Duft-Ausstellung in Düsseldorf: In diesem Museum riecht’s!

Wenn man ins Museum geht, hat man in der Regel eine gewisse visuelle Vorstellung davon, was einen erwartet – an Gerüche denkt man dabei weniger. Erahnen lässt sich allenfalls ein typischer Museumsgeruch von Holz, Staub und Bohnerwachs, der in der Kunstpalast-Ausstellung „Die geheime Macht der Düfte“ auch tatsächlich in einem der Säle künstlich erzeugt wird.

Es gab schon Ausstellungen über den Duft in der Kunst oder den Duft als Kunst, die Schau in Düsseldorf aber nimmt für sich in Anspruch, die erste zu sein, die Kunst mit Geruchserlebnissen in Verbindung bringt. Das tut sie durchaus ambitioniert: Auf den 5000 Quadratmetern des chronologischen Sammlungsrundgangs sind mehrere Dutzend mit Regenbogenfarben markierte Duftstationen verteilt, bei denen es sich sowohl um Raumdüfte als auch um Duftnebel handeln kann, die mit einem Druckmechanismus vom Besucher freigesetzt werden müssen.

Düfte schmelzen die historische Distanz

Der erste Raum, in dem frühe religiöse Kunst versammelt wird, ist dezent mit einem Geruch erfüllt, der vertraut und fremd zugleich wirkt. Eine Texttafel klärt auf, dass es sich um eine Mischung aus Myrrhe und Adlerholz handelt. Während Erstere in Riten des Judentums, Christentums und Islams eine Rolle spielte, ist Letzteres als spirituelles Räucherwerk im Buddhismus und Hinduismus etabliert. Eine feierliche Unbestimmbarkeit liegt in der Luft, die auch darin begründet liegen mag, dass der Geruchssinn allgemein etwas verkümmert ist. Wer kann heute noch all die Gerüche imaginieren, die etwa im „Hohelied Salomos“ erwähnt werden?

Ein Duft von Myrrhe und Adlerholz erfüllen den ersten Raum der Ausstellung zu sakraler Kunst.Kunstpalast Düsseldorf

Schnurstracks dringt in dem Saal „Leidenschaft und Emotion“ ein bekannter Duft in die Nase und das Erinnerungszentrum. Es ist „Rose“ mit all den positiven und negativen Assoziationen, die sich im Zeitalter der künstlichen Reproduzierbarkeit damit verbinden. Aber da ist noch etwas anderes wahrnehmbar, ein Aroma, das man per Knopfdruck herausselektieren kann. Es handelt sich um Zibet, das einst aus dem Drüsensekret der gleichnamigen Katze gewonnen wurde.

Sanft weht einem animalischer Duft mit Moschus-Note ins Gesicht, während man auf das gewaltige Rubens-Gemälde „Venus und Adonis“ sowie „Tiere der Nacht“ von Frans Snyders blickt. Das verändert etwas in der Kunstwahrnehmung, historische Distanz scheint zu schmelzen.

Beeindruckend ist der Expressionismus-Raum

Der „Duft der Macht“ empfängt einen im Raum „Krone und Kirche“. In Versailles habe es vor allem nach Orangenblüten, Veilchen und Lavendel gerochen, lernt man hier – auch, um die Körperausdünstungen und den Gestank der Pariser Straßen („Das Parfum“!) zu überdecken. Von einnehmender Eleganz ist ein in der Stadt Grasse entwickelter Duft, mit dem Katharina von Medici den Ledergeruch ihrer Handschuhe zu überdecken pflegte. Eine eher ungewollte Nähe entsteht hier zur möglichen Drahtzieherin der Bartholomäusnacht.

Im Expressionistenraum überzeugt das Farb-Duftspiel besonders.AP

In dem Themenraum über Kunstkopien – eine gefälschte Mona Lisa hängt darin – wird der Streit um die Namensrechte am Eau de Cologne im direkten Geruchsvergleich nachvollziehbar gemacht. Während das bereits im frühen 18. Jahrhundert von dem Italiener Johann Maria Farina in Köln komponierte Duftwasser betörend nach Zitronen, Kräutern und Blumen riecht, ist das 1792 von der Familie Mülhens herausgebrachte „4711“ geradliniger, beruht aber nachvollziehbar auf einem ähnlichen Rezept. Jahrhundertelang wurde über Markenrechte gestritten, was den Verdacht aufwirft, dass Düften ein stärkerer Ruch von Gemeinfreiheit anhaftet als zum Beispiel bildlichen Motiven.

Beeindruckend ist der Expressionismus-Raum, in dem synthetischen Duftstoffen wie C 10, Calone und Cis-3-Hexenol unter leuchtenden Glasglocken bestimmte Farben zugeordnet werden – Blau, Grün, Gelb, Orange. Anschließend betrachtet man die Gemälde der Expressionisten abstrakter, das Eigenrecht ihrer plakativen Farben tritt stärker hervor.

Vereinseitigung des Werkes

Um Zeitgeschichte und kollektive Erinnerung geht es in der zweiten Hälfte der Ausstellung. Naseöffnend, wie markant sich der Duft von Waschmittel zwischen 1959 und heute verändert hat, vier Geruchsproben machen das deutlich. Dem Pulver von 2025 wird die Kopfnote „aldehydisch“ zugeschrieben, es riecht chemisch rein und seelenlos, während das Aroma aus den eigenen Kindertagen, eines von „Cologne“ und Blumigkeit, unwillkürlich Nostalgie auslöst.

Kreativer noch ist die Präsentation typischer Aromen der DDR-Zeit. Geruchsdosen konservieren Düfte wie „Westpaket“ mit Noten von Kaffee, Schokolade, Haribo und Orangen oder „NVA-Kaserne“ mit solchen von Bohnerwachs, Diesel, Kaffee und Leder. An der „Duftbar“ mit mehr als 20 Ikonen der Parfümerie nehmen die Eindrücke dann überhand. Nach der Hälfte des Parcours stellt sich ein leichtes Kopfweh ein. Duftgier rächt sich.

Hat der Duftdesigner und Kurator Robert Müller-Grünow im Beuys-Saal eine Chance vertan, hätte der Geruch von Talg, Fett und Filz das Beuys-Erleben nicht intensivieren können? Oder hätte eine Beduftung hier geradezu einen Eingriff in das Werk des Künstlers dargestellt, der ja genau wusste, welche Sinne er ansprechen wollte und welchen nicht? Im Begriff „Ausstellung“ ist eine gewisse Distanz angelegt, „Ausdünstung“ hingegen verbindet man mit Nähe. Im Nebenraum wird dann eine Duft-Motiv-Korrespondenz tatsächlich gewagt, vor einem weißen Gemälde von Ulrich Erben kann ein reinlicher Duft von Weiß eingeatmet werden. Das Ergebnis ist enttäuschend, der klare Duft scheint die Wirkung des Kunstwerks zu vereinseitigen.

Der Rundgang führt vorbei an Markendüften und solchen, die das körperliche Befinden verändern, gar erotisch anziehend wirken sollen (Iso E Super), das Konzept für eine Duftmaschine der Zukunft wird präsentiert, die mit Sensoren das Empfinden checkt und mithilfe Künstlicher Intelligenz aromatisch darauf reagiert – stimulierend, entspannend, einschläfernd. Irgendwann hätte man in der Zukunft dann wahrscheinlich die Nase voll vom Geruchsterror.

Für die Düsseldorfer Duft-Ausstellung gilt das nicht. Sie spricht eine Vielzahl von Rezeptoren, Erinnerungen und Assoziationen an, schöpft das Potential synästhetischer Überwältigung aber bewusst nicht aus. Der Geruchssinn ist ein vernachlässigter, keine Frage. Vielleicht aber steckt gerade hinter der Tatsache, dass man die „geheime Macht der Düfte“ immer wieder vergisst, deren besonderer Reiz.

Die geheime Macht der Düfte. Im Kulturpalast Düsseldorf; bis zum 8. März 2026.

Source: faz.net