Wenn die Nase läuft oder der Hals schmerzt, können die Menschen aus dem 1800-Einwohner-Dorf Etteln, das zur Gemeinde Borchen südlich von Paderborn gehört, seit diesem Herbst zu Antje Stavesand gehen – in die Hausarztpraxis gegenüber vom Bürgerhaus. Antje Stavesand ist aber gar keine Ärztin, sondern Krankenschwester, und die Praxis ist auch nicht ihre. Sie arbeitet in den Räumen des früheren Dorfdoktors, der seit Jahren im Ruhestand ist. Und weil sie keine studierte Ärztin ist, helfen ihr eine Künstliche Intelligenz (KI), ein Telemedizin-Gerät namens „Higo“, schnelle Datenleitungen und am Ende ihr Chef, der Hausarzt Thomas Bandorski im zehn Kilometer entfernten Nachbarort Bad Wünnenberg.
Von Etteln aus braucht man mit dem Auto eine knappe Viertelstunde dorthin. Wer auf den Bus angewiesen ist, muss aber rund anderthalb Stunden lang umständlich mit zwei Linien über Paderborn reisen. Stattdessen können die Ettelner Bürger jetzt in die neue digitale Hausarztpraxis gehen.
Digitale Mitfahrbank und Dorf-App
Die Praxis ist eines von vielen Puzzlestücken, die Etteln zum „digitalsten Dorf Deutschlands“ machen, wie es Ulrich Ahle ausdrückt, der hier bis vor Kurzem Dorfvorsteher war und jetzt als Digitalisierungsverantwortlicher fungiert. Zum Beispiel steht an der Bushaltestelle in der Dorfmitte, wo derzeit nur alle Stunde ein Bus hält, zusätzlich eine „digitale Mitfahrbank“. Per Knopfdruck auf ihren Zielort können Wartende eine Leuchtschrift über der Bank aktivieren, die vorbeifahrenden Autos – also potentiellen Mitfahrgelegenheiten – anzeigt, wo sie hinfahren möchten, etwa nach „Dörenhagen“, ins Nachbardorf.
Drückt jemand den Knopf, schickt außerdem die Dorf-App eine Handymeldung an alle dafür angemeldeten Dorfbewohner. Falls zufällig gerade jemand mit dem Auto Richtung Dörenhagen aufbrechen will, kann diese Person nun eine Schleife fahren und den Wartenden an der Mitfahrbank aufsammeln.
Mit dem digitalen Dorfzwilling Hochwasser prognostizieren
Für das gesamte Dorf existiert ein so genannter Digitaler Dorfzwilling – also ein originalgetreues 3-D-Modell aller Häuser, Straßen und Plätze. Es wurde mithilfe von Drohnenaufnahmen erstellt. Ein solches Mini-Abbild von Etteln lässt sich auf jeden Handy-Bildschirm der Bürger zaubern. Auch in der Dorf-App ist der Digitale Zwilling enthalten. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Sensorsystemen kann er so einiges messen. So kann man etwa auf einen der Ettelner Altkleidercontainer klicken und erhält Informationen darüber, wie voll er gerade ist. Andere Sensoren messen die aktuellen Pegelstände des Flüsschens Alme oder beantworten die Frage, ob der Parkplatz des „Ettcars“ gerade frei oder belegt ist. Das Ettcar ist ein siebensitziges Gemeinschafts-E-Auto, das fahrtüchtige Dorfbewohner über die Dorf-App kostenfrei mieten können.
Der digitale Zwilling kann aber mehr als nur Spielereien. Über ihn lässt sich mit Hilfe meteorologischer Daten zum Beispiel ein Starkregenereignis simulieren, wie es 2021 im Ahrtal stattgefunden hat. Bei einer solchen Simulation stellte sich kürzlich heraus, dass ein eigentlich geplantes Baugebiet im Falle von Extremregen zwei Meter unter Wasser stehen würde, berichtet Ahle. „Das wird jetzt dazu führen, dass der Rat in einer seiner nächsten Sitzungen dieses Baugebiet aufgeben wird.“
Ulrich Ahle ist zwar froh über die frühe Warnung, findet es aber auch traurig. „Während früher viele mit Blick auf Etteln sagten: ,Da will ich nicht hin’, ist heute das genaue Gegenteil der Fall.“ Den Ettelnern fehlen Bauplätze. Die Digitalisierung hat Wegzug, Vergreisung und Dorfsterben gestoppt. Die Krankenschwester Antje Stavesand ist darüber beinahe euphorisch. „Etteln ist hier in der Region mittlerweile sowas wie ein ,Place to be‘“, sagt sie. „Man wird immer wieder darauf angesprochen.“
Glasfaserausbau mit dem Traktor
Für das Zusammenspiel seiner vielen digitalen Einrichtungen hat Etteln sogar im Jahr 2024 den „Smart City Award“ des weltgrößten Berufsverbands für Ingenieure und Wissenschaftler in den Bereichen Elektrotechnik, Elektronik und IT gewonnen. Wie speziell das für ein kleines Dorf ist, zeigt vielleicht die Tatsache, dass auf Platz zwei die Stadt Hongkong lag. Die Umsetzung der vielen smarten Features verdankt der Ort rund 150 Ehrenamtlern, die sich in Etteln für die Digitalisierung engagieren, „um das zu schaffen, was wir heute haben und die Basis zu legen für das, was wir in Zukunft noch machen wollen“, wie Ulrich Ahle es ausdrückt.
Dazu zählte etwa, dass die Ettelner im Jahr 2020 weitgehend in Eigenarbeit Glasfaser bis in jeden Ettelner Haushalt verlegten. 65 Helfer mit 20 zum Teil eigenen Traktoren und Spezialfahrzeugen verbuddelten damals rund 30 Kilometer Leitungen. Hätte der normale geförderte Glasfaserausbau das Dorf unterm Strich rund 2,7 Millionen Euro gekostet und rund sechs Jahre gedauert, seien die Freiwilligen innerhalb eines halben Jahres fertig gewesen, erzählt Ahle stolz. Kostenpunkt: rund 100.000 Euro.
„So sind wir an Etteln geraten“
Das Glasfasernetz war einer von mehreren Gründen, warum Antje Stavesand mit ihrer Familie vor etwas mehr als fünf Jahren in das Dorf umzog. „Es war die Hochphase der Coronapandemie“, erzählt sie. Die Stavesands wohnten damals mitten in der Innenstadt von Paderborn, hatten zwar auch dort eine „schöne große Wohnung mit Garten“, doch in der vielen Zeit zu Hause hätten sich die Nachbarn häufig an den spielenden und lärmenden Kindern gestört. Damals waren Stavesands Söhne fünf und sechs Jahre alt. „Uns fehlte unser eigenes Haus, unser eigener Platz und ein bisschen mehr Freiheit als in der Innenstadt“, sagt sie. „So sind wir an Etteln geraten.“
Ein wichtiges Kriterium für die Familie war, dass Jann-Eve Stavesand, Wirtschaftsingenieur und Produktportfoliomanager im Paderborner Hightech-Unternehmen D-Space, mit schnellem Internet im Homeoffice arbeiten konnte. „Für uns wäre es ein No-Go gewesen, in ein digitales Nichts zu ziehen“, sagt er. Aber natürlich sei es auch wichtig gewesen, sich ein eigenes Haus überhaupt leisten zu können. „In Paderborn sind die Preise ja völlig durch die Decke gegangen“, sagt Antje Stavesand. In Etteln sei die Sache mit dem Eigenheim „realistisch“ gewesen. Jetzt hat die Familie sogar so viel Platz, dass sie im Untergeschoss noch eine Einliegerwohnung vermieten können.
Auch Bo und Jon Stavesand, die mittlerweile Teenager sind, schätzen die Kombination aus Dorfleben und Digitalität. „Ich nutze das Internet vor allem zum Computerspielen mit Freunden“, sagt Jon Stavesand. „Nebenher telefonieren wir dann per Video.“ Mit langsamem Internet würde das nicht gehen. Aber auch für die Schule sind beide froh über die schnellen Leitungen. Zum Beispiel bekommen sie immer wieder Aufgaben über Teams geschickt. Am neuen Haus freut sie, dass sie endlich Haustiere haben durften, was in der Stadt nie möglich war. Wie zum Beweis springt eine weiße Katze auf die hölzerne Sitzbank im Wohnzimmer und klettert darauf herum. Aber auch den vielen Platz zum Roller- und Fahrradfahren im Dorf und den fußläufig gelegenen Fußballverein findet Jon Stavesand gut. „Und manchmal, wenn wir im Nachbarort Training haben, dann bucht unser Trainer für uns das Ettcar.“
Alle Unterschiede zwischen Dorf und Stadt freilich kann die Digitalität nicht wettmachen. Bo Stavesand ist zum Beispiel großer American-Football-Fan. Einen Verein für ihn gibt es nur im 15 Kilometer entfernten Paderborn. Das gleiche gilt für weiterführende Schulen. Und die digitale Mitfahrbank ist zwar ein nettes, aber kein verlässliches Angebot. „Wir fahren eigentlich immer mit dem Bus“, sagt Jon Stavesand. Zu manchen Tageszeiten gehe die Chance an der Mitfahrbank eine Fahrt zu finden gegen null, ergänzt sein Vater. „Mal abgesehen davon, dass man so zwar aus Etteln weg-, aber nicht wieder zurückkommt.“
Arztbesuch mit KI
Antje Stavesand hat dem digitalen Dorf sogar ihren jetzigen Job zu verdanken. Arbeitete sie früher in einer Paderborner Klinik auf Station, ist sie nun bei Hausarzt Bandorski angestellt und schmeißt einige Stunden in der Woche die KI-gestützte Praxis in Etteln. „Wenn jemand mit den klassischen Erkältungssymptomen kommt, dann mache ich erst einmal eine Anamnese“, erklärt sie. Sie geht also mit dem Patienten einen Fragenkatalog durch, etwa wie alt die Person ist, ob sie raucht, welche Schmerzen sie hat. Nebenher läuft die KI, die aus den Antworten mögliche Diagnosen erstellt.
„Das System sagt mir: ,Zu soundso viel Prozent ist es diese Krankheit, zu soundso viel Prozent könnte es aber auch jene sein‘“, erklärt Stavesand. Das System leitet die Krankenschwester danach dabei an, den Patienten körperlich zu untersuchen. Das geschieht mit dem „Higo“ einem länglichen Gerät, klein wie ein Handy; dazu gibt es noch einige Zubehörteile, etwa einen Aufsatz, um in die Ohren zu gucken. Es ist aber nicht Antje Stavesand, die guckt. Vielmehr sendet das Higo Bilder und Daten an ein Computerprogramm, das mit dem Hausarzt Bandorski in Bad Wünnenberg verbunden ist.
„Mit dem Gerät kann man im Prinzip alles machen, auch Herztöne aufzeichnen oder Fieber messen“, sagt Stavesand. „Sogar ein EKG schreiben kann ich damit.“ Arzt Bandorski kann sich dann zum Beispiel die Herztöne anhören oder die Bilder vom geröteten Rachen des erkälteten Patienten angucken. „Und er kann sie sich auch immer wieder angucken oder ranzoomen“, sagt Stavesand. Der Patient bekommt von der Krankenschwester keine Diagnose, sondern einen QR-Code und eine Einwahlzeit. Zu der trifft er sich am heimischen Rechner zu einer Videosprechstunde mit dem Arzt.
Etteln als Datenraum
Etteln wäre wohl kaum zum smarten Dorf geworden, wäre da nicht Ulrich Ahle. Der 61-Jährige lebt seit seiner Kindheit hier, bis heute wohnt er in seinem Elternhaus, hoch oben auf einem Hügel. Digitalisierung ist Ahles Beruf; sein Leben lang hat er verschiedene Positionen als Entwicklungsingenieur und Führungskraft in der IT-Branche bekleidet, etwa bei Siemens und beim Digitalisierungsdienstleister Atos. Von 2017 bis 2023 war Ahle außerdem Vorstandsvorsitzender der Fiware Foundation, einer gemeinnützigen Organisation, die Open-Source-Software für Smart Cities entwickelt. Und – wie könnte es anders sein – natürlich basiert die Digitalisierungsplattform Ettelns auf dieser Software.
Heute ist Ulrich Ahle Vorstandschef des umstrittenen Projekts Gaia X. Dieses hat sich zum Ziel gesetzt, mehr digitale Souveränität in Europa zu schaffen, indem es Datenräume nach gemeinsamen europäischen Standards einrichtet und sich dafür einsetzt, dass Unternehmen, Wissenschaft und Verwaltung ihre Daten sicher austauschen können, ohne dass sie die Hoheit der Eigentümer verlieren. Oft sei das Ziel von Gaia X missverstanden worden, sagt Ulrich Ahle. „Viele dachten, Gaia X sollte ein Konkurrent zu Microsoft, Google oder Amazon sein. Das ist aber nicht richtig – trotzdem hält sich dieser Mythos.“ Und die Anhänger dieses „Mythos“ würden jetzt behaupten, Gaia X habe dieses Ziel nicht erreicht und sei damit tot, beklagt Ahle. Er selbst hält Gaia X für quicklebendig. Doch ein Problem bleibt: Als reiner Standard für Datenräume wirkt das Konzept wenig greifbar. Und genau da kommt Etteln ins Spiel. Denn künftig soll die heutige Ettelner Digitalisierungsplattform zu einem Gaia-X-basierten Datenraum werden. „Community X“ nennt Ulrich Ahle das.
Autonomes Fahren für den Öffentlichen Nahverkehr
Dass das Smart Village bei Paderborn ein Ort des Ausprobierens ist und sich hier haupt- und ehrenamtliche Tätigkeiten munter mischen – dafür steht nicht nur die Person Ulrich Ahle. Jann-Eve Stavesands Arbeitgeber D-Space ist mit seinen 2800 Mitarbeitern und rund 460 Millionen Euro Jahresumsatz das, was man sich unter einem klassischen Hidden Champion vorstellt. Ursprünglich eine Ausgründung der Uni Paderborn ist D-Space auf Simulationssoftware spezialisiert, vornehmlich für Autos. Vereinfacht gesagt geht es dabei um Systeme, mit denen Steuergeräte und Software in künstlichen Umgebungen geprüft werden, statt im realen Fahrzeug. Diese Lösungen nutzen Autounternehmen, um sicherzustellen, dass Motorsteuerungen, Bremssysteme oder Assistenzsysteme zuverlässig funktionieren, bevor sie in der Realität zum Einsatz kommen. Hochinteressant sind solche Simulationen auch auf dem Gebiet des autonomen Fahrens. Hier kommt wieder Etteln ins Spiel.
D-Space ist nämlich in einem vom Bundeswirtschaftsministerium mit einem zweistelligen Millionenbetrag geförderten Projekt namens Nemobil engagiert, das sich zum Ziel gesetzt hat, den öffentlichen Personennahverkehr in ländlichen Regionen zu verbessern. Die konkrete Idee: Kleine, autonom fahrende Viersitzer, so genannte „Peoplemover“ sollen auf der ersten Meile, zum Beispiel in einem Dorf, Personen einsammeln und zu einem zentralen Punkt bringen. Dort treffen sich mehrere „Peoplemover“ aus verschiedenen Dörfern und verbinden sich zu einem Konvoi, der auf einer Standardstrecke von einem wasserstoffbetriebenen Zugfahrzeug bis zur nächsten größeren Stadt gezogen wird. Dann trennt sich der Konvoi wieder auf.
Die „Peoplemover“ übernehmen die letzte Meile in der Stadt. Jann-Eve Stavesand hält Etteln für einen „idealen Anwendungsfall“: „Schon heute erproben wir mit dem Simulator Fahrten im Digitalen Dorfzwilling“, sagt er. Der Ingenieur ist optimistisch, dass in ein bis zwei Jahren die ersten „Peoplemover“ testweise durch Etteln fahren werden. Noch scheitert das Projekt an regulatorischen Hürden, etwa, dass Stand heute fahrerloses Fahren nicht möglich sei und immer Sicherheitspersonal mit im Auto sitzen müsse.
Dynamische Stromtarife
Anwendungsfall ist Etteln auch in einem energiewirtschaftlichen Projekt zur Dynamisierung des örtlichen Strompreises. Schon heute gibt es einen Stromtarif speziell für Etteln, der rund 30 Prozent niedriger ist als der Grundversorgertarif. Der Grund: Im Paderborner Land herrschen ideale Bedingungen für Windkraft. „Und unser Windanlagenbetreiber Westfalenwind ist auch Stromanbieter“, sagt Ulrich Ahle. „Als Westfalenwind vor 15 Jahren hier Windräder aufstellen wollte, haben die Ettelner Bauern in die Verträge mit hineinverhandelt: Je mehr Windräder hier gebaut werden, desto günstiger wird auch der Strom.“
Nun soll dieser günstige Ettelner Tarif im Rahmen eines Projekts für die Deutsche Energieagentur (Dena) dynamisiert werden. Einige Ettelner Bürger, darunter auch die Stavesands und Ulrich Ahle lassen sich in diesen Tagen dynamische Stromzähler einbauen. „Wenn viel Wind weht, wird dieser Tarif dann künftig noch viel deutlicher unter dem Grundversorgertarif liegen als jetzt schon“, wirbt Ahle für das Vorhaben. Dass zum Beispiel private Wallboxen das E-Auto genau dann laden, wenn viel Wind weht, wird über einen Datenraum gesteuert, den Ahle analog zu Gaia-X „Energy-Data-X“ genannt hat. Und in diesen Datenraum sollen künftig noch viel mehr Daten aus dem smarten Dorf wandern, beispielsweise Mobilitätsdaten.
Das Rechenzentrum sitzt im Windrad
Physisch soll die Infrastruktur dafür passenderweise im Turm eines Windrads im Ettelner Nachbarort Lichtenau angesiedelt sein. Das Windrad sieht von außen aus wie jedes andere: ein Betonriese mitten auf einem Acker. Betritt man aber durch eine Tür das Innere des Windradturms, führen Treppen Geschoss um Geschoss nach oben. Auf mehreren Ebenen sind Serverräume eines Rechenzentrums angeordnet; zum Teil in 20 Metern Höhe. Eine Tochtergesellschaft des Windparkbetreibers Westfalenwind vermietet sie, denn die Bedingungen sind ideal: Strom ist da, zu vielen Tages- und Jahreszeiten gibt es ihn sogar im Überfluss.
Den könne man ja besser nutzen, anstatt die Windräder immer wieder abzuregeln – und Rechenzentren seien nun mal extrem stromhungrig, erklärt Fiete Dubberke, Geschäftsführer der zuständigen Westfalenwind IT. „Das Geschäftsmodell muss man sich vorstellen wie ein Hotelzimmer. Wir geben den Raum, dazu Strom, Klimatisierung und Internet. Was der Kunde damit genau macht, das wissen wir im Grunde gar nicht“. Doch eines ist klar: Einen winzigen Bruchteil dieser Server nimmt die Datenplattform von Etteln ein. Und für Ulrich Ahle ist sicher: „Hier werden wir auch künftig unseren Datenraum betreiben.“ Das Energieprojekt sei – das hebt Ahle noch hervor – kein Förderprojekt, sondern „ein kommerzielles“.
Mängelmelder und Lebensmittelautomat
Ansonsten nämlich funktionieren die allermeisten Ettelner Digitalspielereien nicht ohne öffentliche Mittel. Insgesamt stecken in dem smarten Dorf rund 1,7 Millionen Euro Fördergeld von verschiedenen Ebenen – Bundes-, Landes- und EU-Mittel; die bislang größte Einzelförderung erhielt der digitale Dorfzwilling vom Bundeslandwirtschaftsministerium. Und Ahle versucht weiterhin, Geld für Zukünftiges einzuwerben. „Wir haben eine Reihe von Ideen“, sagt er. „Zum Beispiel wollen wir einen automatisierten 24-Stunden-Laden in Etteln errichten.“ Eine andere Idee nennt Ahle „Nano-Ehrenamt“. Mit Hilfe eines „Mängelmelders“ sollen Bürger Bescheid sagen, wenn in Etteln etwas nicht funktioniert, etwa ein Pflasterstein wackelt. „Das landet dann in einem Datenraum, auf den alle zugreifen können und dann können sich Ehrenamtler melden, die bereit sind, den Pflasterstein wieder festzuklopfen.“
Familie Stavesand begrüßt die neuen Ideen. „Ich glaube, wir haben hier in Etteln diese ganzen Digitalisierungsthemen jetzt abgegrast“, sagt Jann-Eve Stavesand. „Strompreis – cool, Internet – cool“, auch die digitale Hausarztpraxis sei etwas, „das wirklich einen Nutzen bringt für Jeden und Jede.“ Anders sei das aber bei dem digitalen Dorfzwilling. „Das ist ja erstmal eine Machbarkeitsstudie, wo man dann sagt: ,Jetzt müssen wir Anwendungsfälle definieren‘“. Denn täglich Flusspegelstände per Klick abfragen zu können – das interessiere die meisten Dorfbewohner nicht per se. Bei einem Anwendungsfall wie dem autonomen Fahren, an dem Stavesands Firma tüftelt, sähe das seiner Meinung nach ganz anders aus. „Das ist jetzt noch eine Reise.“