Auf einem Friedhof der Glockenbecherkultur südlich von Magdeburg haben Archäologen drei exponierte Gräber entdeckt. In ihnen waren Männer bestattet, denen man markante Beigaben ins Jenseits mitgegeben hatte. Sie dienten dem Kampf – und der Zecherei.
Vor etwa 5000 Jahren tauchte in Mittel- und Westeuropa ein Artefakt auf, das einer ganzen Kultur den Namen gegeben hat: Glockenbecher. Dabei handelte es sich um Keramikgefäße mit der Form einer auf den Kopf gestellten Glocke. Auf einem voluminösen Bauch ruht ein schmaler Hals, der in eine weite Öffnung mündet. Horizontale Muster dienen als Schmuck. Zahlreiche Glockenbecher wurden in weit auseinanderliegenden Gräbern entdeckt und dienten offenbar Kriegern als Beigabe ins Jenseits.
Ein solches Gefäß haben Archäologen jetzt aus einem Gräberfeld bei Förderstedt (Salzlandkreis) südlich von Magdeburg geborgen. In einem Grab der Glockenbecherkultur war vor etwa 4500 Jahren ein Mann bestattet worden, der mit zwei weiteren im Zentrum eines Friedhofs seine letzte Ruhe fand, auf dem bislang zehn Gräber identifiziert werden konnten. „Alle drei Toten waren von einem gemeinsamen Grabhügel überdeckt“, sagt Projektleiterin Susanne Friederich vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt.
Bei der zweiten Bestattung fand sich eine Armschutzplatte aus Stein. Das etwa acht mal vier Zentimeter große Artefakt pufferte die zurückschnellende Bogensehne ab und verhinderte damit Verletzungen. „Das deutet auf einen männlichen Jäger oder Krieger hin“, erklärt Friederich.
Auch der dritte Tote im Zentrum des Friedhofs, dessen Grab erstaunlich gut erhalten ist, dürfte ein Mann gewesen sein, der sich durch einen kriegerischen Lebensstil auszeichnete. „Im Rückenbereich eines Kriegers fanden sich zwei Pfeilspitzen. Sie lagen sehr eng beieinander“, sagt Friederich. „Im Sediment zeichnete sich zudem noch schwach ein Köcher ab. Dieses Behältnis für die Pfeile war aus organischem Material hergestellt und vergangen. Nur eine andere Färbung und Struktur im Sediment belegen, dass der Tote mit seiner Ausrüstung beigesetzt worden war.“
Der Becher und die Ausrüstung zweier Bogenschützen verweisen auf die soziale Gliederung der Glockenbecher-Leute. Sie bildeten am Übergang vom Endneolithikum zur Kupferzeit Gruppen, die sich überwiegend vom Ackerbau ernährten. Aus dem Umstand, dass in ergrabenen Siedlungen bislang wenig Wildknochen geborgen wurden, hat man geschlossen, dass die typische Bewaffnung mit Pfeil und Bogen dem Kampf diente. Denn Europa war inzwischen so dicht besiedelt, sodass es oft genug zu Konflikten gekommen sein dürfte.
Bei den markanten Bechern handelte es sich übrigens „nicht um alltägliche Gebrauchsgegenstände, sondern um individuelle Statusanzeiger“, schreibt der Althistoriker Armin Eich: „Sie wiesen ihre Besitzer als zugangsberechtigt zu den Kreisen der Zecher aus, die sich im rituellen Genuss alkoholischer Getränke wie Wein, Met oder Bier ihrer Zugehörigkeit zu einer herausgehobenen Kriegerkaste versicherten.“ Die drei Männer auf dem Friedhof von Förderstedt werden wohl diesem exklusiven Kreis angehört haben und wurden von ihrer Gruppe im Tod entsprechend herausgestellt.
Dafür spricht auch, dass man sich bei der Anlage ihrer Gräber besondere Mühe gegeben hat. Diese wurden in etwa zwei Metern Tiefe entdeckt. Damals lagen sie deutlich tiefer oder waren durch einen hohen Grabhügel gut geschützt. „Die Gräber wurden aber nicht, wie oftmals bei künstlich überhügelten Gräbern beobachtet, auf der Oberfläche angelegt. Vielmehr wurde die Grabgrube durch die oberen Bodenschichten und den Lösslehm hindurch bis in den Sand eingegraben und mit unvermischtem Lösslehm verfüllt“, sagt Grabungsleiter Christian Lau. „Dadurch haben sich die Knochen sehr gut erhalten. Direkt im Sand liegend, wäre der Erhaltungszustand deutlich schlechter.“ Die besonderen Gräber werden im Ganzen geborgen und unter Laborbedingungen näher untersucht.
Die Grabungen laufen im Vorfeld des Netzausbaus der Gleichstromtrasse „SuedOstLink“. Nach Angaben der Wissenschaftler gibt es keinen Zeitverzug durch die Grabungen. Die gesamte Strom-Trasse ist rund 540 Kilometer lang und reicht von Wolmirstedt bei Magdeburg bis zum Standort Isar bei Landshut in Bayern.
Schon in seiner Geschichts-Promotion beschäftigte sich Berthold Seewald mit Brückenschlägen zwischen antiker Welt und Neuzeit. Als WELT-Redakteur gehörte die Archäologie zu seinem Arbeitsgebiet.
mit dpa
Source: welt.de