Kaum ist der Sommer vorbei, geht das Megafestival Coachella bereits in den Vorverkauf für die nächste Saison. Was steckt dahinter?
Nach dem Coachella ist jetzt vor dem Coachella. Wobei: Die Tickets für 2026 sind schon weg
Foto: Matt Winckelmeyer/Getty Images
Coachella ist eines der größten Festivals der Welt. 1999 fand es erstmals auf dem Gelände des Empire Polo Clubs in der kalifornischen Stadt Indio statt, seit 2012 gastiert es dort an zwei Wochenenden im Jahr. Bis zu 125.000 Menschen können sich dort pro Tag die Größten der Großen anschauen, bei der letzten Ausgabe Lady Gaga, Green Day, Travis Scott und Post Malone. Die schlicht designten Poster mit dem Line-up des Festivals sind längst ikonisch geworden und werden alljährlich kontrovers diskutiert. Aktuell kreist die Debatte darum, dass bereits Mitte September das Programm für die beiden Wochenenden nächstes Jahr im April angekündigt wurde.
Zum einen hat Coachella nie zuvor sein Line-up dermaßen früh angekündigt, zum anderen setzt das Festival auf größere Namen denn je: Sabrina Carpenter, Justin Bieber und Karol G füllen die Headline-Slots, selbst für Coachella-Verhältnisse sind das Megastars.
Nach wenigen Stunden ausverkauft
Daraus spricht indes nicht eine weitere Kommerzialisierung des zum Entertainment-Riesen AEG gehörenden Festivals, sondern wirtschaftlicher Druck. Denn der Vorverkauf für die diesjährige Ausgabe war ungewohnt schleppend gelaufen. Die frühe Ankündigung und der Fokus auf Verkaufsgaranten sollte dem Abhilfe schaffen. Es hat funktioniert: Nach wenigen Stunden waren die regulären Tickets ausverkauft. Warum aber ist das so wichtig?
Eine Faustregel der Festivalbranche lautet: Wer morgen stattfinden möchte, muss heute möglichst viele Tickets verkaufen. Das ist in der Breite immer schwieriger geworden. Seit einem verfahrenen Neustart im Jahr 2022 vermehren sich die Krisen. Ein zentrales Problem ist das veränderte Kaufverhalten des Publikums, das wählerischer und kurzentschlossener geworden ist.
Das potenziert ein anderes Problem der Branche: gestiegene Produktionskosten. Läuft der Vorverkauf schleppend, können Rechnungen nicht beglichen werden und verdüstern sich Prognosen. Was, wenn kurz vor Beginn nicht genug Tickets verkauft sind, um kostendeckend zu arbeiten – und dann auch noch Regen angesagt wird?
638 Festivals in Deutschland fürchten das Aus
Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie blickt fast ein Drittel der deutschen Branche mit Sorge in die Zukunft, neun Prozent der 638 befragten Festivals befürchten sogar das baldige Aus. Das macht den Vorverkauf umso wichtiger, weshalb nach dem Coachella-Prinzip Festivals auch hierzulande auf zugstarke Headliner*innen setzen und die Line-ups früher denn je verkünden.
Weil aber das Publikum nicht einfach nur schwerer von der Couch zu bekommen ist, sondern von den wirtschaftlichen Krisen der vergangenen Jahre ebenfalls betroffen ist, muss dabei sensibel vorgegangen werden.
Das Hamburger Festival Dockville wurde kürzlich zu einem Zweitagesfestival zusammengestaucht, um Kosten zu sparen und die Ticketpreise für das Publikum zu senken. Der Plan ging auf, sicherlich auch, weil das Festival trotz aller Einsparungen das Budget für das Line-up sogar erhöhte.
99, 199, schließlich 159 Euro: Das Dockville erhöht sukzessive die Preise
Kaum war das diesjährige Festival vorbei, begann der Vorverkauf für 2026. Die Tickets werden in drei Stufen ausgelöst, wobei sich sukzessive die Preise erhöhen: Erst 99, dann 119 und schließlich 159 Euro kostet der Spaß. Für potenzielle Besucher:innen schafft das jetzt Anreize, kostengünstig in die Zukunft zu investieren und damit Planungssicherheit für das Festival zu schaffen.
Diese Staffelstrategie ist keineswegs neu, sie gewinnt unter den aktuellen Umständen aber immer mehr an strategischer Relevanz. Auch wird sie zunehmend mit Maßnahmen kombiniert, die auch dem Publikum Sicherheit in unsicheren Zeiten versprechen sollen.
Festivals wie beispielsweise die Tapefabrik in Wiesbaden bieten mittlerweile potenziellen Besucher*innen die Möglichkeit, die gekauften Tickets bis kurz vor Festivalbeginn zu stornieren. Der solidarische Impulskauf aus dem vorigen Herbst würde sich selbst dann nicht rächen, wenn die Festivalpläne kurzfristig durchkreuzt werden. So wird dem Publikum erleichtert, ein kleines bisschen Risikokapital beizusteuern. Das ist wichtiger denn je.