köln die Kosten runterbringen muss. „Das ist eine der größten Herausforderungen, die ich je hatte“, sagt Wassenberg. Die Restrukturierung fällt in eine Zeit, in der auch die Stimmung in der Gesellschaft angespannt ist, was sich schon in der Konsumzurückhaltung zeigt. Jetzt kommen Stellenstreichungen hinzu, kurz vor Weihnachten. „Das ist schwer zu vermitteln, aber wir werden transparent kommunizieren und vernünftig mit dem Sozialpartner umgehen, nur so hält man Vertrauen aufrecht“, sagt Wassenberg. Man müsse den Mitarbeitern das Gefühl geben, dass es mit diesen Maßnahmen auch wieder besser werden kann.

Ford wollte in Europa mit dem Umstieg auf mehr Elektroautos das gesamte Produktangebot bereinigen. Schon vor Jahren hatte die frühere Ford-Spitze angekündigt, man wolle nicht mehr in jedem Marktsegment mit einem eigenen Modell präsent sein, sondern nur noch dort, wo Ford Eigenes zu bieten habe und Geld verdienen könne. Die Modellpalette wurde dafür so ausgedünnt, dass sie nur noch aus sechs Personenwagen besteht, den zwei in Köln gebauten Elektromodellen, dem Mittelklasse-SUV Explorer und dem Crossover Capri, dem selten verkauften amerikanischen Elektromodell Mustang Mach E, dem mit allen Antrieben in Rumänien gebauten Kleinwagen Puma, dem in Spanien produzierten Verbrenner- und Plug-in-Hybrid Kuga sowie dem nur noch für ein Jahr in Saarlouis produzierten Auslaufmodell Focus. War Ford vielleicht zu rigide bei der Planung der Modellpalette für die Zukunft? Zur Modellpolitik will Wassenberg nicht viel sagen, er klingt eher wie ein Sanierer: „Ich bin derjenige, der jetzt hilft, in einer bestimmten Situation den Kostenabbau, die Verschlankung voranzutreiben, sozusagen die unternehmensinternen Rahmenbedingungen ein Stück weit zu verändern. Damit dann diejenigen, die die Autos entwickeln, ihren Job gut machen können.“ Klar wird aber auch, dass mit dem neuen Sparprogramm weitere Entwicklungskapazitäten verloren gehen. Wassenberg fügt hinzu: „Unsere Modelle werden im Wesentlichen global entwickelt. Wir haben hier aber alle Kompetenzen für die Entwicklung neuer Autos.“

Dass sich der Bundestagswahlkampf nun vor die Werkstore von Ford verlagern könnte, fürchtet Wassenberg nicht. Es war schließlich der Bundeskanzler selbst, der im Juni 2023 zur Eröffnung der Elektroautofertigung in Köln kam und sich mit der Transformation der Ford-Fabrik zu schmücken suchte. Im Umkehrschluss bedeutet das, es wäre wohl nun schwierig für die SPD, verbale Angriffe auf die Ford-Spitze zu starten. Geschäftsführer Wassenberg sieht andere Fragen für die Diskussion am Werkstor: „Wie geht die IG Metall nun damit um, einen Beitrag für die künftige Beschäftigung in der Autobranche zu leisten? Und wie groß wird der Druck der IG Metall auf den Kanzler?”

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