Gilt der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ nicht auch für einen Großkonzern wie Daimler Truck ? Eine ranghohe Managerin des Nutzfahrzeugherstellers kämpft am Dienstag vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg um die gleiche Bezahlung wie ihre männlichen Kollegen (Az. 2 Sa 14/24).
Die Klägerin ist seit fast 30 Jahren im Daimler-Konzern beschäftigt und wurde vor knapp 15 Jahren zur Abteilungsleiterin befördert. Als sie vor einigen Jahren aus der Elternzeit zurückkehrte, stellte sie fest, dass sie in Teilzeit deutlich weniger verdiente als ihre männlichen Kollegen auf gleicher Ebene. Dagegen klagte die Frau, nun in der Berufungsinstanz unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF).
Lohngleichheit im Betrieb
Grundlage für diese Forderung ist das 2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz. Es soll Frauen und Männern dabei helfen, den Grundsatz der Entgeltgleichheit im Betrieb durchzusetzen. Das Gesetz verbietet eine geschlechtsspezifische Benachteiligung bei Entgeltbestandteilen. Außerdem darf der Arbeitgeber bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit bei der Entlohnung keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern machen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im Februar 2023 den Equal-Pay-Grundsatz gefestigt, seitdem kann sich der Arbeitgeber auch nicht mehr darauf berufen, dass ein Mann ein Gehalt besser ausgehandelt habe als eine Frau.
Das Bundesarbeitsgericht habe mit seinem Urteil einige grundsätzliche Fragen geklärt, meint Sarah Lincoln von der GFF. „Trotzdem sehen wir, dass in den unteren Instanzen noch vieles durcheinandergeht und es offenbar noch einige Missverständnisse und Klärungsbedarf gibt“, sagt die Anwältin, die das Verfahren aufseiten der Klägerin mitbegleitet.
In erster Instanz hatte das Arbeitsgericht Stuttgart Daimler Truck im November 2023 dazu verurteilt, der Klägerin die Differenz zum sogenannten Medianentgelt ihrer männlichen Vergleichsgruppe zu zahlen – den vollen Ausgleich zum Gehalt des männlichen Vergleichskollegen im Konzern wollte das Arbeitsgericht ihr nicht zugestehen. Für die GFF ist das wiederum ein Widerspruch zur Rechtsprechung des BAG und des Europäischen Gerichtshof. Mit der Berufung vor dem LAG will man nicht nur eine Korrektur der ersten Instanz erreichen, sondern gerichtlich feststellen lassen, dass der Arbeitgeber die Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern nach objektiven Kriterien begründen müssen.
„Bei Daimler existieren auf den Führungsebenen keine transparenten Kriterien für die Entgelthöhe, wie etwa Betriebszugehörigkeit, Leistung oder Qualifikation. Deshalb tut sich Daimler schwer damit, die Gehaltsunterschiede zu begründen“, erklärt Lincoln. „Unternehmen müssen in der Lage sein, Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen kohärent zu begründen, auch beim Management. Viele Unternehmen tun sich mit dieser Forderung schwer, weil sie bei der Lohnfestlegung freie Hand haben und nicht von Gerichten überprüft werden wollen.“
„Kein Einzelfall“
Der Fall sei kein Einzelfall, behauptet die GFF in ihrer Pressemitteilung am Montag und legt verbal nach. „Lohndiskriminierung ist sowohl bei der Mercedes-Benz AG als auch bei der Daimler AG ein strukturelles Problem, in allen Entgeltgruppen. Allein sechs weitere Abteilungsleiterinnen klagten oder klagen auf gleichen Lohn, teilweise schon in zweiter Instanz.“
Ein Sprecher von Daimler Truck erklärte hingegen auf Nachfrage der F.A.Z. mit Blick auf Equal-Pay-Auseinandersetzungen handele es sich um das „einzige anhängige Verfahren“ gegen das Unternehmen. Mit weiteren Aussagen zum konkreten Streit hält sich das Unternehmen zurück. Man äußere sich grundsätzlich nicht zu laufenden Verfahren, heißt es aus Stuttgart.