Die Allianz welcher Neuen Rechten: „Keine Kinder kriegen ist keine Option“

„Make Europe Great Again“? Die vergangenen Monate haben mehr als deutlich gemacht, dass Donald Trumps Präsidentschaft nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt Folgen hat. In Europa setzt sie Kräfte der internationalen Rechtsaußenbewegung frei, die sich nun verbinden und voneinander lernen können. In ihrem eben erschienenen Buch Die Allianz der
Neuen Rechten
“ (
Heyne Verlag) untersuchen ZEIT-Korrespondentin Juliane Schäuble und ihre „Handelsblatt“-Kollegin Annett Meiritz das rechte Beziehungsgeflecht. Dieser
Text über den Geburtenkult ist ein Auszug daraus.

New
York im Frühjahr 2025. Balázs Hankó, Ungarns Minister für Innovation und Kultur,
steht vor einem Flachbildschirm, auf dem die Bausteine einer aus seiner Sicht
idealen Gesellschaft zu sehen sind: Jugend, Familie, Arbeit, Innovation,
Kultur. Ohne Kinder, macht er eindringlich klar, bricht das Gefüge einer Nation
auseinander. „Europa hat seine Fähigkeit zur Fortpflanzung verloren“, warnt
Hankó. „Schauen Sie, was passiert. Europa ist ein Chaos. Wir verlieren unsere
Identität.“ Der Westen sei auf dem Weg in den Ruin, und „die Bürokraten in
Brüssel“, die Flüchtlinge unreguliert in die EU lassen, hätten das immer noch
nicht kapiert. „Kultur und Ethnie sind Identität, das macht uns aus. Nicht
Asylbewerber.“

Viktor
Orbáns Minister verbreitet bei Auslandsreisen wie diesen die wichtigste
Botschaft seiner Regierung: Der Uterus der modernen westlichen Frau muss mehr
leisten. Hankó lobt, dass Familien mit Kindern nun großzügige Subventionen und
Steuererleichterungen gewährt werden. Zwei Kinder, betont er, sollten die Norm
sein. Wer drei hat, bekommt 30.000 Euro Zuschuss für ein Eigenheim. Frauen mit
vier und mehr Kindern sind lebenslang von der Einkommensteuer befreit.

Apokalyptische Szenarien eines „Bevölkerungsaustauschs“

Der
Minister ist zu Gast beim New York Young Republican Club in Manhattan. Zusammen
mit dem ungarischen Liszt-Zentrum hat die ultrakonservative Gruppierung für ihr
Event einen Konferenzraum unweit des Rockefeller Center gemietet. Die
Netzwerkveranstaltung symbolisiert eine der wichtigsten ideologischen Brücken
zwischen Amerikas und Europas Rechtskonservativen: Gemeinsam entwerfen sie
angesichts sinkender Geburtenraten in allen westlichen Industriestaaten
apokalyptische Szenarien eines „Bevölkerungsaustauschs“ durch Massenmigration,
der Erosion der Ehe zwischen Mann und Frau, des Verfalls der traditionellen
Familie und dem Kollaps der Fruchtbarkeit.

Ungarn
plant, bis 2035 eine „sich selbst erhaltende Bevölkerung“ zu haben, das heißt,
eine Geburtenrate von mindestens 2,1 Kindern pro Frau zu erreichen, die
Sterbefälle ohne Zuwanderung ausgleicht. Derzeit liegt sie bei rund
1,38
. In den USA liegt die Geburtenrate etwas höher, bei knapp 1,62 Prozent. Doch der demografische Wandel ist ein flächendeckendes Problem. Bleibt es beim
jetzigen Stand, wird etwa die Bevölkerung in Deutschland (Geburtenrate 1,38)
bis zum Jahr 2100 von rund 80 auf 50 Millionen Menschen sinken. Rein
statistisch braucht man sich über das Aussterben der Menschheit keine
Sorgen zu machen: Die Weltbevölkerung liegt derzeit bei über acht Milliarden,
Tendenz steigend. Doch das Wachstum findet sich ausschließlich in afrikanischen
Schwellen- und Entwicklungsländern südlich der Sahara, wo die Raten zwischen
fünf und sieben Kindern pro Frau liegen.

Das Dilemma des Westens

Reich,
aber kinderarm – vor diesem Dilemma steht der Westen. Für die Anhänger des sogenannten Pronatalismus (wörtlich aus dem Lateinischen: „Für das
Gebären“) ist das Schrumpfen „ihrer“ Bevölkerung eine Attacke auf den Wohlstand
ihrer Nation – und an einem Teil dieser Argumentation ist etwas dran. Wenn sich
eine relativ kleine Zahl junger Menschen um die Alten kümmern muss, die Kosten
für Gesundheit und Renten klettern, während immer weniger Leistungsträger ins
System einzahlen, dann ist das eine beunruhigende Aussicht, unabhängig von der
politischen Haltung. Doch die Rechtskonservativen haben etwas geschafft, was den Linken und Moderaten bisher nicht
gelungen ist: Sie haben das Thema Geburten für ihre Klientel zum Kampfthema gemacht und in den Mainstream
geholt.

Als
Angela Merkel im Jahr 2012 Deutschlands ersten Demografiegipfel abhielt,
forderte sie „Strategien“ und „intensive Dialogprozesse“. Passiert ist wenig.
Stattdessen ist die AfD derzeit die einzige Partei, die die Förderung
von Familien explizit mit dem Ziel der Geburtensteigerung verknüpft und unter
anderem den Begriff „Gender-Gaga“ geprägt hat. Das hat sie mit den
US-Republikanern gemeinsam, die noch effektiver mobilisieren. So echauffierte sich J.D. Vance im Wahlkampf über „kinderlose
Katzenhalterinnen“ und suchte für seinen ersten Auftritt im Amt den „March for
Life“ aus, die weltweit größte Veranstaltung der Pro-Life-Bewegung in
Washington, die bis nach Berlin, München und Köln exportiert wurde. „Amerika
braucht mehr Babys“, rief Trumps Vize da unter dem Jubel Zehntausender
Abtreibungsgegner. Elon Musk hat 14 öffentlich bekannte Kinder mit mindestens
vier verschiedenen Frauen gezeugt. Der Multimilliardär hat zudem sein Sperma
für eine potenzielle Marskolonie zur Verfügung gestellt. „Um vor der Apokalypse
die Größe einer Legion zu erreichen, müssen wir Leihmütter einsetzen“, schrieb
er der Influencerin Ashley St. Clair, die eines seiner Kinder austrug. Ähnlich
wie Orbán in Ungarn, der einen „demografischen Winter“ prophezeit, warnt Musk
vor einem „Zivilisationskollaps“.

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