Deutscher Theaterpreis: Als Gera am Meer lag

Theater werden oft mit Schiffen verglichen. Beide sind enge
Räume beziehungsweise Raumfahrzeuge, in denen verschworene Mannschaften
arbeiten. Beide sind ständig auf großer Fahrt. Die Besatzungen entwickeln
seltsame Umgangsformen und einen starken Aberglauben. Beide haben es mit
widrigen Umständen zu tun: die Seefahrer mit Stürmen, Gezeiten und Piraten, die
Theaterleute mit dem Publikum, der Kritik und der Stimmung in der Stadt. Beide
wappnen sich mit Abwehrriten gegen Bedrohungen.

Über dem Eingang des Theaters Gera steht in diesen Tagen auf
einem Transparent folgender Satz: „Nie wieder ist jetzt!“ Am Theaterplatz
ziehen jeden Montagabend zielbewusst Spaziergänger mit dem rechtsextremen
Verein Aufbruch Gera zur Salvatorkirche, um dort auf
der Freitreppe zu demonstrieren – manche nur grundsätzlich angefressen und
murrend gegen die sogenannten herrschenden Verhältnisse, manche offensiv für
den politischen Umsturz brüllend, einige von ihnen Neonazis. Die Letztgenannten
gehören leider zur Bad-Vibes-Grundausstattung von Gera. Und bei der
Kommunalwahl 2024 holte die AfD, die nicht dafür bekannt ist, von Theatern und
Kunstfreiheit viel zu halten, 35 Prozent der Stimmen; sie stellt die größte
Fraktion im Stadtrat.

Genau hier, in der Thüringer Stadt mit 96.000 Einwohnern,
ist am vergangenen Wochenende das größte Fest gefeiert worden, das unsere
Theaterszene kennt. Die Gala zur Verleihung des „Faust“, des deutschen
Theaterpreises, fand in Gera statt. Man darf darin auch ein politisches Zeichen
sehen. Oder, wenn man so will, einen Abwehrzauber.

Der Faust wird jedes Jahr in einem anderen deutschen Theater
verliehen, letztes Jahr im Hamburger Thalia Theater, nächstes Jahr im
Stuttgarter Theaterhaus. Und es ist auch nicht nur ein Preis, der vergeben
wird, sondern es werden Auszeichnungen in zwölf Kategorien überreicht, beste
Regie für Musik-, Tanz- und Sprechtheater, bester Raum, bestes Kostüm, beste
Darstellerin in Schauspiel und Oper und so weiter. In diesem Jahr gab es
auffallend viele Preise für ostdeutsche Theater – auch das kann man als politisches
Signal deuten.

Man braucht für diesen Anlass, der zeitraubend ist und
natürlich auch viel Raum einnehmen will, eine richtige Show, am besten mit
rotem Erzählfaden. Dieses Jahr hat man sich dafür entschieden, das Theater
augenfällig mit einem Schiff gleichzusetzen: Die Geraer Bühne wurde zum Deck
eines Luxusliners, auf dem Leichtmatrosen, Stewards und der eine oder andere
Unterdecksgeist herumwirbelten. Ein maritimes Musical war es, das hier in guten
Ansätzen stattfand und von dem Ensemble des Theaters Altenburg Gera (denn die
Theater beider Städte gehören zusammen) mit Spielfreude und Temperament in
Szene gesetzt wurde.

Für die zwölf Kategorien standen je drei Kandidatinnen und
Kandidaten zur Wahl, und das bedeutete: 36 Menschen bereiteten Dankesreden vor,
aber nur zwölf Reden wurden gehalten, es war also auch der Abend der 24 nach
innen gesprochenen, ungehört erlöschenden Reden.

Wer hat gewonnen? Hier eine kleine Auswahl: Anna Drexler
wurde (in ihrer Rolle als Krähe in Trauer ist das Ding mit Federn am
Schauspielhaus Bochum) als beste Schauspielerin und Asmik Grigorian (als Salome
an der Hamburgischen Staatsoper) als beste Darstellerin im Musiktheater
ausgezeichnet. Joanna Lewicka erhielt den Regiepreis für ihre Antigone
am Theater Plauen-Zwickau, Ingo Kerkhof wurde als bester Musiktheater-Regisseur geehrt (für Kurtágs und Becketts Endspiel an der Oper
Dortmund), und Nele Hertling, die große Erfinderin und Dame des deutschen
Theaters, erhielt die Auszeichnung für ihr Lebenswerk.

Theater werden oft mit Schiffen verglichen. Beide sind enge
Räume beziehungsweise Raumfahrzeuge, in denen verschworene Mannschaften
arbeiten. Beide sind ständig auf großer Fahrt. Die Besatzungen entwickeln
seltsame Umgangsformen und einen starken Aberglauben. Beide haben es mit
widrigen Umständen zu tun: die Seefahrer mit Stürmen, Gezeiten und Piraten, die
Theaterleute mit dem Publikum, der Kritik und der Stimmung in der Stadt. Beide
wappnen sich mit Abwehrriten gegen Bedrohungen.

Über dem Eingang des Theaters Gera steht in diesen Tagen auf
einem Transparent folgender Satz: „Nie wieder ist jetzt!“ Am Theaterplatz
ziehen jeden Montagabend zielbewusst Spaziergänger mit dem rechtsextremen
Verein Aufbruch Gera zur Salvatorkirche, um dort auf
der Freitreppe zu demonstrieren – manche nur grundsätzlich angefressen und
murrend gegen die sogenannten herrschenden Verhältnisse, manche offensiv für
den politischen Umsturz brüllend, einige von ihnen Neonazis. Die Letztgenannten
gehören leider zur Bad-Vibes-Grundausstattung von Gera. Und bei der
Kommunalwahl 2024 holte die AfD, die nicht dafür bekannt ist, von Theatern und
Kunstfreiheit viel zu halten, 35 Prozent der Stimmen; sie stellt die größte
Fraktion im Stadtrat.

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