Christian Lindner (FDP) knüpft die weitere Modernisierung der Bahn an einen höheren Preis fürs Deutschlandticket. „Irgendwann muss die Politik entscheiden, ob wir eher in die Schiene investieren wollen oder ob der Preis von 49 Euro bleiben soll“, sagte der Bundesfinanzminister im Interview mit WELT AM SONNTAG. Das bundesweit im Personennahverkehr einsetzbare Ticket mit einheitlichem Tarif werde bleiben, aber über den Preis müsse man reden.
Der Preis von 49 Euro im Monat ist bislang möglich, weil Bund und Länder sich an den Kosten mit je 1,5 Milliarden Euro pro Jahr beteiligen. Zuletzt kam auch von Ländern zunehmend Kritik an den Milliardenzuschüssen.
Die CDU Hessen von Ministerpräsident Boris Rhein würde das Deutschlandticket am liebsten abschaffen. Die CDU von Regierungschef Daniel Günther in Schleswig-Holstein plädiert für einen Preis von mindestens 59 Euro, besser noch 69 Euro.
Inmitten der Haushaltsverhandlungen macht Lindner deutlich, dass das Wachstum der Sozialetats gebremst werden müsse: „Wir können mehr in die marode Infrastruktur investieren, sofern wir nicht auch an anderer Stelle immer mehr ausgeben wollen.“
Seit 2022 habe die Ampel zusätzliche Sozialausgaben von 15 Milliarden Euro jährlich beschlossen, von der Ausweitung des Wohngelds bis zum 49-Euro-Ticket. „Bei der Ausweitung brauchen wir eine Pause, bis wir wieder mehr Wachstum erreicht haben.“
SPD-Chefin Saskia Esken hatte den Druck auf Lindner zuletzt erhöht. Kitas, Schulen, Krankenhäuser und Pflegeheime seien Stützen der Daseinsvorsorge. „Da gehört mehr Geld investiert, nicht weniger“, sagte sie der „Rheinischem Post“. Esken zeigte sich zuversichtlich, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) es nicht akzeptieren werde, wenn sein Finanzminister zum Angriff auf den Sozialstaat blase.
Lindner wies solche Aussagen zurück. „Von hartem Sparen kann keine Rede sein, denn die Staatsquote ist immer noch höher als vor der Pandemie. Es geht um ein Umsteuern“, sagte er. Es sei genug Geld da.
Deutschland müsse mehr tun für Bildung, für die Infrastruktur, für die harte Sicherheit von Bundeswehr bis Zoll. „Aber zugleich müssen wir Menschen und Betriebe steuerlich entlasten – und zwar innerhalb der Grenzen der Schuldenbremse.“ Es sei bedauerlich, dass die Schuldenbremse fortwährend infrage gestellt werde.
Gut die Hälfte der Wahlberechtigten in Deutschland ist nach dem jüngsten ZDF-Politbarometer dafür, grundsätzlich an der seit 2011 im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse festzuhalten.
In der Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen vertraten 56 Prozent der Befragten die Ansicht, dass es auch künftig bei der Regelung bleiben soll, wonach der Staat nur in außergewöhnlichen Notsituationen neue Schulden in größerem Umfang machen darf. 40 Prozent sprachen sich dafür aus, die Schuldenbremse künftig zu lockern.
An einer „spürbaren steuerlichen Entlastungen“ für die arbeitende Bevölkerung geht aus Lindners Sicht kein Weg vorbei. „Mit einem liberalen Finanzminister wird es nicht passieren, dass die Freibeträge und der Steuertarif nicht an die Inflation angepasst werden“, sagte Lindner. Seit Monaten wird innerhalb der Ampel-Regierung um eine Erhöhung des Grund- und des Kinderfreibetrags in diesem Jahr und den Folgejahren gerungen.
Klimageld kommt frühestens 2026
Die Auszahlung eines Klimageldes im nächsten Jahr schloss Lindner dagegen aus. „Nein, das kommt später“, sagte er auf die Frage, ob der finanzielle Ausgleich für den steigenden CO₂-Preis Thema in den laufenden Haushaltsverhandlungen für 2025 sei.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verweise darauf, dass die Stromkunden jährlich um gut 19 Milliarden Euro EEG-Umlage entlastet würden, das sei quasi ein Klimageld. „Er hat recht“, sagte Lindner.
Im Koalitionsvertrag stehe lediglich, dass in dieser Legislaturperiode ein Mechanismus für eine einheitliche Auszahlung an alle Bürger geschaffen werde. „Ein solcher Mechanismus steht 2025 bereit“, sagte der Finanzminister.
Ein gestaffeltes Klimageld wie in Österreich sehe das Konzept nicht vor. „Hier ist ein einheitlicher Betrag pro Kopf vorgesehen. Für die Zukunft kann man die IT aber anpassen“, sagte er. In Österreich ist die Höhe der Auszahlung vom Wohnsitz abhängig, in der Stadt gibt es weniger, in ländlichen Regionen mehr.
Source: welt.de