Die Mieten insbesondere in Großstädten steigen schneller, gleichzeitig wächst die Zahl der Mieterhaushalte. Beides zusammen führt zu beengten Verhältnissen. Fast jeder fünfte Haushalt hat zu wenig Platz. Familien sind besonders betroffen.
Die Zahl der Mieterhaushalte in Deutschland wächst, und für viele von ihnen werden die Wohnkosten zunehmend zur finanziellen Last. Auch leben immer mehr Mieter in übermäßig beengten Verhältnissen. Das meldet der Deutsche Mieterbund (DMB), der am Donnerstag einen neuen „Mietenreport“ vorgestellt hat. „Inzwischen gerät auch die Mittelschicht unter Druck“, sagte DMB-Präsidentin Melanie Weber-Moritz.
Einer Umfrage des Verbands zufolge fühlen sich rund sechs Millionen Mieter durch hohe Wohnkosten „extrem belastet“. Mehr als 12,8 Millionen Mieter, rund ein Drittel der Befragten, hätten zudem Angst, sich ihre Wohnung in Zukunft nicht mehr leisten zu können. Jüngste Marktuntersuchungen zeigen, dass die Mietpreise im dritten Quartal dieses Jahres erneut gestiegen sind.
Der Mieterbund fasste erstmals in dieser Form aktuelle deutsche sowie EU-Statistiken und Umfragewerte zum Mietwohnungsmarkt zusammen. Dabei stellte sich heraus: Die Anzahl der Mieterhaushalte in Deutschland steigt schnell. Demnach wuchs die Zahl der Mieter insgesamt um fast drei Millionen auf über 44 Millionen in mehr als 20 Millionen Haushalten.
„Deutschland ist in Europa das Mieterland Nummer 1“, sagte Weber-Moritz, „und das bleibt es auch“. Fast 53 Prozent der Menschen würden zur Miete wohnen. Innerhalb der EU folgt auf Platz zwei Österreich mit einer Quote von 45,5 Prozent, der EU-Schnitt liegt bei 31,6 Prozent. Das geht aus Daten der Europäischen Statistikbehörde Eurostat hervor. Auf der anderen Seite gehe die Wohneigentumsquote weiter zurück.
Insbesondere in den größeren Städten sind die Mietpreise in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Immer mehr Mieter haben deshalb keinen Zugang mehr zu Wohnungen in passender Größe und leben in beengten Verhältnissen. Inzwischen leben demzufolge rund 19 Prozent der Mieter in zu kleinen Wohnungen – ein Prozentpunkt mehr als noch 2020.
Die EU-Statistik definiert eine Wohnung als angemessen groß, wenn es pro Haushalt einen Aufenthaltsraum gibt, ein Schlafzimmer für ein Elternpaar und je ein Schlafzimmer für volljährige Kinder. Minderjährige Kinder müssen sich gegebenenfalls ein Zimmer teilen. Das bedeutet: Lebt ein Elternpaar mit einem Kind in einer Zweizimmer-Wohnung, gilt diese als überbelegt.
Sogenannte einkommensarme Haushalte leben dabei besonders häufig auf kleiner Fläche. Der Anteil mit überbelegten Wohnungen in dieser Gruppe stieg seit 2020 von 22,4 auf 26,4 Prozent. Auch Alleinerziehende leben relativ oft zusammen mit einem Kind in nur einem Zimmer.
Das auch als Lock-in-Effekt bekannte Phänomen dürfte dabei eine Rolle spielen: Mieter bleiben länger in ihrer aktuellen Wohnung wohnen, auch wenn sie eigentlich zu klein geworden ist, weil der Umzug in eine größere Wohnung etwa mit einem Kinderzimmer unverhältnismäßig teurer wäre.
Dass hohe Wohnkosten und Überbelegung mit einem zu knappen Angebot zusammenhängen, ist auch dem Mieterbund bewusst. „Wir brauchen eine echte Wohnungsbauoffensive, der Bestand an Sozialwohnungen muss bis 2030 verdoppelt werden“, fordert Weber-Moritz. Zusätzlich müssten jährlich 60.000 neue reguläre Wohnungen auch für Normalverdiener entstehen.
„Es fehlt nicht grundsätzlich an großen Wohnungen, aber es fehlt an bezahlbaren ausreichend großen Wohnungen“, stellte Gwendolyn Stilling von der GKS Consult fest, die den Mietenreport für den DMB erstellt hat.
Allerdings begnügt sich der Verein mit rund drei Millionen Mitgliedern nicht mit der Forderung nach mehr Neubau und Angebotsausweitung, sondern fordert zusätzlich eine deutlich strengere Preisregulierung: „Eine scharfe Mietpreisbremse und die Ahndung von Mietwucher, eine Begrenzung von Mieterhöhungsmöglichkeiten im Bestand und einen befristeten Mietenstopp, die Abschaffung von Indexmieten, das Verbot missbräuchlicher Möblierungszuschläge und die strengere Regulierung von Kurzzeitvermietungen“, zählt die DMB-Präsidentin auf.
Die Bundesregierung hatte nach der Sommerpause eine Verlängerung der Mietpreisbremse bis Ende 2029 beschlossen. Eine Mietrechtskommission arbeitet außerdem an einer Klarstellung des sogenannten Wucherparagrafen im Wirtschaftsstrafgesetz. Bisher müssen Mieter laut Rechtsprechung häufig nachweisen, dass ihr Vermieter sich die Marktlage im speziellen Fall zunutze gemacht hat und deshalb eine um 20 Prozent überhöhte Miete fordert. Diese Beweislast will man möglicherweise umkehren.
Das reicht dem Mieterbund jedoch nicht: Es müssten höhere Bußgelder her, auch für Verstöße gegen die Mietpreisbremse. Indexmieten und möblierte Wohnungen müssten stärker reguliert werden. Bei Eigenbedarf brauche es einen stärkeren Kündigungsschutz.
Aus Sicht der Immobilienbranche besonders heikel ist die Forderung des Mieterbundes nach einer Verlängerung der Geltungsdauer der Mietpreisbremse. Bisher sind Neubauten ab Fertigstellung im Oktober 2014 ausgenommen. Der DMB fordert eine Ausweitung bis 2019. Wer neu baut und mit einer bestimmten Miethöhe auf marktgängigem Preisniveau kalkuliert hat, wird bei einer solchen Maßnahme das Vertrauen verlieren, lautet die Kritik.
Das IW Köln hatte vergangene Woche dem deutschen Markt einen weiterhin beschleunigten Mietpreisanstieg bescheinigt. „Im dritten Quartal lagen die Neuvertragsmieten ein Prozent über dem Niveau des Vorquartals und 3,8 Prozent über dem Vorjahreswert“, hatten die Ökonomen berechnet. Auch weiterhin steigen die Mieten vielerorts somit schneller als die Inflation.
In Düsseldorf habe es einen Anstieg der Angebotsmieten um 5,6 Prozent binnen zwölf Monaten gegeben, in Hamburg um 4,4 Prozent. Lediglich in Berlin gingen die in den Portalen beobachteten Angebotsmieten ausnahmsweise zurück. Die Ökonomen begründen das mit anhaltenden Ausgleichsbewegungen am Markt nach dem massiven Eingriff durch einen Mietendeckel vor wenigen Jahren. „Nach dem Scheitern des dortigen Mietendeckels waren die Mieten überdurchschnittlich stark angestiegen“, heißt es.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Michael Fabricius beschäftigt sich mit Immobilienthemen und schreibt für WELT über alles, was Eigentümer, Mieter und Investoren betrifft. Gemeinsam mit Michael Höfling ist er für den Immobilien-Newsletter „Frage der Lage“ verantwortlich. Sie können ihn hier abonnieren.
Source: welt.de