Der Kollaps der Immobiliengruppe Signa zeigt immer drastischere finanzielle Folgen. In Europa meldeten Gläubiger des vor zwei Jahren zahlungsunfähig gewordenen Konglomerats über 40 Milliarden Euro an Forderungen an. Die Forderungssumme betrage allein in Österreich 37 Milliarden Euro, berichtete der Geschäftsführer des Wiener Gläubigerschutzverbands Creditreform, Gerhard Weinhofer am Donnerstag dem ORF. Davon seien vorläufig 11,8 Milliarden Euro gerichtlich anerkannt. Mehr als 3.000 Gläubiger versuchen, ihr Geld zurückzubekommen.
Im Zuge der Abwicklung des verschachtelten Unternehmenskonstrukts mit mehr als tausend Gesellschaften gibt es nach Angaben von Creditreform138 Insolvenzen in Österreich, 177 in Deutschland, 70 in Luxemburg, sieben in der Schweiz und ein paar weitere in Italien und Liechtenstein.
Mit diesen Forderungen reiht sich Signa an die Spitze der Insolvenzfälle in Europa seit der Jahrtausendwende. Zum Vergleich: Beim Zahlungsdienstleister Wirecard wurden Forderungen von mehr als 15 Milliarden Euro angemeldet. Festgestellte Forderungen bewegen sich im niedrigen einstelligen Milliardenbereich (etwa drei bis vier Milliarden Euro). Beim britischen Reiseveranstalter Thomas Cook gab es Forderungen von rund zehn Milliarden Euro.
Verwertung schreitet voran
Nach anfänglicher Verzögerung kommt die Verwertung der verbliebenen Vermögenswerte und Immobilien der Signa-Gesellschaften voran. Es gebe viele Interessenten, sagte Weinhofer. Die Gläubiger der Signa werden wohl nur einen Bruchteil ihres Geldes zurückerhalten. Wie hoch die Quote letztlich ausfallen wird, lässt sich noch nicht sagen. Die Aufarbeitung der Pleiten werde „mindestens noch zehn Jahre“ dauern, so Weinhofer. Zudem versuchen sich Gläubigervertreter, mit ehemaligen Vorständen, Beiräten und Aufsichtsräten in der Frage der persönlichen Haftung außergerichtlich zu einigen.
Die Schlüsselfigur in dem größten Insolvenzfall der österreichischen Wirtschaftsgeschichte ist der Gründer René Benko. Er wurde vorige Woche in einem ersten Strafprozess wegen betrügerischen Bankrotts zu zwei Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Benkos Anwalt Norbert Wess hat Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Landgerichts Innsbruck angemeldet. Daneben meldete am Montag auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Teilfreispruch an. Nach Anmeldung bzw. Urteilszustellung bleiben vier Wochen Zeit, um die Beschwerdegründe näher auszuführen. Mit der Nichtigkeitsbeschwerde werden mögliche Fehler im Verfahren oder im Urteil bekämpft, mit der Berufung die Strafhöhe.
Die Nichtigkeitsbeschwerde zielt darauf ab, dass das Urteil ganz oder teilweise aufgehoben wird. Mit der Berufung kann bei dem Urteil eines Schöffensenats nur das Strafausmaß bekämpft werden, nicht aber die Schuldfrage, also das Urteil darüber, ob der Angeklagte die Tat begangen hat oder nicht. Über die Nichtigkeitsbeschwerde entscheidet der OGH, für die Berufung ist prinzipiell das Oberlandesgericht (hier: Innsbruck) zuständig. Gibt der OGH aber der Beschwerde statt und wird damit der betreffende Teil des Urteils aufgehoben, ist auch die Berufung hinfällig. Verwirft der OGH die Nichtigkeitsbeschwerde in einer öffentlichen Verhandlung, kann er auch über die Berufung entscheiden.Benko sitzt seit Januar in Untersuchungshaft. Anträge auf Enthaftung wurden stets mit dem Argument der Tatbegehungsgefahr abgelehnt. Benko wird die Zeit in U-Haft angerechnet, sollte das Urteil rechtskräftig werden. Der nächste Prozess folgt vermutlich noch im November.