Frau Kokott, Sie sind seit über 20 Jahren Generalanwältin am europäischen Gerichtshof. Wie hat sich das Verhältnis der europäischen Gerichte zu den amerikanischen Techkonzernen in dieser Zeit verändert?
Ein Wendepunkt war im Jahr 2017. Da hat der europäische Gerichtshof eine Entscheidung gegen Intel zurückgewiesen. Intel wurde vorgeworfen, seine Marktmacht gegenüber den Computerherstellern genutzt zu haben, um mit Treuerabatten den Wettbewerber AMD aus dem Markt zu drängen. Die Kommission hatte das Unternehmen deshalb noch zu einer Geldstrafe von mehr als einer Milliarde Euro verurteilt. Der Europäische Gerichtshof sah es aber nicht als erwiesen an, dass ein Schaden für den Wettbewerb und letztlich die Kunden entstanden war. Das war eine Richtungsentscheidung zwischen zwei Denkschulen, die bis heute nachwirkt.