Ein Deepfake-Video gegen Kanye West und seine Folgen

Scarlett Johansson, Woody Allen, Mark Zuckerberg – auf einmal protestiert Hollywood gegen die antisemitischen Entgleisungen des Rappers Kanye West. Ganz Hollywood? Leider ist das Video ein Fake. Etwas ändern könnte es trotzdem.

Ein steriler weißer Hintergrund, wie in einem modernen Fotostudio, minimalistische Techno-Töne, die sich nach kurzer Zeit als das hebräische Volkslied „Hava Nagila“ herausstellen, eine erstaunlich jugendlich aussehende Scarlett Johansson, ein schlichtes weißes T-Shirt, darauf das Piktogramm einer Hand mit ausgestrecktem Mittelfinger, in der Handfläche ein Davidsstern, darunter der Schriftzug: Kanye. Die Botschaft ist klar, sie lautet: „F***ck you Kanye“, oder freundlich übersetzt: „Zur Hölle mit dir, Kanye West!“

Der für seine öffentlichen Entgleisungen bekannte amerikanische Rapper hatte vor einigen Tagen zunächst verkündet, er sei ein „Nazi“. Dann hatte er während des „Super Bowls“ einen Werbespot geschaltet, der auf die Internetseite seines Onlineshops verwies. Dort konnte man unter der Produktbeschreibung „HH – 01“ ein einziges Produkt erwerben: ein T-Shirt mit einem Hakenkreuz. Der Onlineshop wurde daraufhin vom Plattformbetreiber entfernt. Die öffentliche Empörung über den offensichtlichen Antisemitismus des Rappers war zwar groß, verlief sich jedoch auch in Hilflosigkeit.

Nun also am Dienstag dieses wirklich coole Anti-Kanye-Video, in dem nicht nur Scarlett Johansson auftritt, sondern viele große Hollywood-Namen: Woody Allen ist dabei, Adam Sandler, Steven Spielberg und Angelina Jolie. Unter den T-Shirt-tragenden Promis sind viele, aber nicht alle jüdischer Abstammung. Die kraftvolle Schluss-Message: „Enough is enough“. Genug ist genug. Es reicht. Endlich mal ein solidarischer Lichtblick in Zeiten häufiger propalästinensischer Posen in Hollywood?

Man denke etwa an die Oscarrede des Regisseurs Jonathan Glazer vom letzten Jahr, aufgrund derer sein Film „The Zone of Interest“ über den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß auf einmal als Parabel auf die israelische Besatzung interpretierbar wurde. Man denke an die zahlreichen Anstecknadeln mit roter Hand bei eben jener Oscarverleihung, die für die Träger vielleicht tatsächlich nur die unparteiische Forderung nach Waffenstillstand bedeuteten, die aber für jeden, der sich ein wenig mit der Geschichte des Nahen Ostens beschäftigt hat, auch als Symbol des Lynchmords an Juden lesen lassen.

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Also: endlich Licht? Ja und nein. Das Video, das scheinbar so viele Stars zu einem klaren Statement versammelte (selbst Mark Zuckerberg ist dabei!) ist ein sogenannter Deepfake, eine mithilfe von künstlicher Intelligenz erstellte Fälschung, die die Protagonisten eines Videos Dinge tun lässt, die in Wirklichkeit nie stattgefunden haben. Der Urheber: ein israelischer Unternehmer namens Ori Bejerano, der nie behauptet hat, dass das Video echt ist – aber natürlich in Kauf nimmt, dass es genauso rezipiert wird. Keiner der dargestellten Stars soll sein Einverständnis gegeben haben.

Nun ist das zwar rechtlich problematisch, popkulturell aber interessant: Bejerano hat mit dem Spot ein mediales Ereignis geschaffen, das nun in der Welt ist und sie in eine wünschenswerte Richtung korrigiert. Er erschafft das, was wünschenswert und moralisch richtig gewesen wäre: der massenhafte popkulturelle Protest gegen eine Unerträglichkeit. Gleichzeitig bestätigt er das Gefühl von „Alles muss man selber machen“, das Juden und Israelis dieser Tage nur allzu vertraut sein dürfte.

Source: welt.de

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