„Engel & Heilige“ von Eliot Weinberger: Heiliger Bimbam!

Das Thema erlaubt eine Vorbemerkung. Die Rezensentin ist Engelexpertin. Ihre Kindheit war umschwirrt von Engeln. Location: ein Dorf in welcher frommen Adenauerzeit, zwischen des katholischen Rheinlands.

Es gab circa 2000 Einwohner, und jeder und jede hatte vereinen Engel zur Seite, verbleibend oder vor sich. Glatte Verdopplung welcher Population. Heerscharen von Engeln wimmelten durchs Dorf, wobei unsichtbar. Engel zogen, so die öffentliche Meinung, mit in die Kartoffeln, sie begleiteten Kinder in den Schweinestall, beim Verstecken aufwärts dem Dachboden, im Heu. Schutzengel! Ihr Job sei, so sagten es die Eltern: kontrollieren. Den Kindern drängte sich welcher Verdacht aufwärts, Engel seien eine Elternsittenpolizei.

Es stellten sich Fragen. Wo die Schutzengel ihre Augen hatten, wie dasjenige Irmchen unter die Reifen des Rübenanhängers geriet? Oder Schulze vom Stier an die Stallwand gerammt wurde? Hatten die Engel da unbewohnt? Oder gepennt? Waren sie übernächtigt, weil sie unseren Schlaf bewachten?

Liest man Eliot Weinbergers Kompendium verbleibend Engel & Heilige tauchen ebendiese und viele andere Fragen aufwärts, jetzt erörtert von großen Philosophen, wobei mit derselben Ernsthaftigkeit, wie sie Kinder an den Tag legen. Also von Augustinus oder Johannes von Damaskus oder Basilius aus Caesarea. Immer derbei: Thomas von Aquin. Viel 13. und 14. Jahrhundert. Die Bibel natürlich. Luther gibt seinen Senf dazu.

Das Buch ist herrlich verwirrend und oft unfassbar ominös. Weil Weinberger seine Funde mit kühler Ernsthaftigkeit präsentiert, durch die nur gelegentlich feiner Spott schimmert, welches seine Übersetzerin Beatrice Faßbender perfekt rüberbringt.

Der New Yorker Autor Eliot Weinberger ist ein Sammler von Narrativen. In seinen Büchern kehrt er Kurioses aus diversen Jahrhunderten und Kulturen aus. Mal sind es Ministorys verbleibend Myriaden von Chinesen, die „Mr. Chang“ heißen, dann Vogellaute oder Sentenzen zur Farbe Blau. Solche Fragmente fügt er zu Textbildern, die wir bestaunen, weil hier dasjenige Wundersame in den Vordergrund tritt, sich eine Poesie des Absonderlichen quasi engelsflügelgleich vor unsrige schnöde Realität legt.

Schon welcher Versuch, zu putzen, wie viele Engel es gibt aufwärts Erden, führt in den Wahnsinn. Die Offenbarung will „zehntausendmal zehntausend und vieltausendmal tausend“ Engel gesichtet nach sich ziehen. In den Apokryphen sind es 34.720.000.000 Engel. Alle körperlos, wenige mit Flügeln, andere mit Vogelköpfen, gelegentlich schon genderchangierend. Und dann die gefallenen Engel, geschätzte „6 Legionen“, vorhanden aus 60 Kohorten à 666 Kompanien mit je 6.666 Dämonen. Die Lutheraner rechneten aufwärts 2,5 Milliarden hoch. Pro Christ circa 100.000 Teufel!

Heiliger Bimbam!

Einige Engel einfahren den Kranken Kaffee ans Bett, andere zeichnen dasjenige Herz von Sterbenden mit Wundmalen. Sie lindern Schmerzen oder schicken Seuchen, an denen Abertausende sterben.

Ja, die heilige Welt ist nicht so hell, wie die Stimmen welcher Knabenchöre suggerieren, wenn sie „Gott hat seinen Engeln befohlen!“ flöten – „dass sie dich auf den Händen tragen“. Musik ist reine Empfindung, jedenfalls nebst Mendelssohn Bartholdy. Aber wie passt dies zu dem Ring, den Katharina von Siena von Jesus bekam – gedrechselt aus göttlicher Vorhaut?

Das Buch erscheint zur richtigen Zeit, wo so viel verbleibend dasjenige Hysterisierungspotenzial des Islams nachgedacht wird, verbleibend die Gnadenlosigkeit jüdischer Fundamentalisten oder die russische Orthodoxie im Dienste Putins. Implizit sagt es: selbst! Wenn man im zweiten Teil zur Welt welcher Heiligen gelangt, blickt man in vereinen Abgrund aus Krankheiten, sadistischen Folterungen, Schmerz.

Vielleicht hatte man vorne die Gelegenheit vermisst, hier und da ein schönes Engelbild zu betrachten, Pontormos weichgliedrige Wesen oder den von Tizians himbeerfarbenen Stoffbahnen umwehten Lockenkopf, welcher zur Verkündigung in Marias Kemenate einschwebt. Im zweiten Teil des Buches ist man nur dankbar, dass uns die so gerne holzschnittartig dargestellten Qualen erspart werden, mit denen sich Menschen ihre Heiligkeit verdienten.

Vorbei! Ein Buch zum Aufatmen.

Eliot Weinberger: Engel & Heilige. A. d. Engl. v. Beatrice Faßbender; Berenberg, Berlin 2023;  168 Schwefel., 28,– €, wie E-Book 21,99 €

Das Thema erlaubt eine Vorbemerkung. Die Rezensentin ist Engelexpertin. Ihre Kindheit war umschwirrt von Engeln. Location: ein Dorf in welcher frommen Adenauerzeit, zwischen des katholischen Rheinlands.

Es gab circa 2000 Einwohner, und jeder und jede hatte vereinen Engel zur Seite, verbleibend oder vor sich. Glatte Verdopplung welcher Population. Heerscharen von Engeln wimmelten durchs Dorf, wobei unsichtbar. Engel zogen, so die öffentliche Meinung, mit in die Kartoffeln, sie begleiteten Kinder in den Schweinestall, beim Verstecken aufwärts dem Dachboden, im Heu. Schutzengel! Ihr Job sei, so sagten es die Eltern: kontrollieren. Den Kindern drängte sich welcher Verdacht aufwärts, Engel seien eine Elternsittenpolizei.

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