Deutsche Konjunktur: Das Bruttoinlandsprodukt schrumpft

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die deutsche Wirtschaftsleistung in diesem Jahr schrumpfen. Die großen Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten ein Minus des Bruttoinlandsprodukts von 0,1 Prozent, die Regierung von 0,2 Prozent. In einem Land, das sich nach der Pandemie an die Stagnation gewöhnen musste, klingt das fast undramatisch. Tatsächlich ist es ausgesprochen besorgniserregend. Schon 2023 sackte die Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent ab. Ein Bruttoinlandsprodukt, das zwei Jahre nacheinander schrumpft, gab es in der Bundesrepublik bisher nur einmal.

Das war in den Jahren 2002 und 2003, als die Internetblase geplatzt und nach dem 9/11-Angriff auf Amerika die Weltwirtschaft kurzzeitig eingebrochen war. Das verkrustete Deutschland fand damals aus der Krise nicht heraus. Erst die von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) durchgesetzten Hartz-Reformen, die das Leben im sozialen Netz erschwerten und die mehr Flexibilität und mehr Eigenverantwortung an den Arbeitsmarkt brachten, führten zurück auf Wachstumskurs.

Eine ähnlich entschlossene wirtschaftspolitische Wende täte auch heute not. Zu sehen ist davon nichts. So wie die Konjunktur schleppt die zerstrittene Koalitionsregierung sich dahin und hofft von Jahr zu Jahr aufs Neue, dass der private Konsum endlich anspringt. Die Löhne sind gestiegen, und die Inflation ist deutlich zurückgegangen, doch die Deutschen konsumieren immer noch sehr zurückhaltend und häufen lieber neue Ersparnisse für schlechte Zeiten an. Man kann es ihnen nicht verdenken, wenn die rot-grün-gelbe Koalition weitere Jahre der hohen wirtschaftlichen Unsicherheit verheißt.

Neben konjunkturellen gibt es gravierende strukturelle Probleme

Das ist das eine, das kurzfristige und konjunkturelle Problem, das eine wirtschaftliche Erholung verzögert und erschwert. Viel gravierender ist, dass sich im wirtschaftlichen Fun­dament Risse auftun, die nicht so schnell zu kitten sein werden.

Der Welthandel hat sich von seinem Einbruch erholt und wächst wieder. Im Gegensatz zu anderen Ländern aber nimmt die deutsche Wirtschaft daran nicht mehr im selben Ausmaß wie früher teil. Deutschland verliert Marktanteile am Weltmarkt. Richtung Amerika läuft der Export einigermaßen, Richtung China geht die Ausfuhr seit 2022 deutlich zurück.

Das hängt mit der Abschwächung des chinesischen Wachstums zusammen, liegt aber auch an der härter werdenden Konkurrenz chinesischer Unternehmen in Automobilen und Maschinen. Diese Marktanteilsverluste waren abzusehen, die deutschen Hersteller haben geschlafen. Die Schuld nun mit Strafzöllen in China zu suchen ist absurd. Wenn andere besser werden, dann müssen auch die Deutschen besser werden.

Unternehmen wollen Arbeitskräfte nicht mehr halten

Der zweite Riss zeigt sich darin, dass die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen seit dem Winter wegbrechen und drastisch schrumpfen. Das Minus ist nach Analyse der Konjunkturforscher nicht mit der schlechteren Entwicklung der Ausfuhr zu erklären; es muss andere Gründe haben. Dazu gehört die wirtschaftspolitische Verunsicherung. Dazu gehören greifbarere Faktoren wie die Energiekosten, die auch wegen der Energiewende im internationalen Vergleich hoch liegen. Dazu gehören Lohnstückkosten, die stärker steigen als im Rest Europas.

Bedrohlich ist, dass die Abwärtsentwicklung im verarbeitenden Gewerbe sich zu verfestigen droht. Die Produktion in den energieintensiven Branchen hat einen Talboden ge­funden. Dass Produktion aus dem Ausland aber wieder zurückkommt, ist unwahrscheinlich. Bedenklich stimmt ferner, dass in der Krise des verarbeitenden Gewerbes die Kurzarbeit unerwartet wenig zunimmt. Die Unternehmen rechnen nicht mehr damit, dass sie freigesetzte Arbeitskräfte noch brauchen werden.

Was gegen die Risse im Fundament zu tun ist, ist bekannt. Die Produktionsbedingungen am Standort müssen drastisch verbessert werden, soll die Wirtschaft mehr wachsen. Dazu gehören Steuersenkungen, niedrigere, zumindest konstante ­Sozialversicherungsbeiträge, weniger gängelnde Regulierung, der Verzicht auf Industrie- und Subventionspolitik im Gutsherrenstil. Jede Milliarde Euro, die in Ansiedlungen scheinbar zukunftsträchtiger Technik fließt, verhindert Steuersenkungen und verschreckt andere Unternehmen, die am Standort nicht so willkommen sind. Vor allem aber bedarf es einer Wirtschaftspolitik, die weniger auf die Umweltbedingungen in 30 Jahren fokussiert, sondern auf die wirtschaftliche Misere hier und jetzt. Es braucht heute starkes Wachstum, um sich die Klimawende leisten zu können. Wenn Rot-Grün-Gelb das nicht schafft, ist es Zeit für einen Wechsel.

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