A
wie Apple
Sie kam mit dem Auto zu Besuch. Ich war im 1. Semester. Sie wies mich an, ihr beim Tragen des großen Kartons zu helfen, in dem sich befand, was mein erster Computer wurde: Meine ältere Schwester, von jeher perfektionistisch und designaffin, hatte ihren Apple-Rechner gegen einen neuen eingetauscht, ich wurde nun Nutznießerin und erbte ihren Macintosh LCII. „Sieht er nicht aus wie eine Pizzaschachtel?“, sagte sie verliebt, ehe sie mir mit strenger Miene einen Schnellkurs im Umgang mit dem Gerät gab.
Die Textverarbeitung, jene Funktion, die ich brauchte, um meine Seminararbeiten zu schreiben, lief natürlich über Word. Aber ein anderer als ein Apple wäre meiner Schwester nie ins Haus gekommen. Später habe ich oft geflucht, dass ihr Sinn für Design und ihr Perfektionismus an dieser Stelle so auf mich abgefärbt haben, dass ich es auch so halte. Als ich jüngst hörte, dass der Jahresumsatz von Apple etwa dem aller DAX-Unternehmen entspricht, bin ich allerdings mal wieder ins Grübeln gekommen. Beate Tröger
B
wie Brian Eno
Es sind nur knapp dreieinhalb Sekunden – ein sanftes Aufsteigen, ein Schweben, ein Verhallen. Doch wer in den 1990ern schon an einem Windows-Rechner saß, der wird diesen Sound nie mehr vergessen. Den Startsound von Windows 95, komponiert von Brian Eno: Nun hat ihn die „Library of Congress“ in ihr Archiv der bedeutendsten Klänge der Menschheitsgeschichte aufgenommen.
Ironie des Schicksals: Eno, der Avantgardist, schrieb diese futuristische Miniatur auf einem → Apple Macintosh. Seine Aufgabe war es, erzählte er später, etwas zu schreiben, das optimistisch, inspirierend, futuristisch und spirituell klingt – in 3,25 Sekunden. So entstand ein Stück Musik, das den Menschen vor dem Rechner gleich noch ein Versprechen mitschickte: Willkommen in der Zukunft! Dass der Sound nun archiviert wird, ist die Anerkennung digitaler Kultur. Marc Peschke
D
wie Download
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich – halbwegs zufrieden mit Windows 10 – das Angebot las: Jetzt schnell auf Windows 11 upgraden: mit Klick zum Download. Ohne Probleme und auch noch kostenlos. Mir gefiel daran nur die hübsche Dialektik von „up“ and „down“. Hoch geht’s nur über erst mal runter. Das ließ ich eine Weile unbeachtet, weil ich fand, dass die Microsoft-Strategie, die Leute mittels eines Betriebssystems „in Betrieb zu halten“, nicht allzu beflissen bedient werden sollte. Die Neuerungen halten sich sowieso in Grenzen.
Dann folgte die Drohung mit Liebesentzug: Ende des Supports für Windows 10 (→ Rufus). Also lud ich runter. War es das erste Mal, dass das System direkt von einer Website installiert werden konnte? Ich wollte gerade nachprüfen, ob das stimmt, da stieß ich auf eine Seite, die mir anbot, zu prüfen, ob für meine Windows-11-Version noch ein Upgrade (→ Programmierer) verfügbar ist. Ich schloss die Seite sofort wieder und dachte: NO DOWNLOAD TODAY ON THIS PC. Magda Geisler
F
wie Fenster
Wäre es nach Bill Gates (→ Nerds) gegangen, würde das Microsoft-Betriebssystem heute den Namen Interface Manager tragen. Kein schlechter Name, aber sehr technisch. Es war der damalige Marketingdirektor Rowland Hanson, der auf den genialen Namen Windows kam. Das Fenster zur Welt der Digitalisierung und späteren weltweiten Vernetzung. Was gibt es Einfacheres, als ein Fenster zu öffnen und zu schließen (wenn es denn so wäre).
Windows wurde zum Synonym für → grafische User-Interfaces. Den Grundstein legte in den frühen 70ern aber Xerox PARC. Die Software hieß Smalltalk und zeigte Schaltflächen, die man bewegen und überlappen konnte. Es war aber Microsoft, das Windows zum Standard der Computer-Bedienung machte. Ach, und: Was hat Windows mit U-Booten gemeinsam? Kaum macht man ein Fenster auf, fangen die Probleme an. Ji-Hun Kim
G
wie Grafik
Bewährte Technik: In den meisten IT-Systemen wird die Anwendungssoftware über Symbole angezeigt und kann über diese aufgerufen werden. Solche grafischen Benutzeroberflächen beruhen auf einem derzeit dominierenden Grundaufbau, dem WIMP-Paradigma. Das liegt auch Windows zugrunde. Die Abkürzung benennt die vier wichtigsten Grafikelemente: Windows, Icons, Menus, Pointer.
Aus Fenstern, Symbolen, Menüs und Zeigern, also abgegrenzten Bildschirmbereichen, bestehen diese Schnittstellen, aus Zeichen, um Aktivitäten wie Ausschneiden oder Orte wie den Mülleimer anzuzeigen, aus Kommandolisten und einem Symbol, das die Maus auf dem Bildschirm repräsentiert. Das garantiert eine Universalität, die neuere, intuitivere Eingabewege wie ein Multitouching nicht haben. Diese sind gerade in virtuellen Welten und Computerspielen ziemlich verbreitet. WIMP ist aber noch nicht wegzudenken. Es wurde bereits 1968 vorgestellt. Auch Apples Betriebssystem Mac OS basiert hierauf. Tobias Prüwer
N
wie Nerd!
Der Keller ist sein Zuhause, der Bildschirm das → Fenster zur Welt. Pizza und Cola nähren ihn. Mit Frauen kann er nicht (→ Programmierer), flirtet lieber mit Physikbüchern. Der Nerd kam vor 70 Jahren als konformistischer Charakter auf, seine Inszenierungen veränderten sich, bis er zum Karrierevorbild wurde. Einst verlacht, nennt sich heutzutage jeder so, der einem Hobby nachgeht. Allmählich wurde der Nerd zum Vorbild, seine Neigungen erfolgreich vermarktbar. Er verkörpert das kapitalistische Versprechen: Lebe deinen Spleen, es wird sich schon auszahlen.
Heute ist er allerdings ein Auslaufmodell. Figuren wie Elon Musk und Jeff Bezos haben den von der Generation Gates verkörperten Typus als Idole verdrängt. Virile Bully-Typen, die nicht staunend Maschinen erforschen, sondern sich nach den Sternen greifend Materialschlachten liefern. TP
P
wie Programmierer
Kennen Sie das? Gerade hat man sich an ein neues Computerprogramm gewöhnt, schon wird ein Update angekündigt (→ Download). Oder gleich eine neue Variante. Jeder Code lässt sich unendlich optimieren, weshalb die Arbeit eines Programmierers nie beendet ist. Aufs Gendern wurde hier verzichtet, weil die kreative Informatik meist noch immer eine männliche Domäne ist, da hat sich seit Microsklaven von Douglas Coupland (1995) wenig geändert, in dem pubertäre → Nerds Bill Gates nacheifern. Und wenn im digitalen Hobbykeller getüftelt wird, gerät die Anwendung leicht aus dem Blick. Gilt zu unserem Leidwesen auch für Profis.
Wer kürzlich gezwungen war, seinen bewährten PC zu ersetzen, weil der sich der neuen Windows-Version verweigerte, weiß, wovon die Rede ist. Irgendetwas hat sich bestimmt verbessert, aber was genau, erschließt sich Uneingeweihten nur mit Mühe. Das war schon so, als Windows XP zu Datenschrott erklärt wurde. Zur Freude von Handel und Herstellern. Denn einen Markt für antiquierte Software gibt es höchstens unter Bastlern. Joachim Feldmann
R
wie Rufus
Rufus ist kein Mensch, sondern ein kleines Programm. Kaum jemand kennt seinen Erfinder, doch Millionen nutzen es – meist heimlich. Es schreibt Betriebssysteme auf USB-Sticks, macht alte Rechner wieder lebendig und öffnet Wege, die Microsoft längst verschlossen hat. Mit Windows 11 hat der Konzern neue Hürden errichtet: TPM-Modul, Online-Konto, Hardwarepflicht. Offiziell für mehr Sicherheit, inoffiziell für mehr Geschäft (man braucht eine Zusatzdiskette). Immer ein bisschen teurer, immer ein bisschen kontrollierter.
Rufus ignoriert das einfach. Ein Klick, und der Computer gehorcht wieder dem, der davorsitzt. Rufus steht für die leise Gegenbewegung. Für Menschen, die Technik nicht anbeten und teuer bezahlen, sondern nutzen wollen. Eine kleine Software, geboren aus dem Geist des Selbermachens – und der Computer gehört wieder uns. Jens Siebers
S
wie Schreibmaschine
Das waren noch Zeiten, als Artikel handschriftlich entstanden und im Redaktionssekretariat abgetippt wurden. In der Setzerei, als es noch Bleisatz gab, geschah das dann erneut. Wobei „saubere Manuskripte“ verlangt waren, keine Korrekturen per Hand, was partiell erneutes Abschreiben erforderte. Aber das war damals noch nicht Sache der Redakteure, für die sich mit den ersten Rechnern alles änderte. Bei laufender Produktion mussten sie mit Tastatur und Maus umzugehen lernen. Kaum kamen sie mit der textbasierten Benutzeroberfläche von MS-DOS (→ Grafik) zurecht, folgten weitere Betriebssysteme.
Viel Arbeit für den System Operator. Die Sekretärinnen konnten gehen, die Rohrpost, die mittels Druckluft durch Röhren geschossen kam, wurde überflüssig, die Setzerei mit ihren Bleidämpfen auch. Egal war es plötzlich, wo sich die Druckerei befand. Der Datentransfer erfolgte online. Wer sich einst nur fürs Schreiben zuständig fühlte, hat bald ganze Seiten gestaltet. Gewiss kann KI den Redaktionsalltag unterstützen. Braucht man dann wieder weniger Leute? Irmtraud Gutschke
Z
wie Zusammenbruch
Mein damaliger Freund war ein hochbegabtes Sorgenkind, weshalb wir beide unter engster Obhut seiner Eltern standen – dabei waren wir schon Mitte 20. Wir wurden verwöhnt. Die Mutter, eine Krankenschwester, hatte in unserer schäbigen Wohnung sogar Ahornparkett verlegen lassen, als könnten wir so leichter durchs Leben schlittern. Von wegen. Einmal stand ich kurz vor dem Zusammenbruch, weil ich eine wissenschaftliche Arbeit abliefern musste, Word jedoch mein händisch gefummeltes Inhaltsverzeichnis sabotierte.
Der von den Eltern gesponserte Tischdrucker druckte alles falsch, seitenweise fehlerhafte Fußnoten. Ich wurde sehr nervös, er panisch. Da reiste seine Mutter an, griff sich ihren Sohn und meinen Stick, marschierte in den Copyshop, ließ alles setzen und binden. Am Ende bekam ich für die Arbeit einen Preis. Katharina Schmitz