Eiskonzern an jener Markt: Magnum: Befreit oder in Gefahr?

PR-technisch erscheint Ma­gnums Börsengang als eine leichte Übung. Wenige Neu­linge bieten solch sinnliche Produkte wie der Amster­da­mer Eiskonzern mit seinen Marken Langnese und Cornetto, Ben & Jerry’s und eben Magnum. Auch zum Auftakt an der Amsterdamer Börse machte sich Vorstandsvorsitzender Peter ter Kulve das ansprechende Erzeugnis zunutze: Mit einem Klöppel in Form eines Magnum-Eises schlug er den Gong, läutete so den Handel mit der neuen Aktie ein. Es ist das 66. und größte Debüt des Jahres im Börsenverbund Euronext, der neben Amsterdam noch ein halbes Dutzend anderer Plätze umfasst, darunter Paris und Mailand. Kein anderer Neuling also hat 2025 dieses Volumen mitgebracht.

So locker der Fall PR-technisch von der Hand geht, so komplex gestaltet er sich IR-technisch – also mit Blick auf die Investor Relations, die Beziehungen zu den An­legern. Magnum ist jetzt aus Unilever abgespalten. Der Londoner Körperpflege-, Wasch- und Lebensmittelkonzern hat sich in den vergangenen Jahren von immer mehr Lebensmittelsparten getrennt; die Eissparte ist nur die neueste, wenn auch besonders spektakuläre Episode. Auf den ersten Blick scheint die IR-Erzählung klar: Ein Mischkonzern konzentriert sich auf ein engeres Produktportefeuille, wie das vom Kapitalmarkt mit zunehmender Wucht gefordert wird. Die ausscheidende Sparte wiederum – so die Erzählung – kann sich ganz um sich selbst kümmern, statt im Großkonzern um Ressourcen und Aufmerksamkeit buhlen zu müssen.

Dieser Linie folgte auch ter Kulve. Man könne nun eine Strategie aufbauen, die perfekt auf Eiscreme gerichtet sei, und nicht „eine verwässerte Strategie als Teil einer breiteren Gruppe“, so der Manager und Unilever-Veteran vor Börsenbeginn. Nun soll das Unternehmen Margen steigern. „Unser Mission ist sehr klar: Das Geschäft ist nicht schnell genug gewachsen, es musste um ein bis zwei Prozent schneller wachsen, und die Profitabilität war um 400 bis 500 Basispunkte zu niedrig“, so zitierte ihn Bloomberg.

Wer lebt künftig milcheisfrei und wer kalorienarm?

Ähnlich äußern sich Analysten. Jefferies lobt – neben dem Ruf des Managements – die neue Freiheit, Gewinne ausreichend in Wachstum zu investieren. Auf die Ressourcenallokation weist auch Diana Radu hin, Analystin von Morningstar. „Innerhalb Unilevers fehlten eine schlagkräftige Vertriebseinheit und ein gezieltes Investitionsprogramm, was im vergangenen Jahrzehnt zu Perioden unterdurchschnittlicher Entwicklung beitrug und zu einer bescheidenen Erosion des Weltmarktanteils.“

Klar ist aber auch: Das Geschäftsrisiko steigt eher, denn aus welcher Seite auch immer Gegenwind kommt: Er trifft nun auf ein kleineres Unternehmen. Zu Ma­gnums Branchenrisiken gehören beispielsweise drehende Verbrauchertrends. Wird es noch hipper, vegan zu leben, und damit auch milcheisfrei? Sorgen sich die Leute künftig noch mehr um Kalorien? Jefferies macht in seiner Analyse geltend, das Geschäft werde als eines mit „Herausforderungen“ durch Gesundheitstrends und Abnehmspritzen wahrgenommen. Au­ßerdem sei es kapitalintensiv.

Magnum selbst hat als Risiko in Dokumenten an die US-Börsenaufsicht SEC die Rohstoffpreise aufgeführt. So stieg der Kakaopreis in den drei Jahren bis Ende 2024 um 375 Prozent, in erster Linie wegen extremen Wetters in Ghana und der Elfenbeinküste. Unternehmensspezifisch kommen in dem Dokument die Turbulenzen um die Marke Ben & Jerry’s zur Sprache: Unilever hatte diese amerikanische Marke im Jahr 2000 mit der Vereinbarung übernommen, dass Ben & Jerry’s mit unabhängiger Führung agiere und weiter seine progressive „soziale Mission“ betreiben dürfe. Darüber hat es in den vergangenen Jahren Konflikte mit dem Mutterkonzern in London gegeben, vor allem um das Thema Israel. Zuletzt wurde der Ton immer schärfer. Im abgespaltenen Konzern droht Ben & Jerry’s ein größerer Stachel zu werden, weil sein Umsatzanteil viel höher ist als bisher im Großkonzern.

Börsenwert verfehlt die Erwartungen weit

Der erste Börsentag fiel bescheiden aus. Im Bericht an die US-Börse hatte Magnum vor einem Monat 11,2 Milliarden Euro als Wert aller Anteilsscheine in Aussicht ausgestellt, was einen Kurs von etwa 18,30 Euro je Papier implizierte. Kurz vor dem Börsengang setzte Euronext den Zulassungs- und Referenzpreis auf nur noch 12,80 Euro fest, entsprechend 7,8 Milliarden Euro Marktkapita­lisierung. Der Handel in Amsterdam begann sogar noch knapp fünf Prozent darunter mit 12,20 Euro, bis zum späten Mittag erreichte der Kurs immerhin wieder den Referenzwert. Unilever-Aktionäre erhielten für je fünf ihrer Anteilsscheine eine neue Magnum-Aktie – sie wurden im Zuge des Spin-offs direkt ins Depot gebucht. Neue Investoren kamen erst mit dem öffentlichen Handel zum Zuge, der Schritt ist daher kein klassisches Initial Public Offering (IPO).

Magnum sieht sich mit acht Milliarden Euro Jahresumsatz und einem Fünftel Marktanteil als Branchenführer im globalen Einzelhandel. Die Aktie wird parallel in London und New York gelistet. Unilever bleibt zunächst mit 19,9 Prozent beteiligt, wird den Anteil aber schrittweise abverkaufen. Je nach Kursentwicklung wird Magnum anfällig für eine Übernahme.

Fonds müssen verkaufen – andere steigen ein

Unilever hat auf möglichen Verkaufsdruck hingewiesen, weil Magnum anders als die bisherige Muttergesellschaft nicht im FTSE-Index der Londoner Börse geführt ist – in Amsterdam besetzt der Wert immerhin gleich einen Platz im Leitindex AEX. Weil Magnum kein Mitglied im FTSE 100 oder Stoxx Europe 50 werde, müssten Fonds mit Fokus auf die Indizes verkaufen, schrieb J.P. Morgan. Insgesamt dürften aus indexbezogenen Gründen etwa 30 Millionen Aktien zwangsläufig verkauft werden, kalkulierte die Investmentbank. Das steht in Relation zu insgesamt gut 612 Millionen Anteilsscheinen. Dafür kommen von anderer Seite Investoren hinzu – etwa solche, die sich auf die Lebensmittelbranche richten. Neuanleger könnten solche sein, die auch in Mondelēz, Nestlé und Pepsi investiert sind.

Die Notiz in New York war Grund für eine Verzögerung: Ursprünglich sollte sich Magnum vor einem Monat auf dem Parkett wiederfinden, aber der zeitweise Haushaltsstopp in den USA behinderte die Arbeit in der SEC. Einen gestaffelten Börsengang – erst in Amsterdam und London, im zweiten Schritt in New York – wollte Unilever nicht.

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