Einsturz welcher Carolabrücke in Dresden: Die Stadt entkam kurz einer Katastrophe

Einsturz welcher Carolabrücke in Dresden: Die Stadt entkam kurz einer Katastrophe

Am Montag war die Dresdner Augustusbrücke gesperrt. Gut 200 Vereine hatten eine lange Tafel aufgebaut, an der es leckere Speisen für umsonst gab. „Dresden is(s)t bunt“, lautete das Motto, „uns geht es darum zu zeigen, dass unsere Stadt weltoffen, vielfältig und gastfreundlich ist“, sagt Marius Zippe von der Diakonie Sachsen, einer Mitveranstalterin des Festes. Leider gebe es ja auch andere Bilder aus Dresden.

Seit Mittwoch ist die Dresdner Carolabrücke gesperrt. Auf gut 100 Metern war in der Nacht jener Teil eingestürzt, auf dem die Straßenbahnen verkehren. Gut zehn Minuten vor dem Einsturz war gegen 2.50 Uhr noch eine Straßenbahn über die Brücke gefahren. Abgesehen vom Schock und einer Vollsperrung der wichtigsten Verkehrsader, ist der Schaden überschaubar.

Dresden und seine Brücken: vier gibt es in der Innenstadt, dazu kommt die Flügelwegbrücke, eine der Autobahn A4 und „das Blaue Wunder“, eine Stahlkonstruktion von 1893. Weil das viel zu wenig ist für den nach der Wiedervereinigung explodierten Autoverkehr, wurde jahrelang über den Bau einer neuen Brücke in der sächsischen Hauptstadt gerungen. Nach einem Bürgerentscheid wurde 2013 endlich die Waldschlößchenbrücke eingeweiht, allerdings verlor „Elbflorenz“ – wie die Sachsen ihre Hauptstadt gern bezeichnen – wegen dieser Brücke seinen Titel als „Weltkulturerbe“. Eine gültige Baugenehmigung gibt es für die gut 600 Meter lange Brücke bis heute nicht.

Mitte 2021 wurde ein Teil der Carolabrücke saniert

Mit mehr als 30.000 Fahrzeugen pro Tag zählte die Carolabrücke zu den meistbefahrensten in Dresden. Gebaut wurde sie 1971 vom VEB Brückenbau Dresden, nachdem die Waffen-SS in den letzten Kriegstagen die Vorgängerbrücke gesprengt hatte. In der DDR hieß sie „Dr.-Rudolf-Friedrich-Brücke“, benannt nach dem ersten Ministerpräsidenten Sachsens für die SPD, später SED. Weil in Elbflorenz seit „König“ Kurt Biedenkopf (CDU) aber gern königsgetümelt wird, wurde die Brücke 1991 nach der letzten Königin Sachsens umbenannt. Augustus-, Marien- und Albertbrücke – auch die anderen innerstädtischen Querungen über die Elbe sind nach Königen oder deren Gattinnen benannt. Die Carolabrücke kommt in der Dresdner Neustadt am Königsufer an, wie die Straße zwischen Staatskanzlei und Finanzministerium heißt.

Mitte 2021 war der erste, elbaufwärts liegende Zug der Carola-Brücke saniert worden, bis November 2023 folgte der mittlere. Anfang 2025 sollte der jetzt eingestürzte folgen, die Stadt hatte dafür rund 8,4 Millionen Euro im Haushalt vorgesehen. Dass der Zustand „so schlimm“ sei, konnte niemand voraussehen, sagte der Abteilungsleiter Brücken- und Ingenieurbauwerke bei der Stadt, Holger Kalbe, auf einer Pressekonferenz am Mittwoch. Als Ursache vermutet der Fachmann Korrosion am Brückenpfeiler. Ein Fremdeinwirken gebe es nicht, erklärte die Polizei.

Nicht nur der Verkehr ist betroffen, auch die Wärmeversorgung der Stadt: Durch den Einsturz wurden zwei große Versorgungsleitungen für die Fernwärme beschädigt. Zudem ist der Schiffsverkehr auf der Elbe gesperrt, was im Güterverkehr allerdings gelassen gesehen wird: Wegen Niedrigwasser der Elbe ruht dieser schön länger, im September fiel der Pegel unter 90 Zentimeter. Betroffen sind allerdings die Schiffe der Weißen Flotte, 20 bis 30 Mal am Tag fahren die beliebten Schaufelraddampfer auch bei diesem Wasserstand normalerweise unter der Carolabrücke hindurch.

Die meisten Dresdner Brücken bekommen die Note „ausreichend“

Der Zustand von Brücken, Tunneln, Betonpfeilern und andere Ingenieurbauwerke wird alle sechs Jahre nach DIN 1076 überprüft. Bei diesem sogenannten „Brücken-TÜV“ wird neben der Sicherheit auch die Dauerhaftigkeit bewertet. Die meisten Dresdner Brücken sind demnach mit dem Prädikat „ausreichend“ und besser bewertet, lediglich der eingestürzte Teil der Carolabrücke (nicht ausreichend) und „das Blaue Wunder“ (ungenügender Zustand) schnitten schlechter ab. Die oberste Elbbrücke Dresdens sollte eigentlich seit 2023 saniert werden, allerdings gibt es juristische Auseinandersetzungen um die Bauausschreibung.

Obwohl die Mittel für die Sanierungsarbeiten in Dresden bereitstehen, nutzen Organisationen das Unglück, „mehr Geld“ für Brückensanierungen zu fordern. Kerstin Haarmann, die Chefin des ökologischen Verkehrsclubs VCD, bezeichnete den Einsturz als „ein Menetekel für die deutsche Verkehrsinfrastruktur“. Erhebungen zufolge seien derzeit allein 11.000 Autobahn- und Bundesstraßen-Brücken in Deutschland marode und dringend sanierungsbedürftig. „Hinzu kommen mehrere tausend Bahnbrücken“, so Haarmann. „Seit 25 Jahren investiert Deutschland weniger, als gleichzeitig verfällt“, erklärte Jorinde Schulz, Sprecherin des Vereins „Gemeingut in Bürgerhand“. Wenn nicht massiv gegengelenkt werde, „bricht mehr als eine Brücke zusammen. Wir brauchen ein Sofortprogramm.“ Das Geld dafür solle sich die Bundesregierung von den Superreichen holen, „die der Staat seit Jahren von Steuern weitgehend verschont.“ Eine gerechte Vermögensteuer sei daher das Gebot der Stunde.

Aufnahme von 1974: Damals trug die Brücke noch den Namen Dr. Rudolf Friedrich, benannt nach dem ersten Ministerpräsidenten Sachsens

Foto: Imago/Sächsische Zeitung

Tatsächlich berät der Bundestag am Freitag den „Einzelplan 12“ des Bundeshaushalts 2025: In diesem sind die „Verkehrswegeinvestitionen des Bundes“ aufgeführt. „Bundesverkehrsminister Wissing setzt nach wie vor auf den Bau neuer, teurer und naturzerstörender Autobahnen und Bundesstraßen“, erklärt Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Die Naturschutzorganisation fordert, zuerst die Bedarfsplan-Überprüfung zum Bundesverkehrswegeplan 2030 abzuwarten, bevor „weiterhin zahlreiche Autobahnneubauprojekte, deren Bau nicht mit den Zielen des Natur- und Klimaschutzes kompatibel sind“, einfach durch das parlamentarische Verfahren gewunken werden.

AutobahnenBauBrückenbauBUNDBund für Umwelt und Naturschutz DeutschlandBundesregierungBundestagCarolaCDUDeutschlandDrDresdenElbeEuroFernwärmeFinanzministeriumFriedrichGeldHaushaltHolgerJensKurtLangeNaturNaturschutzNeuerPolizeiRudolfSSachsenSchiffeSchiffsverkehrSEDSPDSteuernTUmweltVerkehrVerkehrspolitikWaffenWeilWissingZug