Geld bewegt die Welt, heißt es. Warum sollte es also nicht auch den Weg zum Klimaschutz ebnen? Das zumindest glauben all jene, die die Anlage nach sogenannten ESG-Kriterien propagieren.
Das Kürzel steht für Environment, Social und Governance. Es bedeutet, dass bei Investments Unternehmen ausgeschlossen werden, die Mindeststandards im Umwelt- und Klimaschutz, bei den Arbeitsbedingungen sowie der Unternehmensführung nicht erfüllen.
Die Europäische Union fördert diese Form der Geldanlage mit immer neuen Vorgaben, Fondsgesellschaften machen eifrig mit. Nur die Anleger wollen davon nichts wissen. Das zeigt sich bei den Zuflüssen in die entsprechenden Fonds.
Sie werden anhand der Taxonomie-Verordnung der EU klassifiziert: Artikel 6 stellt nur geringe Anforderungen, Artikel 8 deutlich höhere und Artikel 9 macht die strengsten Auflagen. Doch gerade Fonds, die den striktesten Kriterien folgen, mussten einer Analyse der Fondsratingagentur Morningstar zufolge 2023 Abflüsse hinnehmen.
Das findet seine Entsprechung in der Haltung der deutschen Sparer. So ergab eine Umfrage im Auftrag des Beratungsunternehmens BearingPoint kürzlich, dass im Schnitt nur für sechs Prozent ESG-Kriterien entscheidend für den Kauf von Aktien, Anleihen oder Fonds sind.
Bei den Jüngeren sind es etwas mehr, bei den Älteren noch weniger. Anderes ist wichtiger. „Faktoren wie Rendite und Kosten beeinflussen die Entscheidungen bei Geldanlagen weiterhin stark“, sagt Robert Bosch, Leiter Banking & Kapitalmärkte bei BearingPoint.
Kein Wunder – Investments nach ESG-Kriterien kosteten zuletzt viel Rendite. So stürzte beispielsweise der S&P Global Clean Energy Index seit Anfang 2022 um rund ein Drittel ab, während der S&P World Energy Index, der auch fossile Energien umfasst, im selben Zeitraum 50 Prozent zulegte. Das hat viel mit dem Wiederaufstieg der Öl- und Gasindustrie nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine zu tun.
Das kann sich natürlich wieder umkehren. Ein anderes Problem ist jedoch grundlegender Natur. Denn nur in wenigen Branchen ist so klar wie im Energiesektor, was eigentlich nachhaltig ist. Daher wollen Agenturen durch ESG-Ratings für Durchblick sorgen und klassifizieren börsennotierte Unternehmen danach, wie sie nachhaltige Kriterien erfüllen.
Daran orientieren sich die meisten Fonds bei der Auswahl der Firmen. Doch fünf Ökonomen haben nun in einer Analyse gezeigt, dass diese Bewertungen völlig uneinheitlich sind. Die Wirtschaftswissenschaftler von den Universitäten Köln, Kassel, Augsburg und St. Gallen verglichen die Ergebnisse von fünf Ratingagenturen – es stellte sich heraus, dass die Übereinstimmung zwischen jeweils zwei nur selten über 50 Prozent liegt.
Die Übereinstimmung zwischen allen fünf lag sogar nur bei 18,5 Prozent. „Dieses Ergebnis stellt infrage, ob ESG-Ratings ein geeignetes Instrument sind, um Finanzflüsse an den Nachhaltigkeitskriterien auszurichten“, so die Ökonomen.
Viele Finanzwissenschaftler gehen noch weiter: Sie zweifeln am Sinn nachhaltigen Investierens an sich. So hat bisher keine wissenschaftliche Studie einen Einfluss eines solchen Vorgehens auf das Verhalten der Unternehmen gezeigt, also beispielsweise ihren Beitrag zum Klimaschutz. Denn kauft Anleger A die Aktie nicht, tut es Anleger B – und das ist im Zweifelsfall der öffentliche Fonds eines Ölstaates. Auch dessen Geld bewegt die Welt.
Source: welt.de