„Es ist leichtfertig, nicht mit dem Schlimmsten zu rechnen…“

Die Geschichte spricht ja nicht in Merksätzen, sie spricht
überhaupt nicht. Wichtig für die Gegenwart ist, wie wir über sie sprechen. Das
Geschehen um den Jahreswechsel 1932/33, als viele glaubten, die Hitlerbewegung
werde schwächer, habe den Höhepunkt ihrer Erfolge hinter sich, zeigt zumindest,
dass man nicht auf die Schwäche des Gegners vertrauen, sondern diesen
niederringen sollte. Wer sich mit dem Untergang der Weimarer Republik
beschäftigt, hat reichlich Gelegenheit, seine politische Urteilskraft zu schulen.
Das führt nicht zu einem Schatz ewiger Weisheiten und Lehrsätze, sondern zu
einer gesteigerten Aufmerksamkeit für die vielen, in einer Krisensituation
wichtigen Faktoren. Man kann lernen, worauf man achten muss, welche Fehler
bereits gemacht wurden und daher vermieden werden können. Das Geschehen um 1930
ist so komplex, in sich widersprüchlich, dass man lernt, den eigenen
Gewissheiten zu misstrauen, eigene Annahmen zu korrigieren und vor allem die
richtigen Fragen zu stellen. Wer 1929 annahm, er wisse schon, wie es
weitergehen werde, stand rasch vor den Trümmern seiner Illusionen. Gescheiter
scheint es mir, stets nach Handlungsketten zu fragen: Was geschieht, wenn nicht
dies oder jenes gelingt? Und welche Möglichkeiten bleiben dann?

Ich habe bei der Arbeit an diesem Buch gelernt, wie wichtig
Entscheidungen einzelner in Krisensituationen sein können, dass es gefährlich
ist, Entscheidungen hinauszuzögern und auf bessere Umstände demnächst zu hoffen
und dass unangenehmer ideologischer Streit gleich und mutig geführt werden
muss. Im Falle Weimars rächte es sich, dass nach dem Schock über den Versailler
Vertrag die Auseinandersetzung mit den Eliten des Kaiserreichs weitgehend
unterblieb. So konnte die Rechte die Kriegserinnerungen kapern, sich zur
Bewegung im Geiste der einfachen Frontsoldaten inszenieren.

Auszug aus dem Buch

Die Geschichte spricht ja nicht in Merksätzen, sie spricht
überhaupt nicht. Wichtig für die Gegenwart ist, wie wir über sie sprechen. Das
Geschehen um den Jahreswechsel 1932/33, als viele glaubten, die Hitlerbewegung
werde schwächer, habe den Höhepunkt ihrer Erfolge hinter sich, zeigt zumindest,
dass man nicht auf die Schwäche des Gegners vertrauen, sondern diesen
niederringen sollte. Wer sich mit dem Untergang der Weimarer Republik
beschäftigt, hat reichlich Gelegenheit, seine politische Urteilskraft zu schulen.
Das führt nicht zu einem Schatz ewiger Weisheiten und Lehrsätze, sondern zu
einer gesteigerten Aufmerksamkeit für die vielen, in einer Krisensituation
wichtigen Faktoren. Man kann lernen, worauf man achten muss, welche Fehler
bereits gemacht wurden und daher vermieden werden können. Das Geschehen um 1930
ist so komplex, in sich widersprüchlich, dass man lernt, den eigenen
Gewissheiten zu misstrauen, eigene Annahmen zu korrigieren und vor allem die
richtigen Fragen zu stellen. Wer 1929 annahm, er wisse schon, wie es
weitergehen werde, stand rasch vor den Trümmern seiner Illusionen. Gescheiter
scheint es mir, stets nach Handlungsketten zu fragen: Was geschieht, wenn nicht
dies oder jenes gelingt? Und welche Möglichkeiten bleiben dann?

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