DGB-Chefin Yasmin Fahimi sieht die Gefahr, dass die Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität die Bevölkerung überfordert. „Viele Beschäftigte erleben jeden Tag, was im Betrieb passiert und dass sie entweder höhere private Kosten haben oder dass die Investitionskosten an ihrem Standort durch die Unternehmen nicht gestemmt werden können“, sagte Fahimi der „Welt am Sonntag“.
Es sei ein „offenes Geheimnis“, dass dies Arbeitsplätze gefährde. „Deshalb müssen wir in der Tat darüber sprechen, ob das Transformationstempo in jedem Fall realistisch und durchzuhalten ist. Oder ob manche Zielsetzungen nicht besser über einen etwas längeren Zeitraum gestreckt werden könnten“, betonte die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Am Ziel der Klimaneutralität des Landes bis 2045 will Fahimi festhalten. Es gehe ihr um die konkreten Ausbauziele, Übergangsphasen und Prioritäten. Schon jetzt sei nahezu ausgeschlossen, dass ab 2030 oder auch 2035 Gaskraftwerke zu 100 Prozent mit Wasserstoff betrieben werden können.
Fahimi sprach sich für zusätzliche Entlastungen bei den Energiepreisen aus. „Wir brauchen gegenüber dem privaten Endverbraucher klare Signale, dass ökologische Transformation nicht permanent heißt, es verteuert sich alles, ohne dass irgendetwas für mich besser wird“, sagte sie. „In der Politik, über alle Parteien hinweg, hat man lange Zeit unterschätzt, dass die soziale Akzeptanz der Transformation nicht nur ein nettes Beiwerk ist, sondern die Voraussetzung dafür, dass die Transformation gelingt.“
Der DGB fordere, „dass die Netzentgelte aus Steuermitteln finanziert werden und dass die Stromsteuern auf das europäische Minimum sinken“. Auch auf europäischer Ebene müsse der Green Deal angepasst werden. „Man kann nicht nur grüne Endprodukte fördern“, sagte Fahimi. „Wir müssen wesentliche Produktionskapazitäten wenigstens in einem Mindestumfang in Europa aufrechterhalten – sei es bei Stahl, Glas, Keramik, Zement oder Chemie.“