Deutschland, nicht Peru – Abenteuer Bahnfahren

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Die Lokomotive „Pfalz“, modernste Bahntechnik von 1853

Die Deutsche Bahn kommt aus den Schlagzeilen nicht heraus. „Pleiten, Pech und Pannen“ im Dauerbetrieb.

In einem Interview hat Bahnchef Lutze jetzt tatsächlich erklärt, dass Unpünktlichkeit bei der Bahn gut für „Klimaschutz“ ist.

Wer’s nicht glaubt, kann es hier nachlesen: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/auto-verkehr/bahn-chef-richard-lutz-mehr-zuege-auch-auf-kosten-der-puenktlichkeit-19695065.html .

Die Masche ist gut: Ich komme zu spät zur Arbeit: „Klimaschutz“. Das Essen im Restaurant ist der letzte Müll? Das ist „Klimaschutz“!

Ich sitze jetzt gerade im ICE 375 von Berlin nach Basel, den man (warum??) eine Stunde früher von Berlin hat abfahren lassen und der jetzt (warum??) über Eisenach, Aschaffenburg und Hanau jetzt nach Frankfurt teilweise mit Straßenbahngeschwindigkeit vorwärtszockelt.

Das Kursbuch von Sommer 1939 gibt es tatsächlich online (https://www.deutsches-kursbuch.de/inhalt.htm), das habe ich über W-LAN hier einmal aufgemacht, um zu sehen, ob nun ein ICE im Jahr 2024 oder doch ein D-Zug mit Dampflok im Jahr 1939 die Strecke schneller geschafft hat (die passende Seite: https://www.deutsches-kursbuch.de/F_55.htm).

Das Rennen bleibt erstmal offen, weil das W-LAN im ICE so schlecht ist, dass der Seitenaufbau endlos dauert.

Immerhin, trotz allem, in der W-LAN-Geschwindigkeit ist der ICE der DB doch dem D-Zug der DR von vor 85 Jahren sicher um einiges voraus.

Ein paar Stunden später, im Hotel, konnte ich es nachsehen: Der ICE 375 von 2024 hat gewonnen! Allerdings finde ich den Vorsprung jetzt nicht so berauschend: Der D 4 brauchte 7 Stunden 6 Minuten, beim ICE 375 sind es 5 Stunden und 16 Minuten. Bei 85 Jahren technischer Entwicklung hätte ich doch schon etwas mehr erwartet.

Aber ich wollte ja eigentlich die Bahnfahrt der Frau eines Freundes aus Augsburg schildern, die es gewagt hat, mit dem 49-Euro-Ticket von Augsburg nach Mainz und zurück zu fahren.

Die Hinfahrt verlief ohne Probleme. Das Abenteuer fand auf der Rückfahrt statt.

In Aschaffenburg sollte sie umsteigen. Doch dort ging es nicht mehr weiter. Alle Strecken in Richtung Augsburg waren dicht: Böschungsbrand hier, Personen im Gleis dort.

Stunden. Mehrmals wurden die Leute von einem Bahnsteig auf den anderen geschickt. Es fuhr aber kein Zug. Mittlerweile war schon später Abend.

Dann kam tatsächlich noch ein ICE in Richtung Augsburg/München. Aber es hieß: Leute mit 49-Euro-Ticket dürfen nicht mitfahren!

Dann wurden die Leute mit 49-Euro-Ticket wieder auf einen anderen Bahnsteig geschickt, die geänderte Durchsage, dass der ICE jetzt doch für Leute mit 49-Euro-Ticket zugelassen sei, war dort nicht zu hören.

Sie ist also auch nicht in den ICE eingestiegen.

Der Info-Schalter war belagert. Sie fragt den Mann am Schalter (Afrika-Import), wie sie denn jetzt nach Augsburg kommen soll. Er: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, nach Augsburg zu kommen, da muss sie halt schauen. Ende der Auskunft.

Jede Menge Leute am Info-Schalter, die alle drankommen wollen und sich drängen, die Lage tritt in die letzte Phase vor Handgreiflichkeiten und einer Schlägerei ein. Der Mann am Schalter macht daraufhin einfach die Jalousie herunter. Also keine Auskunft mehr, nicht mal so eine fachmännische wie vorhin.

Jetzt ruft sie ihren Mann an, was sie denn jetzt machen soll. Er rät ihr, wenn noch irgendein Zug kommt, der wenigstens ein Stück in die richtige Richtung fährt, dann soll sie den nehmen.

Es fährt tatsächlich noch etwas. Aber in Würzburg ist dann Schluss, es fährt an diesem Abend nichts mehr. Also was tun?

Wohl oder übel in Würzburg bleiben. Dort sind sämtliche DB-Schalter geschlossen.

Sie versucht es bei der Bahnhofsmission. Geschlossen, Schild: Geschlossen ab 17.00 Uhr.

Aha, ab 17.00 Uhr braucht man auf einem Großstadtbahnhof offenbar keine Bahnhofsmission mehr. Wenigstens nicht in DBistan.

Jetzt hat sie auch einmal ein Bedürfnis, das sich auf Dauer nicht vermeiden lässt.

Toilette auf dem Bahnhof zu dieser Zeit? Fehlanzeige.

Das einzige „Glück“ an diesem Tag: Da kommt tatsächlich noch ein ICE, der 15 Minuten Aufenthalt hat (nun, leider nicht ein ICE nach Augsburg, das wäre jetzt zu einfach). Sie kann immerhin in den Zug auf die Toilette gehen.

Wo jetzt übernachten? Da bleibt ihr jetzt nur der Warte/Aufenthaltsraum, den gibt es dort tatsächlich, und er wird auch die Nacht dort nicht geschlossen.

Dort sind vor allem Alkoholiker sowie junge Männer (Afrikaimporte), die dort die Nacht verbringen. Erstere stören zwar auch, letztere belästigen frau aber ganz konkret.

Irgendwann erscheinen tatsächlich zwei Bahnpolizisten (bzw. Bundespolizisten, wie das jetzt heißt). Was machen sie jetzt? In dem Raum steht auch ein Geldautomat, der ist das einzige, was sie dort interessiert. Sie kontrollieren das gute Stück, alles in Ordnung, dann verschwinden sie wieder.

Eine wenig erquickliche Nacht.

Den ersten Zug am Morgen hat sie dann genommen.

Die Geschichte spielt tatsächlich in Deutschland im Frühjahr 2024, nicht irgendwo in Peru.

Und damit hätte dieser Artikel eigentlich zu Ende sein sollen, aber nun begann mein eigenes DB-Abenteuer. Mit dem Aussteigen aus dem ICE 375 in Mannheim um etwa 19.34 am 17. Mai. Anschlusszug nach Saarbrücken (extra noch einmal online überprüft am Morgen und dann noch einmal im Zug nach der Abfahrt in Berlin): Der ICE um 19.40 ab Mannheim nach Paris, Ankunft in Saarbrücken 20.59. Laut Fahrplan.

Der ICE nach Paris wird im ICE 375 bei der Anfahrt auf Mannheim unter den Anschlusszügen genannt; Gleisänderung, das ist sogar noch bequemer beim Umsteigen, keine Treppen. Gut!

Der Zug ist am Bahnsteig angezeigt, ich finde bequem meinen Wagen, meinen Platz, setze mich hin. Der Zug fährt ab. Da erscheint auf der Anzeigentafel groß auf in die Augen stechendem gelben Feld: Nächster Halt dieses Zuges ist Paris Est. ???????? Adrenalinstoß. Der Zug fährt auch in die falsche Richtung, nach Süden (Karlsruhe) statt nach Westen (Ludwigshafen). ?????? Auf der Anzeige erscheint jetzt aber beruhigend: Nächster Halt Kaiserslautern 21.21.

Jetzt die Ansagen. Wieder: Nächster Halt in Paris Est. Wohl verhört? Auf Französisch: Wieder. Und auf Englisch noch ein drittes Mal. Kein Zweifel, jetzt geht es ohne Halt durch nach Paris.

Ich stehe auf, gehe durch den Zug und suche einen Zugbegleiter. Tatsächlich, in ihrem Kabuff sitzen zwei. Ich frage nach. Es stimmt, nächster Halt Paris. Dann, so etwa: Was ich denn überhaupt noch in dem Zug zu suchen hätte, sie hätten das mehrmals durchgesagt, dass Mannheim der letzte Halt vor Paris ist. Ich mache ihnen klar, dass ich erst in Mannheim in ihren Zug eingestiegen und weder in meinem Zug noch am Bahnhof in Mannheim diese Info durchgegeben wurde.

Und von dem Zugbegleiter erfahre ich dann von den wolkenbruchartigen Regenfällen und den Überschwemmungen rund im Saarbrücken und auf der Strecke weiter nach Paris, die unpassierbar ist.

Hmmmm. Dann heißt es, der Zug fährt durch Karlsruhe und vielleicht hält er im Bahnhof und Sie können aussteigen. Hmmmm. Ich hole mein Gepäck und gehe wieder zu der Schaffnerkabine. Dort treffe ich eine Dame, der genau dasselbe passiert ist, mit dem Unterschied, dass sie mit dem Zug aus Zürich/Basel kam und in Mannheim nach Saarbrücken umsteigen wollte. Also auch in ihrem Zug: keine Info!

Wir können dann tatsächlich in Karlsruhe aussteigen. Vom „Reisecenter“ schickt man uns zum „Servicepoint“. Dort waren wir vorher wegen der langen Schlange und weil sie dort nur eine einzige Person hingesetzt hatten, zum „Reisecenter“ abgebogen. Immerhin, jetzt sitzen am „Servicepoint“ zwei Leute, die eine Schlange hat sich in zwei geteilt.

Natürlich sind wir, wie das in solchen Situationen so ist, mit anderen Leuten ins Gespräch gekommen. Der junge Mann in der Schlange hinter uns, der nicht mehr nach Frankfurt kommt. Also auch auf dieser Strecke geht nichts mehr. Er erzählt, wie schlecht die DB Navigator App ist, dass sie oft ausfällt, dass Störungen nicht angezeigt werden. Und die DB will ihre Kunden unbedingt zur Verwendung ihrer (grottenschlechten) Navigator App nötigen! Warum? Um Kosten zu sparen oder weil man nur noch gläsernes Transportgut (ääh, Fahrgäste, wie das früher hieß) haben will?

Die Dame aus Zürich macht gleich einmal die Probe aufs Exempel und ruft auf Ihrem Handy die nächsten Verbindungen nach Saarbrücken auf. In der Tat, das täte uns jetzt schon einmal interessieren. „Das ist doch schon vorbei!“, ruft sie aus. Und dann: „Verbindung liegt in der Vergangenheit!“ Sie scrollt weiter, und: „Verbindung liegt in der Vergangenheit!“, scrollt weiter: „Verbindung liegt in der Vergangenheit!“ Etwas Aktuelles findet sie nicht. Und: „In der Schweiz gibt es so etwas nicht!“

Ja, die Info-Politik der DB ist eine Katastrophe, wie wir beide ja auch wieder einmal gemerkt haben. In den falschen Zug einzusteigen, hätte man uns eigentlich ersparen können! Die Unfähigkeit der DB, ihre Fahrgäste vernünftig zu informieren, ist ein Problem, das sie mindestens seit 35 Jahren hat (sicher auch vorher, aber da bin ich selten Bahn gefahren). Dass so etwas in der Schweiz nicht passiert, versichert mir die Dame aus Zürich.

Ein Mann mit Frau und drei Kindern und reichlich Gepäck macht seiner Empörung am Nebenschalter Luft. Er bekommt keine Verbindung nach Straßburg mehr! Dabei war er pünktlich an seinem Zug nach Straßburg gewesen. Sie hatten 1. Klasse gebucht, aber die 1., Klasse fehlte (oder war abgeschlossen, man kam nicht hinein. Pardon, was für eine Sch… baut man bei der DB eigentlich am laufenden Band?), und die 2. war hoffnungslos überfüllt gewesen, so dass sie mit 3 Kindern und viel Gepäck mit diesem Zug nicht fahren konnten und den nächsten hatten nehmen wollen. Sein gebuchtes Hotel ist dann futsch, hat 500 Euro gekostet.

Er beansprucht zeitweise die Aufmerksamkeit beider Frauen am Service Center, so dass es in meiner Schlange erst einmal stockt. Hätte man dem Mann nicht helfen können? Der über Karlsruhe umgeleitete ICE nach Paris hätte auch in Straßburg noch einmal halten und so die Fahrgäste der ausgefallenen Züge nach Straßburg aufnehmen können; das hätte man natürlich in den Zügen und auf den Bahnhöfen öfters durchsagen müssen. Dass man auf diese Weise mit diesem Zug auch noch die gestrandeten Reisenden nach Straßburg hätte ans Ziel bringen können, das hätte sich ein klügerer Kopf vielleicht noch denken können und dann auch schnell entscheiden müssen. Mit etwas Glück hätte es dieser Mann samt seinem großen Anhang dann auch in den richtigen Zug und bis nach Straßburg geschafft.

Wir rücken endlich wirklich bis zum Schalter vor und bekommen tatsächlich jede(r) einen Hotelgutschein für das „Ibis“-Hotel 3 Min. vom Bahnhof. Immerhin sind wir also besser dran als meine Freundin damals in Würzburg. Mit 49-Euro-Ticket schaut man da wohl in die Röhre, nach dem Motto: Könnte ja jeder kommen.

Auf dem Weg vom Schalter weg werden wir von anderen Leuten bestürmt und ausgefragt. Wir zeigen unsere Hotelgutscheine und raten ihnen, sich auch anzustellen. Eine Frau: „Die Schlangen sind ja schon so lang, sie gehen schon bis zum anderen Ende der Bahnhofshalle!“

Im „Ibis“ an der Rezeption hat sich natürlich auch eine (nur kleine) Schlange gebildet. Problemlos bekommen wir unsere Zimmer. Wir noch. Denn ich höre die Ibis-Mitarbeiter schon tuscheln, dass sie jetzt gleich voll sind, jetzt bitte nur noch Leute mit Anmeldung, heißt es dann an alle. Jemand, der in der Schlange vielleicht auf Platz Fünf bis Sieben ist, wedelt mit seinem Hotelgutschein und fragt laut, was denn jetzt damit ist. Es heißt, wir müssen im „System“ nachsehen (was immer das jetzt bedeutet). Da haben wir ja noch einmal Glück gehabt!!!

Nun ja, irgendwann ist in einer solchen Situation auch ein großes Hotel wie das Karlsruher „Ibis“ mal voll. Dann ist auch der Hotelgutschein der DB nichts mehr wert. Und der Abend hatte ja erst angefangen! Es war etwa 21.30, als wir im „Ibis“ eingecheckt sind.

Der Hotelgutschein galt ausdrücklich nur für das „Ibis“ und für kein anderes Hotel. Was macht man dann? Wieder zurück zum „Service Point“, wo die Schlangen jetzt wahrscheinlich schon bis weit in den zu den Bahnsteigen führenden Tunnel reichen? Wieviel wertlose Hotelgutscheine sind dann wohl noch ausgegeben worden? Oder gibt es ein funktionierendes Info-System vom „Ibis“ zur DB zum „Service-Point“: Das „Ibis“ ist voll, anderes Hotel? Bei dem steinzeitlichen DB-Info-System, so wie wir das wieder einmal erleben durften, bezweifle ich das.

Warum ist denn Folgendes nicht möglich: Das „Ibis“ bestätigt auf dem Gutschein, dass es voll ist, und dann kann man sich ein anderes Hotel mit dem Gutschein suchen? Nun ja, gegenüber vom „Ibis“ liegt in Karlsruhe das Schlosshotel, wie der Name schon sagt, bestimmt zwei Sterne mehr als das „Ibis“ und auch dementsprechend schön teuer. Da würde man dann wohl zuerst dorthin gehen, wer will noch im Dunkeln bei Regen in einer fremden Stadt ein Hotel suchen? Aber ****-Hotelkosten will die DB wohl nicht anlegen, doch alles andere wäre eine Zumutung für das Transportgut (ähhh, Fahrgäste).

Am Morgen komme ich in der Hotellobby mit einer Zugbegleiterin ins Gespräch, die auch hier übernachtet hat. Ihr ICE war im Bahnhof Hockenheim (bei Mannheim) gestrandet. Noch ein Glück für die Fahrgäste, es war wenigstens in einem Bahnhof, sie konnten den Zug verlassen. Die DB-Mitarbeiter (also auch sie) mussten dann aber noch drei Stunden bei dem gestrandeten Zug ausharren.

Am nächsten Tag also in Richtung Saarbrücken. Die schnelleren Verbindungen sind tot: über Kaiserslautern ICE (normal: 1 Std. 19 Min.) wegen Bauarbeiten im Bahnhof Kaiserslautern, über Pirmasens (mit 2 mal Umsteigen, normal 2 Std. 47 Min.) wegen der Überschwemmungen. Also über Frankfurt Flughafen und Bad Kreuznach (fahrplanmäßig 4 Stunden 10 Minuten).

Also mit dem ICE um 7.00 (tatsächlich abgefahren: 7.10) von Karlsruhe nach Frankfurt Flughafen (!!), von dort mit dem Regionalexpress RE 3 nach Saarbrücken, Abfahrt 8.24, Ankunft 11.10. Am Gleis in Frankfurt dann die Ankündigung: Der Zug fährt nicht bis nach Saarbrücken, sondern nur bis Türkismühle. Was nun? Einsteigen oder nicht? Dann noch die Durchsage, dass es die Info über die Anschlussverbindungen im Zug gibt. Also einsteigen.

Die Zugbegleiterin fragte jeden, wohin man fahren will, sie erklärte mir dann, dass es von Türkismühle einen Schienenersatzverkehr mit Bus nach Neunkirchen gibt und von dort einen Zug nach Saarbrücken, und sie zeigte mir auf ihrem Handy die Zeiten der Verbindung. Der SEV-Bus sollte in Türkismühle um 10.25 Uhr abfahren und 27 Minuten nach Neunkirchen brauchen. Also dann, irgendwann würde ich ja wohl doch ankommen.

In Türkismühle waren es dann etwa 50 Leute, die weiter nach Neunkirchen wollten, aber es war kein SEV-Bus da. Die Leute an der Bushaltestelle rätselten herum, ob denn überhaupt ein SEV-Bus kommen würde, oder ob der Bus etwa pünktlich um 10.25 schon abgefahren war, obwohl der Zug aus Frankfurt überhaupt erst um 10.29, ein paar Minuten verspätet, in Türkismühle angekommen war. Das blieb unklar. Solche Glanzleistungen, einfach leer abzufahren, obwohl alle Passagiere, die mitfahren sollen, erst noch ankommen müssen, bringt die Bahn leider öfters. Selbst am Tag darauf schon wieder erlebt.

Außer dem SEV-Bus suchte man leider auch den Mann oder die Frau mit der roten Mütze vergebens, die (wenigstens manchmal, aber bei der DB oft genug leider auch nicht) den Durchblick haben und den Leuten sagen, wie es weitergeht. So jemand hätte hier jetzt hingehört. Offenbar gehören die Rotmützen wie so vieles Andere, das für die Passagiere angenehm und hilfreich wäre und das ebenfalls aus Kostengründen dem Rotstift zum Opfer gefallen ist, zu einer ausgestorbenen Art. Einem Vertreter davon zumindest auf einem kleineren und mittleren deutschen Bahnhof zu begegnen, ist wohl etwa genauso wahrscheinlich wie ein Brontosaurus auf Gleis 1 und selbst ein Mammut auf Gleis 3.

Das ältere chinesische Ehepaar stand sichtlich verstört herum wie bestellt und nicht abgeholt. Ein solches Dritte-Welt-Niveau wie in Deutschland waren sie aus ihrer Heimat wohl nicht gewohnt. Die Anzeigentafel vor dem Bahnhof zeigte weiter unbeirrt Züge nach Saarbrücken an, die nicht fuhren. Die Anzeigentafel an der Bushaltestelle zeigte selbstverständlich keinen SEV-Bus an.

Dann kam ein Bus, aber ein Linienbus, mit anderem Fahrziel. Und nach einer halben Stunde Warten kam noch ein Bus mit der geheimnisvollen Anzeige Nohfelden irgendetwas. Der Fahrer daddelt erst einmal am Handy, dann kann man ihn fragen, ob der Bus nach Neunkirchen fährt. Ja. Also steigen alle 50 Leute ein. Es wäre jetzt ja auch nicht lustig, noch eine halbe Stunde länger zu warten, bis (vielleicht) um 11.25 der angebliche SEV-Bus für den nächsten Zug aus Frankfurt kommt. Dann würden aber wohl zu den schon hier stehenden 50 Leuten noch einmal 50 hinzukommen. Das ist keine verlockende Vorstellung.

Der Bus ist übervoll. Es ist aber tatsächlich nicht der SEV-Bus, wie erhofft, sondern ein Linienbus, der erst einmal eine Riesenschleife und dann einen großen Teil derselben Strecke erst einmal wieder fast bis Türkismühle zurückfährt, bis er auf eine andere Straße abbiegt. Der Bus juckelt von einem Dorf zum nächsten. Statt der angekündigten 27 Minuten werden es 90, bis wir endlich in Neunkirchen ankommen. Die Leute sind gegenüber dem Fahrer schon laut geworden, weil sie glauben, in dem SEV-Bus zu sein, der nicht durch jedes Kaff fährt. Aber der Fahrer kann ja eigentlich nichts dafür, dass er einen Linienbus steuert.

Endlich Neunkirchen, und sogar ein Zug nach Saarbrücken, der pünktlich abfährt (!!!!). Ankunft in Saarbrücken 13.24 Uhr, das sind ab Karlsruhe 6 Stunden 24 Minuten, ab Mannheim ziemlich genau 6 Stunden.

Und jetzt frage ich mich, wie wäre es wohl vor 85 Jahren abgelaufen? Ein mit einer Dampflok bespannter D-Zug des Jahres 1939 wäre wohl nicht so schnell von überfluteten Schienen lahmgelegt worden. Der D 214 brauchte 1939 für Mannheim-Saarbrücken 2 Stunden 37 Minuten, der D 243 sogar nur 2 Stunden 19 Minuten (https://www.deutsches-kursbuch.de/F_51.htm). Für das zweite Teilstück meiner Reise, von Mannheim nach Saarbrücken, geht der Sieg also ganz klar an den Nostalgiezug aus der Dampflokära.

Damit steht es 1:1 Unentschieden.

Gegen einen Zug von vor 85 Jahren hat die Deutsche Bahn also haushoch verloren. Vielleicht sollte man ihr aber noch einmal eine Chance geben, indem man noch einmal weitere 85 Jahre zurückgeht. Wir bräuchten also jetzt ein Kursbuch oder einen Fahrplan von 1854. 6 Stunden von Mannheim nach Saarbrücken? Das wird ein Kopf-an Kopf-Rennen zwischen der DB und der „Pfälzischen Ludwigsbahn“ geben! 1852 ist der letzte Teil der Strecke zwischen Neunkirchen und Saarbrücken fertig geworden. Der Lokführer und der Heizer stehen noch völlig frei Wind und Regen ausgesetzt, da kann es so schnell doch nicht gehen. Ich frage Chat GPT und bekomme folgende Antwort: „Im Jahr 1854 betrug die durchschnittliche Geschwindigkeit der Eisenbahn zwischen Mannheim und Saarbrücken etwa 30 bis 40 km/h. Die Fahrtdauer für diese Strecke betrug in der Regel zwischen 6 und 8 Stunden, abhängig von den Bedingungen und möglichen Zwischenstopps.“ Das wäre ein Durchschnitt von 7 Stunden, die Deutsche Bahn gewinnt also mit leichtem Vorsprung gegen die Pfälzische Ludwigsbahn von 1854. Gratulation!

Und auf der 1853 ganz neu in Dienst gestellten Lokomotive „Pfalz“, die mit ihren 200 PS fast 100 km/h erreichen konnte, gibt es sogar erstmals einen bescheidenen Wetterschutz für den Lokführer.

Auf dem Klassentreffen in Saarbrücken löst die Geschichte meiner Odyssee allgemeine Heiterkeit aus. Von den Anderen kommen eigene Bahngeschichten, einige haben das Bahnfahren ganz aufgegeben. Die Frau eines Klassenkameraden erzählt, dass ihr Sohn die Strecke Frankfurt-Hannover zu den Eltern meistens umsonst fahren kann, weil er sich die Tickets wegen der großen Verspätungen zurückerstatten lässt. Man merkt: Das Image der Bahn ist grottenschlecht.

Am Sonntag, den 19. Mai, Rückfahrt von Saarbrücken nach Augsburg, mit ICE normal 4 Stunden 16 Minuten. Nicht am Wochenende wegen Bauarbeiten im Bereich Kaiserslautern. Regionalexpress bis Landau, Schienenersatzverkehr bis Neustadt/Weinstraße, Regionalexpress bis Mannheim, dann ICE. Laut Fahrplan dauert das bis Mannheim 2 Stunden 34 Minuten, 1 Stunde 15 Minuten länger als mit ICE.

Vor der Reise noch das, was man heutzutage immer machen muss, bevor man sich der Bahn anvertraut: Im Internet oder auf der App schauen (ohne Garantie, kann auch alles doch nicht stimmen): Geht meine Verbindung noch, oder bleibe ich irgendwo stecken? Dann kann man doch noch zu Hause bleiben. Einfach zum gebuchten Zug gehen, ist schon einer Art Russisch-Roulette (äh, DB-Roulette passt wohl eher). Also, fährt. Aber mein ICE, für den ich noch einen Sitzplatz gebucht habe, eine halbe Stunde verspätet. Na, schon normal für DB-Niveau, auf jeden Fall komme ich ans Ziel.

Ab Saarbücken: Pünktlich. SEV-Bus in Landau: Da. Beim Einsteigen läuft ein junger Mann durch den Bus, laut: „Sie haben einen Gelenkbus eingesetzt! Ich fass‘ es nicht! Intelligenz bei der Bahn!“ Aber den braucht es auch, der Bus ist voll, aber alle haben einen Sitzplatz. Noch.

Der Bus steuert den mit dem Zug nicht erreichbaren Hauptbahnhof von Kaiserslautern an. Dort steigen einige Leute aus, aber noch viel mehr ein. Jetzt ist der Bus voll wie ein Stadtbus im Berufsverkehr, Viele stehen. Aber es geht jetzt noch etwa eine Stunde bis Neustadt.

Dort Umsteigen auf die Bahn. Der Bus ist 9.57 angekommen. Der Zug nach Mannheim soll laut Fahrplan um 10.00 weiterfahren. Und der Zug fährt punkt 10 Uhr ab, als etwa ein Viertel der Leute aus dem Bus den Bahnsteig erreicht hat. Die meisten Leute lässt man einfach stehen. Die alte 80jährige Dame, die in Kaiserslautern im Bus den Platz neben mir ergattert hat, wird es mit ihrem Koffer sicher nicht geschafft haben. Ich auch nicht. Mir platzt die Hutschnur und ich schreie die Schaffnerin auf dem Bahnsteig an, was dieser Sch… soll. Sie zeigt ungerührt auf einen am nächsten Gleis stehenden Zug, als ich weiter schreie, zeigt sie weiter auf diesen Zug.

Also mit Gepäck wieder Treppe runter und wieder Treppe rauf, das gilt auch die 80jährige Dame mit ihrem Koffer. Der Zug, in den man offenbar einsteigen soll, fährt nach Osterburken. Keine Ahnung, wo das liegt, es wird schon näher an Mannheim liegen als Honiara oder Kalamata, aber genauer weiß ich es auch nicht. Mannheim? Ich frage an der Lok. Ja, also einsteigen. Der Zug fährt tatsächlich auch ab, fünf Minuten nach dem anderen.

Aber es ist eine S-Bahn, die hält wesentlich öfter und braucht etwa 12 Minuten länger. Wäre mein Anschlusszug pünktlich, hätte ich ihn nicht mehr bekommen. Aber manchmal kann man sich tatsächlich auf die Unpünktlichkeit der DB verlassen(!!), und ich erreiche ohne jede Hetze meinen ICE. Er ist mir ja schon am Morgen als eine halbe Stunde verspätet angekündigt worden. Angegebener Grund: „Kurzfristiger Personalausfall“. Die Anzeige in Mannheim vermeldet dann noch: „Unterbesetzung Stellwerk“.

Derartige Personalengpässe und -ausfälle gab es bei der Bahn vor einigen Jahren noch so gut wie nie, zumindest nicht mit für die Reisenden erkennbaren Auswirkungen auf den Bahnbetrieb. Jetzt gibt es das regelmäßig. Auch bei der Bahnkritik auf dem Klassentreffen kam das zur Sprache. Was ist los, Bahn? Sparen, sparen sparen? Personal ausdünnen, ausdünnen, ausdünnen? Wozu braucht man denn Personalreserven? „Auf Kante fahren“ als Regelbetrieb? Sieht ganz so aus.

Der ICE fährt tatsächlich. Etwas Verwirrung bei den Reservierungsanzeigen. Alle Anzeigen beziehen sich nur auf Reservierungen bis Mannheim, aber da sind wir ja jetzt. Einige Leute, die schon Platz genommen haben, werden wieder vertrieben. Das W-LAN im Zug funktioniert nicht. Es kommt eine Fehlermeldung. Man möge es doch bitte bei der nächsten Reise wieder versuchen.

Eine nächste Reise mit dieser Bahn müsste ich mir schon sehr gründlich überlegen, wirklich.

Bei der DB ist noch viel Luft nach oben. Sehr viel Luft. Und zwar weder bei Zügen in Regenbogenfarben oder gendersensiblen Toiletten im Bahnhof oder Genderei in allen Texten oder Handy- und Gläserner-Passagierzwang, und bei „Klimaschutz“ à la Lutz schon gar nicht. Sondern bei Pünktlichkeit und Information der Fahrgäste. Und auch bei den Fahrpreisen. Ein reguläres Ticket ohne Bahncard oder Sparangebote (die Sie nur noch bei Online-Buchung, also Digitalzwang bekommen, hatten wir schon), kostet in der 2. Klasse von Berlin nach Saarbrücken 203 Euro. Einfach!!! Das ist ein schlechter Witz. Noch dazu bei einer solchen Bahn.

Denn: Wenn sie jetzt in Peru Radwege wie in Deutschland haben, haben wir jetzt eine Bahn wie in Peru.

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