Energie in Österreich: Wenige Schnee hat auch Folgen für die Wasserkraft

Nicht nur Wintersportlern fehlt der Schnee in Österreich. Auch für die Wasserkraftwerke verheißt das wenig winterliche Wetter nichts Gutes. Denn weniger Schnee bedeutet auch weniger Schmelzwasser. Schon die Jahrhundertdürre des vorigen Sommers war eine Belastung. „Diese niedrige Wasserführung hält immer noch an“, sagte Michael Strugl, der Vorstandsvorsitzende des führenden Energieerzeugers des Landes, Verbund , vor Kurzem. Das börsennotierte Unternehmen will sich breiter aufstellen und mehr Strom aus Wind und Sonne erzeugen.

Michaela Seiser

Wirtschaftskorrespondentin für Österreich und Ungarn mit Sitz in Wien.

Der vergangene Sommer sei für die gesamte europäische Strombranche herausfordernd gewesen, nicht nur wegen des hohen Gaspreises, sagte Strugl. In Frankreich hätten die Atomkraftwerke nicht ausreichend gekühlt werden können, der Kohletransport etwa auf dem Rhein war eingeschränkt, und die Wasserspeicherkraftwerke in Norwegen waren nicht im üblichen Ausmaß gefüllt. Der Verbund erzeugt derzeit rund 90 Prozent seines Stroms aus Wasserkraft, in Zukunft sollen 20 bis 25 Prozent durch Windräder und große Photovoltaikanlagen (PV) erzeugt werden. Die große Trockenheit habe den Verbund wirtschaftlich getroffen, die Diversifizierung des Erzeugungsportfolios sei enorm wichtig, argumentiert Strugl.

Doch trotz der Energiekrise fehlt ein nationaler Schulterschluss, um in große Wind- und Solarparks zu investieren: „Was uns fehlt, sind die Flächen“, Versorgungssicherheit sei nicht zum Nulltarif zu bekommen, mahnte Strugl. Projekte würden blockiert oder verzögert werden. Er glaubt, dass die sehr hohen Strompreise erst wieder sinken werden, wenn in ganz Europa nennenswert in erneuerbare Energien investiert werde. Derzeit würden die Terminmärkte im Großhandel signalisieren, dass die Preise auch 2024 und 2025 noch hoch, nämlich bei ungefähr 200 Euro je Megawattstunde, sein werden. Dass Gas eines Tages wieder so billig sein werde wie vor dem Ukrainekrieg, schließt der Manager aus.

Mehr als Hälfte des Stroms aus Wasserkraft

Mehr als 60 Prozent des in Österreich produzierten Stroms kommen aus Wasserkraftwerken. Rund hundert große und Tausende kleine Kraftwerke sorgen für eine stabile Grundversorgung. Schließlich unterliegt die Wasserkraft unter allen erneuerbaren Energiequellen den wenigsten Schwankungen und ist weitgehend unabhängig von Wetter oder Jahreszeit. Wasserkraftwerke, vor allem Speicher und Pumpspeicher, sind hochflexibel. Sie können die Differenzen zwischen der witterungsbedingt schwankenden Erzeugung von Windparks und Solaranlagen sowie dem jeweiligen Strombedarf (Residuallast) ausgleichen.

Gemeinsam mit Windkraft, Biomasse und Solarstrom werden in Österreich dank der früh ausgebauten Wasserkraft rund drei Viertel des Stroms aus erneuerbaren Quellen erzeugt. Damit liegt der Alpenstaat als Vorreiter weit über dem europäischen Schnitt von einem Drittel.

Durch seine naturräumlichen Gegebenheiten hat das Land beste Voraussetzungen für die Nutzung der Wasserkraft. In den Alpen gibt es viel Niederschlag und sehr große Höhenunterschiede. Tiefe Gebirgstäler eignen sich zusätzlich zur Speicherung von großen Wassermengen und für die Errichtung von Speicherkraftwerken. Diese Voraussetzungen haben nicht viele Volkswirtschaften in Europa, ausgenommen Norwegen und Schweden. Österreich hat sie auch genutzt, sodass nicht mehr viel Potential zum weiteren Ausbau besteht.

Wasserkraft sei eine günstige Form der Stromerzeugung, sagt Franz Angerer, Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur – einer Forschungs- und Beratungseinrichtung. Die baulichen Anlagen dieser Energiequelle haben eine lange Lebensdauer, so seien viele Mühlbäche schon vor mehr als hundert Jahren angelegt worden. Turbinen und auch Generatoren halten auch über viele Jahrzehnte den Belastungen stand.

Strompreis dennoch nur im Mittelfeld

Dennoch liegt Österreich im europäischen Vergleich der Marktpreise nur im Mittelfeld. Das hängt mit dem Preisfindungsmechanismus zusammen. Die Marktpreise werden nach dem Merit-Order-Prinzip bestimmt, wonach das letzte Gebot den Preis für alle Angebote bestimmt. „Wir haben im zurückliegenden Jahr beispielsweise sehr häufig Situationen mit deutlich höheren Preisen in Österreich im Vergleich zu Deutschland beobachtet. Der hohe Anteil an günstigem Wasserstrom hat da leider keinen Einfluss auf den Strompreis für die Kunden“, sagt Angerer. Im Zuge der gestiegenen Energiepreise gibt es seit Dezember eine Strompreisbremse. Sie ist bis Mitte 2024 befristet und wird während dieses Zeitraums automatisch auf die Stromrechnung angewendet.

Obwohl die Österreicher so stark auf Wasserkraft setzen, können sie den Verbrauch damit nicht abdecken. In den vergangenen Jahren war das Land Nettoimporteur. Für 2030 hat sich die Regierung das Ziel gesetzt, den Strombedarf auf das Jahr betrachtet zur Gänze aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. Während in der warmen Jahreszeit der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion dank des hohen Anteils an Wasserkraft jetzt schon hoch ist, sieht es in der kalten Jahreszeit schlechter aus. Die Erzeugung geht zurück, aber der Verbrauch steigt, weil für Beleuchtung und Wärmepumpen mehr Strom benötigt wird. Diese Lücke wird durch Importe geschlossen – Strom, der überwiegend aus Kohle- oder Atomkraftwerken stammt.

Zwar sind in den Wintermonaten die Wasserangebote für die Kraftwerke im Schnitt geringer als im Sommer. Doch lassen sich in den langjährigen Statistiken eindeutige Muster nur schwer erkennen. Sehr niedrige Wasserführungen gibt es immer wieder, auffällig waren der Energieagentur zufolge die Februarmonate in den Jahren 2006 und 2014, aber auch der Spätherbst 2018. Wenn es so weitergeht wie zum Jahresauftakt, wird dieser Winter auch herausragen.

AngeboteAtomkraftwerkeDeutschlandEnergieEnergiekriseEnergiepreiseGasÖsterreichPreiseRegierungSchwedenStromStrompreisUnternehmenWien