Die Fußball-EM 2024 endet und das in Teilen fußballverrückte Deutschland durfte sich leider nur über das Vorrücken der einheimischen Ballbuben bis ins Viertelfinale freuen. Deutschland scheiterte an den spielstarken Spaniern und dem fehlenden Quäntchen Glück.
Für Tränen der Freude sorgte dann aber etwas anderes. Everybodys neuer Lieblingscoach Julian Nagelsmann, der nach dem Ausscheiden gegen Spanien große Gefühle zeigte und öffentlich weinte, fühlte gleichermaßen den Beginn einer neuen Liebe zwischen den Deutschen und ihrer Nationalmannschaft.
Diese nämlich wandelt sich stetig. Bis in die frühen Nullerjahre begleiteten die sangeskräftigen Subkulturen der Ultras die Spiele der deutschen Nationalmannschaft. Als Oliver Bierhoff 2004 Teammanager der Nationalmannschaft wurde, attestierte man ihm schnell Arroganz und Entfremdung von der Fanbasis. Die nachrückenden Zuschauenden schafften es nie, bei den Spielen der Nationalmannschaft echte Stimmung in die Stadien zu bringen.
Es ist nur Fußball
Allerdings erschien seit der WM 2006 die Figur der Partypatriotin und des Partypatrioten auf der Bildfläche. Eine größere Gruppe von Menschen, die vor, während und nach den Spielen mit viel Bier, Aperol Spritz und Bratwurst (neuerdings auch vegan) die schwarz-rot-goldene Sau rausließ. Ballermannparty, Nationalismus light. Ohne Sieg Heil, aber mit patriotischen Parolen wie etwa dem gebrüllten Sieg, begleitet von rhythmischem Klatschen. Das durfte man zur EM 2024 wieder hören. Journalist:innen und Fachkräfte der Fußballzunft verspürten nun einen starken Zusammenhalt zwischen der Mannschaft und den Zuschauer:innen im Stadion, beim Public Viewing, auf der Couch. Ost und West endlich vereint?
Mhhh, es ist nur Fußball. Bereits morgen holen wir uns neue Unterhaltung auf unsere Smartphones. Was macht eigentlich Boris Becker? War der Bundeskanzler in der Kabine, als Taylor Swift in München auftrat? Die Nationalmannschaft ist ein Funfaktor. Eine emotionale Bindung ist der Ausschüttung von Glückshormonen im Siegesfall zuträglich. Wer möchte aber ernsthaft von Fußballern länger als neunzig Minuten regiert werden? Zumal dieser Fußball gern als König tituliert wird? Wollen wir am Ende unseren Kaiser wiederhaben? Wilhelm, nicht Franz …