„‚Die Julia muss weg‘, hörte man auf den Fluren“, berichtet Ruhs

Der Fall Julia Ruhs erhitzt die öffentliche Debatte. In einer Kolumne schildert die Moderatorin ihre Sicht auf den Eklat beim NDR. Mehrere Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kritisieren Ruhs – und den CDU-Generalsekretär.

Julia Ruhs legt nach. Nachdem sich die Journalistin vergangene Woche bereits bei „Table Today“ zu ihrer Absetzung als Moderatorin der vom NDR verantworteten Folgen des Formats „Klar“ geäußert hatte, widmete sie sich in ihrer „Focus Online“-Kolumne am Wochenende erneut dem Fall. Es sei „bitter“, abserviert worden zu sein, obwohl sie es als ihren Verdienst betrachte, dass das Format ein „Hoffnungsträger in Sachen Pluralität“ geworden sei. Der NDR sabotiere die Marke und habe den Ruf der Öffentlich-Rechtlichen „insgesamt gefährdet“, urteilt sie.

Repräsentative Zuschauerbefragungen hätten ergeben, dass 65 Prozent des Publikums sie als Moderatorin für ‚gut‘ oder ‚sehr gut‘ befunden hätten. Vor allem unter SPD-, AfD- und Unionsanhängern soll das Format Anklang gefunden haben. Doch selbst 46 Prozent der Linken- und 49 Prozent der Grünen-Sympathisanten sollen ein positives Fazit gezogen haben. „Sie wird als stimmiger Kopf für das Format erlebt“, sei das Ergebnis der Auswertung gewesen.

„Aber offenbar spielte das für den NDR keine Rolle. Denn dort hatte man intern viele Kritiker“, erklärt sie weiter. „Die Unterschriften gegen unser Format sammelten, geheime Chatgruppen gründeten, die sich vor allem auf mich eingeschossen hatten. ‚Die Julia muss weg‘, hörte man auf den Fluren.“

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Ab 2026 sollen die Folgen von „Klar“ abwechselnd vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) und Bayerischen Rundfunk (BR) produziert werden. Ruhs wird weiter in den BR-Folgen zu sehen sein. Die NDR-Folgen übernimmt die frühere Chefredakteurin von „Bild“ und der RTL-Zentralredaktion, Tanit Koch.

Das Echo auf die Ruhs‘ Ablösung reichte bis in die Spitzenpolitik. Mit dem Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins, Daniel Günther, sowie dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder übten zwei sonst eher antagonistisch auftretende Unionspolitiker gleichermaßen Kritik. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sah in dem Vorgang einen „Tiefpunkt in Sachen Debattenkultur in Deutschland“. Er forderte bei WELT, den Rundfunkbeitrag vorerst auf dem jetzigen Niveau einzufrieren.

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Am Wochenende schloss sich der FDP-Vorsitzende Christian Dürr dem Kritiker-Reigen an. „Ich halte diese Entscheidung für grundfalsch“, urteilte er auf Instagram. „Wenn vermeintlich unbequeme Meinungen nicht mehr zu Wort kommen, dann verliert die Mitte der Gesellschaft den Glauben an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.“ Die Ministerpräsidenten Norddeutschlands forderte er dazu auf, den Rundfunkstaatsvertrag neu zu verhandeln.

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Auch die Linken-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Heidi Reichinnek, rügte die NDR-Entscheidung. „Es ist halt wirklich hochproblematisch, wenn auf Druck von irgendeiner Seite etwas abgesetzt wird“, erklärte sie im Spiegel-„Spitzengespräch“ von Markus Feldenkirchen. Wichtig sei aber auch, dass Medien „faktenbasiert argumentieren, dass sie ihre Quellen nennen können und dass sie versuchen, möglichst neutral mit den Gesprächspartnern umzugehen“.

Den von Reichinnek nur implizit geäußerten Vorwurf mangelnder Qualität der Ruhs’schen Sendungen griffen inzwischen auch namhafte Journalisten der Öffentlich-Rechtlichen auf. ZDF-Moderator Jo Schück erklärte, dass der NDR mit „Klar“ ein Pilotprojekt gestartet und sich anschließend gegen Ruhs entschieden habe, „was unter anderem daran liegen könnte, dass die Folgen mindestens teilweise unausgewogen, tendenziös und somit also schlechter Journalismus“ gewesen seien. „Ein ganz normaler und legitimer Vorgang.“

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Deutliche Kritik äußerte Schück zudem am CDU-Generalsekretär. Carsten Linnemann sei „sich nicht zu schade“, zu fordern, die Gebühren einzufrieren. „Natürlich“ dürfe er sein Bedauern über Ruhs‘ Absetzung äußern, aber er solle dabei immer betonen, dass die Verteidigung der Rundfunkfreiheit viel wichtiger sei als ein persönliches Fernsehempfinden oder die Causa Ruhs. Es dürfe nicht einmal der Verdacht aufkommen, dass sich prominente Politiker in unabhängige Medien einmischten.

Die unter anderem für den Westdeutschen Rundfunk tätige Gilda Sahebi schloss sich der Kritik an Linnemann an. „Darf er eigentlich nicht offen sagen“, fand sie, da Medien unabhängig sein sollten. Hart ging sie mit „Klar“ ins Gericht. Sie verstehe „mit jeder Faser“ ihres Körpers, weshalb der NDR „diese Person“ nicht mehr als Moderatorin haben wollten. „Das war unfassbar schlechter Journalismus“, beanstandete sie. „Das hatte mit Qualität nichts zu tun, das hatte mit journalistischen Standards nichts zu tun.“ Ruhs‘ Erfolgsrezept bestehe einzig in der Polarisierung.

Gegen den Vorwurf, unsauber zu arbeiten, wehrte sich Julia Ruhs in ihrer „Focus“-Kolumne. „Mir wurden ‚handwerkliche Fehler‘ vorgeworfen, lese ich jetzt in Artikeln“, schreibt sie. „Das ist lustig, denn natürlich wurde jede einzelne Zeile in den Sendungen abgenommen. Und das von einer Reihe wichtiger Leute.“

Trotz anderslautender Behauptungen habe die redaktionelle Verantwortung nie in ihren Händen gelegen. „Ich hatte nie das letzte Wort. Mein Rauswurf war vor allem eines: politisch.“

Source: welt.de

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