DFL-Chef Merkel: Wie die Bundesliga im Ausland weiter wachsen soll

Die nächste Großbaustelle tat sich schneller auf, als es den Verantwortlichen der DFL lieb sein konnte. Und der Streit mit dem Streamingdienst DAZN über die Vergabe des größten Rechtepakets der nationalen Medienrechteauktion ließ den zweifach gescheiterten Investoreneinstieg erstaunlich schnell in den Hintergrund rücken. Wie die Dachorganisation der ersten und zweiten Bundesliga die anvisierten 700 Millionen Euro eigentlich einsetzen wollte erst recht.

Eine eigene Streamingplattform sollte es sein (und ist perspektivisch immer noch denkbar), aber auch neue Auslandsbüros waren zum Beispiel geplant, um die internationale Vermarktung der Liga anzukurbeln. Ein Gebiet, auf dem die DFL alles andere als untätig war in den vergangenen Jahren – aber eben auch noch viel Wachstumspotential sieht.

„Es geht hierzulande manchmal etwas unter, aber wir werden in dieser Saison erstmals seit fünf Jahren wieder mehr als 300 Millionen Euro aus der internationalen Vermarktung der Medienrechte und mit globalen Sponsoring-Verträgen einnehmen“, sagt DFL-Ko-Geschäftsführer Steffen Merkel im Gespräch mit der F.A.Z. kurz vor dem Start der neuen Saison an diesem Freitag mit der Partie Mönchengladbach gegen Leverkusen.

„Unser Anspruch ist es, den Abstand zur La Liga mittelfristig deutlich zu verkürzen“

Die Liga hat mit Amazons Cloudsparte AWS oder dem Handelsriesen Mondelez einige namhafte Sponsoren, aber der Bereich ist ein größeres Thema auf Vereinsebene und macht den deutlich kleineren Anteil der 300 Millionen aus. Für rund zwei Drittel stehen die Medienrechte, das Kerngeschäft der DFL. Das Gros der DFL-Einnahmen insgesamt – rund 80 Prozent – macht mit derzeit im Durchschnitt 1,1 Milliarden Euro je Saison die Vermarktung der nationalen Medienrechte aus. Auch ein Grund dafür, warum das internationale Geschäft oft ein wenig im Schatten steht. Der beliebte Vergleich mit der weit enteilten Premier League macht es nicht unbedingt besser.

Steffen Merkel mit Florian Wirtz bei der Supercup-Siegerehrung MWitters

Merkel hält von diesem Maßstab wenig: „Die Premier League ist für uns bei den internationalen Medienerlösen aktuell nicht die Orientierung“, sagt er. „Es ist einfach kein sinnvolles Ziel, zu sagen, wir greifen morgen jemanden an, der heute um den Faktor 10 weg ist. Wir müssen uns auf unsere eigenen Stärken konzentrieren, dann werden die Ergebnisse auch stimmen.“ Mit Blick auf die Tabelle in dieser Kategorie ergeben sich daraus zwei Kernziele: „Unser Anspruch ist es, den Abstand zur La Liga mittelfristig deutlich zu verkürzen und die Nummer drei vor der Serie A zu bleiben“.

Der stattliche Vorsprung der spanischen Liga kommt nicht von ungefähr: „Die Spanier hatten lange Zeit Ronaldo und Messi, sie sind oft dominant in der Champions League und der Europa League, und für weit mehr als 400 Millionen Menschen auf der Welt ist Spanisch die Muttersprache.“ Diese Aspekte spielten „eine erhebliche Rolle“, betont Merkel. Auch deshalb weist der DFL-Geschäftsführer auf die am Ende begrenzten Möglichkeiten der Liga-Organisation hin.

Was die DFL beeinflussen kann – und was nicht

Der wohl größte Aspekt ist der sportliche Erfolg der deutschen Vereine. Saisons wie die abgelaufene bringen breite Aufmerksamkeit und erleichtern die Vermarktung. Auch Transfers von internationalen Stars tun ihr übriges. Nur verpflichten Vereine eher selten Spieler vorrangig aus Marketinggründen und müssen im Transferringen mit finanzkräftigeren Konkurrenten das eigene Budget im Blick behalten. Im europäischen Vergleich zahlen allen voran die britischen Klubs mit Investoren im Hintergrund oft ein Vielfaches dessen, was die meisten Bundesliga-Vereine ausgeben. Allerlei externe Faktoren also, entsprechend formuliert Merkel die Aufgabe der DFL: Es müsse darum gehen, „die Bedeutung der Faktoren, die wir nicht oder nur bedingt beeinflussen können, so klein wie möglich zu machen“.

Die Richtung stimme, aber es soll schließlich weiter vorangehen – und ohne das Kapital aus dem Investorendeal muss die DFL neue Wege einschlagen. Einer davon: Statt der eigenen Streamingplattform will man mit einem Distributionspartner über dessen Plattform Spiele streamen. Geplant ist im Gegenzug eine Umsatzbeteiligung. Wie hoch diese ausfallen soll, und in welchen Märkten das Angebot starten soll, will Merkel nicht verraten. Noch sei der Deal nicht endverhandelt, aber es gehe um einen ersten Anlauf in einer überschaubaren Zahl von Märkten, in denen es die Verträge mit den aktuellen Medienrechteinhabern zuließen.

Zu den Auslandsbüros in New York, Peking und Singapur wird fürs Erste wohl kein weiterer großer Standort hinzukommen. Den eigenen Fußbabdruck in großen Märkten und den Draht zu lokalen Partnern, Sponsoren und Fans will die DFL folglich auf anderen Wegen stärken.

Einzelne Vermarktungsfachleute gezielt für einzelne Märkte anzuwerben ist eine Variante, eine andere verhandeln Merkel und Co gerade für Nord- und Südamerika. Hier können man sich „zum Beispiel eine langfristige Partnerschaft vorstellen, bei der wir mit einem Partner ein gemeinsames Team aufstellen, das auf die Märkte zugeschnittene Inhalte produziert und in den jeweiligen Ländern deutlich präsenter ist, um beim Rechtevertrieb zu unterstützen“. Dazu sei man in guten Gesprächen.

Neue Wege für die USA – nächster Rechtedeal steht an

Generell soll der Marktangang weniger zentral aus dem DFL-Hauptsitz in Frankfurt gestaltet werden. Manche Türen öffneten sich eben erst mit den entsprechenden Kontakten vor Ort, sagt Merkel. Die Herangehensweise bedeute „ein bisschen mehr Aufwand, als die Investitionen über eigenes Kapital komplett selbst zu stemmen, aber der neue Weg hat auch den Vorteil, dass wir flexibler bleiben und uns Fachleute für die Segmente als Partner an Bord holen“.

Mit Blick auf die USA, international der wichtigste Markt, drängt es ein wenig: In den kommenden zwölf bis 18 Monaten will die DFL turnusmäßig die Medienrechte vergeben. Das Timing sei besser als jenes der Serie A, sagt Merkel. Bei den Rechtezyklen gehört immer auch ein bisschen Glück dazu: „Die Italiener haben im Sommer eine schwierige Marktphase erwischt, da alle darauf gewartet haben, dass die NBA ihren großen nationalen Deal abschließt.“ Mit dem Mehrwert durch die geplante Partnerschaft wolle man sich nun in den USA deutlich stärker aufstellen – „auch wenn die Früchte sicher nicht ab Tag eins geerntet werden.“

Die Bayern in Südkorea – natürlich mit SondertrikotsImago

Jedes Jahr laufen andere Verträge aus, was Vergleiche erschwert. Oft sind sie auf vier oder mehr Saisons angelegt. Auch der Zeitpunkt der Vergabe und die allgemeine Marktlage machen eine Menge aus. Kommt die DFL derzeit nach Informationen der F.A.Z. in den USA auf im Durchschnitt 35 Millionen Euro je Saison, ist die Serie A, wie es in der Branche heißt, von mehr als 70 Millionen Euro auf unter zehn Millionen abgestürzt.

Der neue Deal soll zwar nur auf zwei Jahre angelegt sein, was einen Teil des Minus erklärt, auch hatten die Italiener keinen Vermarktungspartner. Bescheiden ist die Entwicklung trotzdem. Die DFL strebt einen langfristigeren Deal an und dürfte auf den Effekt der Klub-Weltmeisterschaft 2025 in den USA und der „echten“ WM im Jahr darauf setzen.

„Wir sind mittlerweile eine Art TV-Sender für unsere internationalen Medienpartner“

Die Basis in den USA stimmt in jedem Fall. Doch die Bundesliga wird in rund 200 Märkten gezeigt und in manchen muss sie noch gelegt werden. Auch illegales Streamen ist vielerorts ein großes Problem. „Unser Ziel ist es, allen Fußballfans weltweit ein passendes Angebot zu machen, sie dürfen nicht an der Bundesliga und der 2. Bundesliga vorbeikommen“, sagt Merkel. „Wenn sie dieses Angebot nicht wahrnehmen möchten, okay, aber wir müssen und werden sie vor diese Wahl stellen.“ Daraus folge im Idealfall eine erhöhte Nachfrage – „und dann zahlt es sich mit der Zeit aus.“ Es sei kein Sprint, sondern ein „Mittelstrecken-Lauf“, fasst Merkel zusammen.

Das Bild unterstreicht etwa das Beispiel Indien. Dort nimmt die DFL nach Informationen der F.A.Z. aktuell gerade einmal rund eine Million Euro je Saison ein. Das für sich genommen sei aber schon ein Erfolg: „Wir sind derzeit unseres Wissens mit der Premier League die einzige europäische Liga, die in Indien flächendeckend zu sehen ist und Geld verdient“, sagt Merkel. Wenn die indischen Sport-Fans einmal Fußball so richtig für sich entdecken sollten, wäre es fahrlässig nicht präsent zu sein.

Das Team der Eintracht in New YorkEintracht Frankfurt

Das Potential des Marktes liegt auf der Hand. Die heimische Cricket-Premier-League setze vor Ort mehr als eine Milliarde Euro um, rechnet Merkel vor. Entsprechend viel dürften die lokalen Medien in Indien in die Cricket-Berichterstattung investieren. Einen großen Apparat haben hierzulande schließlich auch Sky oder DAZN für die Bundesliga-Berichterstattungen. In kleineren Märkten lohne sich das für die lokalen Bundesliga-Partner allerdings oft nicht, sagt Merkel. Daher stelle die DFL ein fertiges Programm zur Verfügung, das genutzt werden könne: „Wir sind mittlerweile eine Art TV-Sender für unsere internationalen Medienpartner.“

Die „DFL-Sportschau fürs Ausland“ und andere Projekte

Das Angebot reicht von Live-Spielen mit englischem Kommentar über eine aus dem Sendezentrum in Köln – gleich über dem Keller, indem der VAR sitzt – gelieferte Live-Konferenz bis hin zu einer Studio-Show mit Highlights, „eine DFL-Sportschau fürs Ausland, wenn man so will.“ Auf 110.000 Live-Übertragungen bringt es das Angebot in einer Saison. Hinzu kommen fertige Schnipsel für Social-Media-Kanäle und anderes. Noch gibt es das Angebot nur auf Englisch, was nicht für alle Märkte gleichermaßen gut funktioniert.

Daher soll es perspektivisch noch stärker auf einzelne Märkte zugeschnitten und in diversen Sprachen angeboten werden, sagt Merkel, „vermutlich auch mit gezielter Hilfe von KI“. Die Übertragung der Bundesliga im Ausland ist naturgemäß für hiesige Fußball-Fans kein großes Thema. Das gilt auch für viele andere Projekte, die die DFL im Zuge der internationalen Vermarktung angeht. Mehr als 1000 kleine und größere Maßnahmen seien es in der vergangenen Saison gewesen, erklärten Merkel und Ko-Geschäftsführer Marc Lenz Mitte Juli, alles im Rahmen der „größten Internationalisierungsoffensive der DFL-Geschichte“.

So saniert die DFL beispielsweise in diversen Ländern Bolzplätze und veranstaltet dort Events mit aktiven oder ehemaligen Bundesliga-Spielern aus der Region. Im Rahmen des „Bundesliga Dream“-genannten Projekts wiederum trainieren ausländische Jugendteams einige Wochen in Nachwuchsleistungszentren von Bundesliga-Vereinen – manchmal mit großer medialer Begleitung: „Den Besuch der chinesischen U 16 hat der Sportsender CCTV-5 mit einem fast halbstündigen Beitrag begleitet, den haben in China Millionen Fußballfans gesehen“, sagt Merkel. „Dass es in Deutschland kaum jemand mitbekommt, heißt nicht, dass wir international nicht sehr viel unternehmen.“

Was das Paradebeispiel Japan ausmacht

Die eine „Maßnahme“, die auch viele deutsche Fans mitbekommen, sind die Auslandsreisen der Klubs. „Teilweise hatte sich das Bild festgesetzt, dass Bayern und Dortmund international unterwegs sind und der Rest nach Österreich oder in die Schweiz fährt“, sagt Merkel. „Dabei entspricht das schon länger nicht mehr der Realität, das hat sich jetzt wieder gezeigt.“

Frankfurt und Leipzig zog es in die USA, Augsburg reiste nach Südafrika, die Bayern besuchten Südkorea, während Stuttgart und Dortmund in Japan vor Ort waren. Beim BVB kam noch eine Station in Thailand hinzu. Präsenz in den Zielmärkten sei unbezahlbar, so Merkel. Ein Beleg dafür: Der FC Bayern verkaufte nach eigenen Angaben in den wenigen Tagen mehr Trikots von Lokalmatador Kim Min-jae als in der gesamten vergangenen Saison.

Mit Testspielen, Trainingseinheiten und ein paar Autogrammstunden ist es freilich längst nicht mehr getan. „Wenn wir einen mehrjährigen Medienvertrag in einem Markt verhandeln, verlangen die Partner heute oft die Zusicherung der DFL, dass ein Klub ins Land reist und Spieler für Interviews und Marketingaktivitäten zur Verfügung stehen“, sagt Merkel. „Das können wir mittlerweile bedenkenlos und guten Gewissens unterschreiben.“ Es gehe am Ende nur gemeinsam mit den Klubs und da habe man in den vergangenen Jahren „sehr große Schritte“ gemacht.

Im Idealfall gehen sportliche Entscheidungen und Marketing sogar Hand in Hand und es läuft so wie etwa in Japan. In vielen Ländern lese sich die Liste der zehn beliebtesten Fußballer ähnlich, sagt Merkel, in Japan aber seien darunter sieben Japaner: „In den drei vergangenen WM-Kadern Japans spielten mehr Bundesliga-Spieler als aus allen anderen Ligen, inklusive der J-League.“ Das sei ein Pfund, mit dem die DFL wuchern könne – „und auch der Grund warum wir in Japan fast auf Augenhöhe mit der Premier League und vor La Liga die Nummer zwei sind“.

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