Die KiKa-Serie „Auf Fritzis Spuren – Wie war das so in der DDR?“ wurde mit dem „Fernseh-Oscar“ Emmy ausgezeichnet. Wofür eigentlich?
Das Team um Andrea Gentsch (links) und Ralf Kukula (dritter von links) feiert den Emmy-Gewinn in New York
Foto: Leonardo Munoz/AFP/Getty Images
Wow! Damit kindgerechte Medienproduktionen hierzulande öffentliche Aufmerksamkeit bekommen, muss normalerweise ein Lied „Oma ist ’ne alte Umweltsau“ heißen, oder in Köln die Maus in Brand gesteckt werden. Nun schaffte es Auf Fritzis Spuren – Wie war das so in der DDR? in die Schlagzeilen, weil die KiKa-Serie mit einem International Emmy ausgezeichnet worden ist.
Da kann man sich zunächst einmal ganz unironisch mit dem Team um Andrea Gentsch und Ralf Kukula freuen. Glückwunsch! Es lohnt sich aber auch, zu fragen, ob dieser Preis wirklich dafür vergeben wurde, dass Auf Fritzis Spuren den „DDR-Alltag leicht erklärt“, wie die Bild meint und der Untertitel Wie war das so in der DDR? nahelegt.
Zunächst einmal ist Fritzi eine fiktionale 12-Jährige aus Leipzig und die Heldin des 2009 erschienenen Kinderbuches Fritzi war dabei. In ihm erzählt die gebürtige Augsburgerin Hanna Schott von den Leipziger Montagsdemonstrationen aus der Perspektive eines Kindes. Seither diente das Buch bereits als Vorlage für den Animationsfilm Fritzi – Eine Wendewundergeschichte und die animierte Serie Fritzi und Sophie – Grenzenlose Freundschaft. Der Dresdener Filmemacher Ralf Kukula war jeweils mit dabei und entkräftet so das argwöhnische Unken, bei Fritzi handele es sich einmal mehr um eine westdeutsche Aneignung ostdeutscher Geschichte.
Vom Stasi-Verhör bis zu qualmenden Schornsteinen
Als Infotainment-Serie bemüht sich Auf Fritzis Spuren nun vor allem ästhetisch, besonders gegenwartsgemäß zu sein. Die sechs 15-minütigen Folgen werden von Julian Janssen (Checker Julian) und Anna Shirin Habedank leidenschaftlich moderiert. Man trifft sie auch als digitale 3D-Avatare im DDR-Metaverse und bei Interviews mit realen Zeitzeugen. Sie lassen sich hinter den Kulissen in Motion-Capture-Anzügen und beim Breakdance-Training filmen.
Zwischendurch ploppt Archivmaterial auf, von einem Stasi-Verhör bis zu qualmenden Industrie-Schornsteinen. Die wenigen Ausschnitte aus den klassisch animierten Fritzi-Filmen wirken nur noch wie ein Alibi, um den etablierten Markennamen im Titel zu rechtfertigen. (Wer wissen will, wie in Brasilien, Südafrika und England Kinderfernsehen mit vergleichsweise sparsamen Mitteln gemacht wird, sollte im Internet mal nach den anderen Nominierten der Emmy-Kategorie „Kids: Factual & Entertainment“ suchen).
Auch inhaltlich weckt Auf Fritzis Spuren erstmal Skepsis. Im Titelsong heißt es über die DDR „Niemand sollte raus, keiner wollte rein“, was die historische Gesamtsituation zwar griffig zuspitzt, gleichwohl aber eine Biografie wie die von Ronald M. Schernikau ohne Not aus dem Gesamtbild tilgt. Und nein, hier wird gerade nicht der „DDR-Alltag leicht erklärt“. Es geht explizit um den Leipziger Herbst 89. Im Fokus stehen Gespräche mit Zeitzeugen, auch aus dem DDR-Untergrund, wie dem einstigen Punk-Musiker Bernd Stracke oder Breakdancer Gabor Steisinger. Da ist viel Wissenswertes dabei und auch manch ein Widerspruch wird durchaus zugelassen.
Was die Emmy-Jury an deutschen Produktionen interessiert
Befremdlich sind allerdings jene Momente, in denen Interviewpartner offenkundig versuchen, auch Kritik am gegenwärtigen politischen System zu üben. So etwas wird von „Checker“ Julian rasch wegmoderiert („Man darf heute sagen, dass man nichts mehr sagen darf“). Am Ende zieht seine Kollegin Anna mit feuchten Augen ihr Fazit: „Ich krieg ganz viel Hoffnung für meine Zukunft, dass wir was ändern können.“ Soziologin Kathrin Mahler Walther ergänzt: „Tatsächlich ist in Deutschland die Demokratie wieder in Gefahr, da können wir viel lernen aus dieser Revolution.“
Und dann umarmt sie die 18-jährige Moderatorin, konkreter dürfen beide nicht werden. So bringt Auf Fritzis Spuren mit einer verbalen Nebelkerze den Stillstand unseres politischen Diskurses unfreiwillig auf den Punkt. Dafür wird die Emmy-Jury aus über 1.000 jährlich neu zusammengesetzten Branchenprofis wohl kaum ihren Preis verliehen haben. Er bestätigt nach den Emmys der letzten zehn Jahre (für Deutschland 83 (Kalter Krieg), Familie Braun (Neonazis) und Die Kaiserin (K.u.K. Monarchie) einfach einmal mehr, dass deutsche Produktionen mit historischem Bezug international die besten Chancen haben.