dm im Afd-Gewitter: Vom Kundenliebling zum Bösewicht

Die Drogeriemarktkette dm ist „everybody’s darling“. Sie belegt in Verbraucherumfragen Jahr für Jahr erste Plätze.  Das Unternehmen zählt zu den attraktivsten Arbeitgebern Deutschlands. Nachhaltigkeit, Ökologie und soziales Engagement gehören zur Identität der Firma.

Wenn dm-Chef und Gründersohn Christoph Werner auftritt, versucht er das Bild vom guten Unternehmer zu prägen. Einem, der sich gesellschaftlich engagiert. Einem, der sich um die Menschen kümmert. Einem, der auf Diskussionspodien gegen die Unbilden dieser Welt Zuversicht verbreitet. Viele nehmen dem 53-Jährigen ab, dass seine öffentliche Präsenz mehr ist als nur Marketing in eigener Sache. „Authentisch“ nennt man heute gerne solche Leute. Man könnte auch formulieren: ehrlich.

Und jetzt das. Vom Liebling zum Bösewicht. Mit einer Äußerung. Genauer eigentlich: mit keiner Äußerung.

dm ist nicht mehr Mitglied im Verband

Die „Süddeutsche Zeitung“ wollte von Werner wissen, wie er die Entscheidung des Verbandes der Familienunternehmer einordnet, Abgeordnete aller im Bundestag vertretenen Parteien zu einem Parlamentarischen Abend einzuladen, also auch die Abgeordneten der AfD. Das werden in diesen Tagen viele Manager und Unternehmer gefragt. Denn die Entscheidung des Verbandes hatte für erheblichen Aufruhr in Deutschland gesorgt – bis hin zu einer Aktion der Kampagnenorganisation Campact. Mittelständler wurden mit Mails ultimativ aufgefordert, ihre Mitgliedschaft offenzulegen. Nicht etwa eine in der AfD. Es ging lediglich um den inkriminierten Verband selbst.

dm ist nicht mehr Mitglied, sondern vor Monaten ausgetreten, lange vor dessen AfD-Kontakt-Entscheidung. In seiner ersten Stellungnahme thematisierte Werner diesen Fakt nicht. Man habe das nicht opportunistisch herausstellen wollen, ist in Karlsruhe zu hören. Stattdessen erwähnte er, er halte es grundsätzlich für „statthaft“, Parlamentarier aller Couleur zu solchen Veranstaltungen einzuladen – „andernfalls wäre es kein ‚Parlamentarischer Abend‘“. Darin biete sich die Möglichkeit zum inhaltlichen Austausch, der für eine sachorientierte Meinungsbildung und damit für eine funktionierende liberale Demokratie wichtig sei.

Ein wohlüberlegtes Statement, kein Schnellschuss

Ausführlich erläuterte der dm-Chef, ohne die AfD beim Namen zu nennen, seine „Perspektive auf die aktuelle Diskussion zum Umgang mit einzelnen Parteien“. In einer liberalen Demokratie seien die Bürger der Souverän im Staat, für den die Parteien programmatische Angebote machten. Statt permanent über andere Parteien zu sprechen, sollten sich die politischen Verantwortungsträger mit den Bürgeranliegen beschäftigen und Lösungen anbieten, die überzeugten und wirksam seien. In der Regierungsverantwortung bestehe dann die Chance, diese tatsächlich umzusetzen.  „Damit stärken oder schwächen die Parteien dann maßgeblich ihr Profil und gewinnen oder verlieren das Zutrauen der Bürgerinnen und Bürger.“

Werners Fazit: „Meine Erkenntnis als Teilnehmer eines intensiven Wettbewerbs in der Wirtschaft ist, dass permanent über Konkurrenten zu sprechen in der Regel nicht die eigene Attraktivität steigert.“

Dieses Statement war kein Schnellschuss. Es fiel Werner-typisch aus, alles andere als unüberlegt, vielmehr weit ausholend und reflektiert. Im Unternehmen hatte man sich vorher einige Gedanken gemacht. Sollte man sich tatsächlich zu dieser Thematik äußern? Man war Szenarien durchgegangen. Wie könnten die Reaktionen, auch negative, ausfallen?

Eine regelrechte „Diabolisierung“

Was dann folgte, übertraf dann aber alle Erwartungen. In einer Mail an die F.A.Z. kleidete der üblicherweise nüchterne Stratege Werner das Geschehen in heftige Worte. Es finde eine regelrechte „Diabolisierung“ statt – gemeint war: des Unternehmens und seiner Person.

Man werde aufgefordert, Statements abzugeben, aus bestimmten Organisationen auszutreten und die Vorgehensweise anderer Unternehmen zu übernehmen. Werner sprach von „teilweise sehr empörten Zuschriften, die uns unter Verdrehung der Tatsachen unterstellen, mit einer bestimmten Partei zu sympathisieren“. Und viele der Forderungen würden mit Boykottdrohungen gegen die dm-Drogeriemärkte unterlegt.

Ein Blick in soziale Medien genügt, um zu wissen, was gemeint ist. Auf Facebook ist zu lesen: „Das war’s dann wohl mit dm!“ – „Na dann auf zu Rossmann!“ – „Aus einem Kassenzettel wird schnell ein Wahlzettel“ – „Ihr spült das ‘nie wieder‘ ins Klo runter. Das werde ich nicht mit tragen! Ganz sicher nicht!“

Kritikwellen und Boykottaufrufe

Nun gehören Ankündigungen, man kaufe nicht mehr bei bestimmten Händlern, zum Geschäftsalltag des Handels. Bislang kamen sie allerdings eher aus der Richtung von AfD-Sympathisanten. Als der größte Lebensmittelhändler Deutschlands, Edeka, im vergangenen Jahr mit seiner Anti-Blau-Kampagne vor den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gegen die AfD schoss, hagelte es Kritik und Boykottaufrufe. Den dm-Konkurrenten Rossmann ereilte nach seiner Ankündigung, aus dem Familienunternehmerverband auszutreten, ebenfalls eine Kritikwelle.

Dass nun AfD-Gegner gegen einen mobil machen, der bislang über jeglichen Verdacht erhaben war, mit der Alternative für Deutschland zu sympathisieren, ist eine neue Dimension. Christoph Werner sagt, er halte „diese Diabolisierung für wenig hilfreich“. Sie banalisiere die Situation in Deutschland und polarisiere die Debatte zusätzlich. Die politische Auseinandersetzung müsse differenziert über Inhalte geführt werden, nicht über Ausgrenzung und Diffamierung. „Dafür setzen wir uns ein, auch wenn manche uns dafür kritisieren.“

Künftig noch äußern – oder lieber nicht?

Nach der ersten Aufregung schob der dm-Chef am Donnerstag noch ein weiteres Statement nach. Man sah sich offensichtlich genötigt, explizit die eigene Haltung zu konkretisieren. „dm lehnt eine polarisierende Brandmauer-Debatte ebenso entschieden ab wie Positionen der Partei AfD, welche die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage stellen“, heißt es darin.

Ob das die Wogen in der aufgeheizten Stimmung glättet, daran hat man freilich auch in Karlsruhe gewisse Zweifel. Dort laufen die Überlegungen, inwieweit man sich überhaupt noch politisch äußern will und kann. So gerne sich Christoph Werner mit gesellschaftlichen Fragen beschäftigt, so klar ist auch: Er führt ein Unternehmen mit mehr als 93.000 Mitarbeitern in ganz Europa und einem Umsatz von 19,2 Milliarden Euro. Ein Geschäft, das auf die Masse ausgelegt ist. Aussuchen kann er sich seine Kunden nicht. Sie aber ihn.

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