Mehr Geld,
viel mehr Geld brauchte Deutschland, um seine Sicherheit zu garantieren und
seine internationalen Interessen durchzusetzen. Nicht nur für die Verteidigung,
sondern auch für „Diplomatie und Entwicklungspolitik als Maßnahmen der
Krisenprävention“. Christian Lindner hat das gesagt.
Christian
Lindner? Ja, Christian Lindner. Es ist allerdings eine Weile her. Sommer 2019,
damals war der FDP-Chef noch im Bundestagswahlkampf. Heute ist er
Finanzminister und Großmeister der Schuldenbremse. Der Haushalt
für das Jahr 2025 steht im Bundestag zur Verhandlung.
Der Regierungsentwurf
sieht vor, die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit um über zehn Prozent und die Gelder
für humanitäre Hilfe um 53 Prozent zu kürzen. Von rund 2,2 Milliarden auf 1,04
Milliarden Euro. Man wolle, so
heißt es im Finanzministerium, beide Etats auf das Vorkrisenniveau der Jahre
2017 bis 2019 senken.
Deutschland gehört zu den weltweit größten Geldgebern
Auch dem
Finanzminister müsste bei der täglichen Zeitungslektüre aufgefallen sein, dass
die Welt sich leider nicht auf das „Vorkrisenniveau“ von 2019 begeben hat. In
der Ukraine, in Gaza, im Libanon, im Sudan herrscht Krieg. Die Zahl der
Menschen, die auf der Flucht sind oder Hunger leiden (oder beides), steigt. Die
Folgen der Klimakrise – Dürren, Überflutungen, Ernteausfälle – treffen Länder im Globalen Süden besonders hart.
Gleichzeitig steht den UN immer weniger Geld für globale Hilfsprogramme zur
Verfügung.
Von den für 2024 veranschlagten 2,7 Milliarden Dollar für den Sudan
– also Nothilfe für die Zivilbevölkerung im Land und die inzwischen drei
Millionen Flüchtlinge in den Nachbarländern – hatten Geberländer bis August
dieses Jahres gerade einmal 32 Prozent aufgebracht.
Auch das
Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) musste bereits Rationen für
Hungernde zusammenstreichen. Bei den Mitteln für das WFP will die
Ampelkoalition ebenfalls sparen.
Nun gehört
Deutschland bislang zu den weltweit größten Geldgebern. Gerade bei der humanitären
Hilfe, wo es auf der Liste der Geber auf Platz zwei liegt. Hinter den USA und
vor der EU und Japan. Sollen doch
mal andere ran, könnte man jetzt sagen. Dieses Argument
passt zur aktuellen Stimmung. Internationale Hilfe wird in diesen Zeiten in
Social-Media-Kampagnen gern mal als Geldverschwendung auf Kosten deutscher
Steuerzahler angeprangert.
Nur blendet es
zwei Faktoren aus: die realen Zahlen und Deutschlands Rolle in der Welt.
Philipp
Rotmann, Direktor des Global Public Policy Institute (GPPI), einer deutschen
Denkfabrik, hat sich die tatsächliche Kaufkraft der deutschen Hilfe genauer
angesehen. Aufgrund der weltweiten Inflation ist sie in den vergangenen Jahren
deutlich gesunken, schreibt er, und liegt vermutlich schon unter dem Niveau von
2019.
Deutschland tut
außerdem oft großzügiger, als es ist. In einem gerade erschienenen Bericht
kritisiert Concord, der Dachverband europäischer Entwicklungsorganisationen,
dass die Bundesregierung in den Etat für Entwicklungszusammenarbeit Gelder
einrechnet, die gar nicht für Länder im Globalen Süden gedacht sind. Zum
Beispiel die Ausgaben für die Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge in
Deutschland.
Immerhin gibt es Widerstand im Parlament
Trotz solcher
buchhalterischen Tricks: Deutschland hat sich bei den UN wie auch in vielen Entwicklungsländern
einen Ruf als verlässlicher Partner erarbeitet. Dieser Ruf war – und ist immer noch
– das Fundament deutscher soft power in der Welt. Was jetzt
bei der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe zusammengestrichen
werden soll, macht nur einen kleinen Teil der von Christian Lindner geforderten
Kürzungen aus. Der politische Schaden aber wäre immens. Die Bundesregierung
lege „die Axt an Deutschlands internationale Stärke“, sagt Rotmann.
Immerhin: Es
gibt Widerstand im Parlament. In einem Brief an ihre Fraktionsvorsitzenden
appellieren die Abgeordneten Frank Schwabe (SPD), Peter Heidt (FDP) und Boris
Mijatovic (Grüne), wenigstens die humanitäre Hilfe deutlich anzuheben. Zum
einen aus Gründen der völkerrechtlichen Ethik. Die besagt, dass die
Weltgemeinschaft bei Katastrophen nach den Prinzipien der Unparteilichkeit,
Neutralität, Unabhängigkeit und Menschlichkeit helfen muss. Soll heißen:
Humanitäre Hilfe darf nicht an politische Bedingungen geknüpft werden. Und sie
muss sich an der Not der betroffenen Menschen orientieren, nicht an der
medialen Aufmerksamkeit, die sie bekommt.
Zum anderen fordern
Schwabe, Heidt und Mijatovic mehr geopolitische Voraussicht: „Die regelbasierte
Ordnung wird von autoritären Staaten in vielfältiger Art und Weise
herausgefordert und internationale Institutionen und Gewohnheiten gezielt
unterwandert“, schreiben die drei Mitglieder des Bundestags. „Wir sollten dies
nicht durch die massive Kürzung von Mitteln begünstigen.“
Die Frage ist,
ob Christian Lindner diese Zeilen liest. Und wenn ja, welcher Lindner
– der von 2019 oder der von 2024?
Mehr Geld,
viel mehr Geld brauchte Deutschland, um seine Sicherheit zu garantieren und
seine internationalen Interessen durchzusetzen. Nicht nur für die Verteidigung,
sondern auch für „Diplomatie und Entwicklungspolitik als Maßnahmen der
Krisenprävention“. Christian Lindner hat das gesagt.
Christian
Lindner? Ja, Christian Lindner. Es ist allerdings eine Weile her. Sommer 2019,
damals war der FDP-Chef noch im Bundestagswahlkampf. Heute ist er
Finanzminister und Großmeister der Schuldenbremse. Der Haushalt
für das Jahr 2025 steht im Bundestag zur Verhandlung.