Drohenden Strafzahlungen: Autoindustrie darf hinaus Aufschub wünschen

Wenn grüne Minister den Aufschub von europäischen Umwelt- und Klimaauflagen fordern, wird es interessant. Die Forderung von Wirtschaftsminister Robert Habeck, auf mögliche Strafzahlungen für die Autoindustrie wegen des Verfehlens der CO2-Grenzwerte 2025 zunächst zu verzichten, dürfte deshalb in Brüssel auf besonderes Gehör gestoßen sein. Es erinnert an Habecks grünen Amtskollegen, Bundesagrarminister Cem Özdemir, der sich ebenfalls frühzeitig hinter die Forderungen gestellt hatte, das EU-Entwaldungsgesetz um ein Jahr auf 2026 aufzuschieben. Die Europäische Kommission hatte sich daraufhin zwar eine Weile geziert, schließlich aber im Oktober genau das vorgeschlagen.

Dürfen sich die Hersteller, die die Anfang 2025 verschärften CO2-Grenzwerte verfehlen, also Hoffnung machen? Das Bild ähnelt sich tatsächlich. Es gibt inzwischen eine breite Allianz an Akteuren, die sich für eine Verschiebung oder ein Aussetzen der Strafzahlungen einsetzt. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gehört dazu. Im Bundestagswahlkampf werden auch CDU und FDP ve­hement dafür eintreten. Die italienische und französische Regierung werben seit Langem für einen Aufschub. Der europäische Automobilverband ACEA hat schon im September kurzfristige Erleichterungen verlangt und vor Strafzahlungen in Milliardenhöhe gewarnt. Die drohen, weil die CO2-Grenzwerte für Autos 2025 von rund 115 Gramm je Kilometer auf 93,6 Gramm sinken. Das ist ein Durchschnittswert. Die Hersteller haben je nach Art der Flotte individuelle Ziele. Für jedes Gramm zu viel wird eine Strafe von 95 Euro je Auto fällig.

Kommission kann die Grenzwerte nicht allein ändern

Bisher hat sich die Europäische Kommission unbeeindruckt gezeigt. Sie argumentiert, es hätten keineswegs alle Konzerne Schwierigkeiten damit, die Grenzwerte zu erfüllen. Tatsächlich haben sich BMW und der Stellantis-Konzern, zu dem Fiat, Peugeot und Opel gehören, gegen eine Aufweichung der Ziele gestellt. Diese Konzerne würden durch so einen Schritt benachteiligt, heißt es in der Kommission. Im Übrigen hätten die Unternehmen noch Zeit, um die Grenzwerte zu erreichen. Abgerechnet wird erst Ende des kommenden Jahres. Noch vor kurzem, allerdings vor dem Scheitern der Ampelkoalition und der Ansetzung von Neuwahlen, hatte sich das Bundeswirtschaftsministerium noch genauso geäußert.

ACEA hätte dennoch gern schon bis Ende dieses Jahres Klarheit gehabt, um den Herstellern Planungssicherheit zu verschaffen. Das ist nicht mehr zu schaffen. Die Zeit bis zum Jahresende ist zu knapp. Die Kommission kann die Grenzwerte nicht einfach allein abschwächen oder die Strafzahlungen aussetzen. Das entsprechende EU-Gesetz muss geändert werden. Dies erfordert die Zustimmung von Europaparlament und Ministerrat. In den verbleibenden fünf Wochen bis 2025 ist das faktisch nicht zu stemmen.

Alles hängt von den Mitgliedstaaten ab

Der Blick richtet sich deshalb auf Mitte 2025. Dann will die EU-Kommission die Flottengrenzwerte ohnehin überprüfen. Dabei geht es vor allem darum, wie die EU dem Verbrennungsmotor über das für 2035 beschlossene Verbot hinaus eine Zu­kunft verschaffen kann. Die Kommission könnte im Rahmen der Überprüfung aber auch eine nachträgliche Aussetzung der Strafzahlungen vorschlagen, oder die nun von Habeck ins Spiel gebrachte Verrechnung mit einer Übererfüllung der Vorgaben für die folgenden Jahre.

Auch dieser Vorschlag muss dann aber anschließend noch von den EU-Institutionen angenommen werden. Ein Selbstläufer dürfte das nicht werden. Dies zeigt die momentan im Gesetzgebungsprozess feststeckende Entwaldungsverordnung nur allzu gut. Das Europaparlament hat den Vorschlag der Kommission nicht einfach nur akzeptiert, sondern auch inhaltliche Änderungen verlangt. Das aber lehnen die EU-Mitgliedstaaten ab, weshalb nun die Verschiebung um ein Jahr komplett zu scheitern droht.

Letztlich dürfte auch bei den Flottengrenzwerten alles von den Mitgliedstaaten abhängen. Im Europaparlament ist ei­ne Mehrheit für Erleichterungen wahrscheinlich. Die Grünen können sie nicht aufhalten. Der Chef der christdemokratischen EVP, Manfred Weber (CSU), hat in der vergangenen Woche nach einem Treffen mit den Spitzen der deutschen Autounternehmen schon dafür geworben. Gemeinsam mit Teilen der Liberalen und Sozialdemokraten, den Nationalkonservativen und den Fraktionen am rechten Rand dürfte die Mehrheit ebenso stehen wie gerade für das Entwaldungsgesetz. Wenn in Deutschland nach der Bundestagswahl die Christdemokraten den Bundeskanzler stellen, könnte sich dann auch im EU-Ministerrat eine Allianz aus „Au­tostaaten“ bilden, um die nötige Mehr­heit zu organisieren.

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