Die neue Strategie dieser Haniel-Familie

Normalerweise treffen sich die Vorstandsvorsitzenden der zehn Unternehmen, an denen die Beteiligungsgesellschaft Haniel die Mehrheit hält, etwa einmal im Quartal, um über die Strategie und die Vorstellungen der Eigentümer zu sprechen. Am Dienstag aber haben der Aufsichtsratsvorsitzende Maximilian Schwaiger und der Finanzvorstand Henk Derksen zu einer außerordentlichen Sitzung per Videokonferenz geladen. Dabei ging es nach Informationen der F.A.Z. um nichts weniger als einen Strategieschwenk in der Beteiligungsstruktur des Ruhrkonzerns aus Duisburg, den es seit mehr als zweieinhalb Jahrhunderten gibt.

Bislang hat Haniel Unternehmen meist ganz übernommen, oder zumindest die Mehrheit. Zu den Beteiligungen gehört etwa der Büroaustatter Takkt, der Online-Matratzenhändler Emma oder der Hygienespezialist CWS. Jetzt haben sich die mehr als 750 Gesellschafter aus der Familie aber überlegt, dass sie ihre Investitionen breiter fassen wollen, in einer zweiten Säule sollen weitere Anlageklassen ins Auge gefasst werden. Dabei geht es vor allem darum, sich global breiter aufzustellen, ohne den Tochtergesellschaften große Expansionen in neue Regionen zu verordnen. Bis 2030, so die Maßgabe des Aufsichtsratsvorsitzenden Schwaiger, soll das Portfolio viel stärker diversifiziert werden, weg vom bisherigen Fokus, der auf Nordwest-Europa und dort vor allem auf Deutschland liegt. Dabei sind die Anlageklassen noch nicht genau definiert, also ob es dort um Immobilien, Anleihen oder Aktien gehen soll oder um kleinere Finanzbeteiligungen. Diese Strategie, so die Botschaft der Familie, soll dann auch ein neuer Vorstandsvorsitzender von Haniel steuern und entwickeln.

Monatelang ohne Vorstandschef

Seitdem sich die Beteiligungsgesellschaft im vergangenen Herbst von dem Vorstandschef Thomas Schmidt getrennt hat, ist die Position bei Haniel nämlich unbesetzt. Der Niederländer Henk Derksen kam im Oktober als Finanzchef neu ins Unternehmen und löste den langjährigen Manager Florian Funck ab, der inzwischen für Sartorius arbeitet. Derksen ist derzeit auch Interims-CEO, bis die Position neu besetzt ist, gibt es mit der Juristin Alexandra Albrecht-Baba eine weitere Haniel-Geschäftsführerin, weil es die Satzung so verlangt. Im Sommer will Schwaiger einen neuen Vorstandsvorsitzenden präsentieren. Dass die Suche so lange dauert, will aus den Aufsichtsgremien nicht als Image-Problem gesehen werden: „Wenn wir unbedingt einen CEO brauchen würden, hätten wir schon einen“, heißt es aus dem Umfeld der Familie gegenüber der F.A.Z.

Vielmehr gebe es in den Beteiligungen nämlich ausreichend operative Hausaufgaben, um die sich die Unternehmen kümmern müssten. Die zu sortieren gelänge dem erfahrenen Finanzler Derksen auch ganz gut, heißt es aus dem Unternehmensumfeld. Besonders in Auge stechen da Emma und Takkt. Der Matratzenhändler ist in den vergangenen Jahren zwar rasant gewachsen, hat aber mit Abklingen der Corona-Pandemie mit schwächeren Ergebnissen zu kämpfen – wie andere Online-Händler auch. Hinzu kamen hausgemachte Schwierigkeiten wie lange Lieferzeiten, über die sich Kunden beschwerten. Nach Informationen der F.A.Z. steht gar ein Stellenabbau an, um die Geschäfte zu restrukturieren. Auch der Bürobedarfs-Anbieter Takkt hatte zuletzt mit schwächerer Nachfrage zu kämpfen. Auch dadurch lag das operative Ergebnis von Haniel im vergangenen Geschäftsjahr mit 270 Millionen Euro rund 13 Prozent unter Vorjahresniveau. Die Marschrichtung für die zehn Beteiligungsunternehmen ist klar: Das operative Ergebnis soll um 10 bis 20 Prozent zulegen und noch stärker der freie Mittelzufluss – um 50 bis 70 Prozent soll der Cashflow laut Zielvorgabe aus dem Geschäftsbericht zulegen. Damit reagiert der Aufsichtsrat vor allem auf das ungewisse und in manchen Ländern gar rezessive Marktumfeld. Der Umsatz, der zuletzt um 5 Prozent auf 4,4 Milliarden Euro stieg, soll aus eigener Kraft zwischen 4 und 8 Prozent wachsen.

Haniel hält an der unternehmerischen Struktur fest

Der Termin am Dienstag galt daher wohl auch ein wenig zur Beruhigung in Richtung der Unternehmen und auch dem Haniel-Konzern selbst. Auf den Fluren des Traditionskonzerns wurde in den vergangenen Jahren immer wieder gemunkelt, ob die Familie angesichts mauer Dividenden nicht viel besser dran gewesen wäre, wenn sie ihr Geld einfach in ETFs gesteckt hätte. Da liegt die Furcht nahe, dass sich die Beteiligungsgesellschaft gänzlich von der Strategie verabschiedet, Mehrheitsgesellschafter zu sein. Den unternehmerischen Kern hat der Haniel-Aufsichtsratsvorsitzende Schwaiger nach Information der F.A.Z. in der Runde allerdings besonders hervorgehoben. Es geht auch nicht darum, den bestehenden Beteiligungen Kapital zu entziehen und das woanders zu investieren. Vielmehr könnten Erträge aus der zweiten Säule perspektivisch auch wiederum in die Unternehmen fließen.

Auch wenn die Geschäftsführung seit Jahrzehnten qua Satzung immer familienfremd ist, nimmt die Familie bei Haniel über mehrere Gremien Einfluss: Einmal gibt es im Aufsichtsrat die Arbeitgeberseite mit sechs Mitgliedern, von denen vier aus der Familie kommen. Mit weiteren drei Familienmitglieder bilden sie den sogenannten Kleinen Kreis, der aus Familiensicht die Geschäfte beaufsichtigt. Um die internen Familienbelange kümmert sich der Beirat, in dem neben den Mitgliedern des Kleinen Kreises noch 23 weitere Familienvertreter sitzen. Dort hat es zuletzt ein gehöriges Stühlerücken gegeben, wodurch der Altersschnitt von 60 auf 47 Jahre reduziert wurde.

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