E-Commerce: Frankreich geht gegen Shein vor – wie reagiert Deutschland?

Nach dem Sexpuppen-Skandal erreicht die Shein-Kritik ihren Höhepunkt. Jetzt fordert der deutsche Einzelhandel ein klares Signal gegen Rechtsverstöße bei Online-Plattformen.

Wegen Sexpuppen und Waffen geriet Shein ins Visier der französischen Behörden. Großkontrollen folgten. Jetzt fordert der deutsche Einzelhandel ein klares Signal gegen Rechtsverstöße bei Online-Plattformen. Was die Bundesregierung dazu sagt.

Die Bundesregierung hält sich zu möglichen Schwerpunktkontrollen von Paketen des Modehändlers Shein an Flughäfen nach dem Vorbild Frankreichs bedeckt. Mögliche Maßnahmen würden nicht im Voraus angekündigt, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur. Die Zollverwaltung prüfe Warensendungen im Online-Handel laufend risikoorientiert und stichprobenartig. 

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Neueröffnung

So sieht der erste Shein-Store in Paris aus

Es ist die erste Fläche dieser Größe in Europa: An diesem Mittwoch hat der chinesische Ultra Fast Fashion-Händler Shein einen Store in Paris eröffnet. Der rund 1000m² große Laden im sechsten Stock des traditionsreichen Kaufhauses Bazar de l’Hôtel de Ville ist das erste von einer Reihe von Geschäften, die demnächst in Frankreich eröffnen sollen – ausgerechnet in dem Land, in dem die Proteste gegen den Online-Riesen zuletzt besonders massiv waren.

Auf die Aktion gegen Shein in Frankreich angesprochen, hieß es: Das Ministerium habe das Vorgehen der dortigen Behörden zur Kenntnis genommen, kommentiere das Handeln seiner europäischen Partner jedoch grundsätzlich nicht. 

Frankreich kontrolliert 200.000 Shein-Pakete 

Die französische Regierung hatte am Mittwoch ein Verfahren gegen Shein eingeleitet – bis der Online-Händler die Einhaltung aller Vorschriften nachweisen kann. Am Donnerstag startete eine 24-stündige Großkontrolle: Zoll und die französische Behörde für Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung begannen damit, 200.000 Shein-Pakete am Pariser Flughafen zu untersuchen.

Eröffnung in Frankreich: So sieht der erste Shein-Shop in Paris aus

 

Zuvor war öffentlich geworden, dass bei dem Online-Händler Sexpuppen mit kindlichem Aussehen angeboten wurden. Ein Abgeordneter schlug außerdem Alarm, weil über die Plattform Waffen vertrieben werden sollen, deren Besitz in Frankreich ohne besondere Genehmigung verboten ist. Laut Handelsminister Serge Papin entsprachen bei früheren Kontrollen bereits acht von zehn der überprüften Produkte von Shein nicht den Normen. Shein kündigte an, mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Neben einem Verkaufsstopp für Produkte von Drittanbietern würden alle Produkte vorläufig von der Plattform genommen, bei denen es sich nicht um Bekleidung handele. 

Das Bundesfinanzministerium wollte sich dazu nicht äußern. Auch zur öffentlichen Kritik an Shein wollte es keine Stellung nehmen. Aufgrund des Zoll- und Steuergeheimnisses könnten zu einzelnen Unternehmen keine Auskünfte erteilt werden. 

Shein zählt in Deutschland zu den größten Online-Shops. In einem aktuellen Ranking des Handelsforschungsinstituts EHI belegt das Shopping-Portal den 7. Platz. Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz von Shein hierzulande demnach um 18% auf 1,1 Mrd. Euro. Hinzu kamen Erlöse aus dem Marktplatz-Geschäft. Dort verkauft Shein nicht selbst, sondern bietet Händlern eine Plattform – gegen Gebühren. 

Auch andere Plattformen im Visier 

In Frankreich entgeht Shein vorerst einer Seitensperre. Die Regierung habe erreicht, dass Shein alle illegalen Produkte von seiner Plattform entfernt habe, teilte das Wirtschaftsministerium am Freitag mit. Das Unternehmen stehe aber weiterhin unter Beobachtung der staatlichen Behörden. Die Regierung plant jedoch weitere Maßnahmen. Der Verkauf illegaler Produkte sei auch auf anderen Plattformen festgestellt worden, hieß es in der Mitteilung.

Gegen Shein laufen neben einem Gerichtsverfahren in Paris demnach vier Ermittlungen wegen des Verkaufs von Puppen mit kinderpornografischem Charakter. Außerdem wurden Hunderttausende Shein-Pakete vom Zoll beschlagnahmt. Auf europäischer Ebene hatte Frankreich die EU-Kommission zu einer Untersuchung und hartem Durchgreifen gegen Shein aufgefordert.

2024 hat der Bürgermeister von Nizza die Eröffnung eines temporären Shops in seiner Stadt abgelehnt. „Shein ist nicht willkommen in Nizza, weder am Gare du Sud noch anderswo“, sagte Christian Estrosi gegenüber der französischen Presse. Nach Ansicht des Bürgermeisters respektiere Shein die „humanistischen Werte der Stadt“ nicht und sei „eine Bedrohung für die lokalen Geschäfte“.

Der Widerstand in Nizza passt zum Wunsch der französischen Nationalversammlung, die Exzesse der Fast-Fashion-Industrie einzudämmen. Frankreich geht als erstes Land gesetzlich gegen Ultra-Fast Fashion von Anbietern wie Shein und Co vor, hat eine Umweltabgabe verankert. Die Abgeordnete Anne-Cécile Violland erklärt die Hintergründe: „Die Textilbranche produziert exzessiv. Das führt zu exzessivem Konsum. Das wirkt sich auf die Umwelt aus − die Textilbranche ist für 10% des weltweiten CO₂-Ausstoßes verantwortlich, mehr als der gesamte Luftverkehr.“

„Wir müssen die Kontrolle über unsere Grenzen zurückzugewinnen, was die Produkte betrifft, die in das Gebiet der Europäischen Union und Frankreichs gelangen.“

Jean-Noël Barrot, Außenminister Frankreich

Frankreich sieht EU in der Pflicht

Frankreichs Wirtschaftsminister Roland Lescure und Digitalministerin Anne Le Henaff forderten in einem Schreiben an die EU-Kommission die Verhängung vorläufiger Maßnahmen gegen Shein sowie unverzügliche Untersuchungen, „um die Missstände, die zur Vermarktung illegaler Gegenstände auf dieser Plattform geführt haben, vollständig aufzuklären“, berichtete die Zeitung Les Échos. Die Kommission könne gegen die Plattform Geldbußen in Höhe von bis zu 6% ihres weltweiten Umsatzes verhängen und Maßnahmen zur Aussetzung ihrer Aktivitäten ergreifen, hieß es in dem Schreiben.

„Man hat große Online-Plattformen gedeihen lassen“, sagte Außenminister Jean-Noël Barrot, „deren Regeln von chinesischen und amerikanischen Milliardären festgelegt werden und die das wirtschaftliche, soziale und demokratische Leben der Nation stören. Das ist inakzeptabel.“ Der Minister forderte, „die Kontrolle über unsere Grenzen zurückzugewinnen, was die Produkte betrifft, die in das Gebiet der Europäischen Union und Frankreichs gelangen“.

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