Deutsche Bahn: 28.000 Baustellen im Gleisnetz – und dasjenige große Info-Chaos

Die deutsche Bahninfrastruktur ist veraltet und überlastet. Deshalb wird 2026 rund um das Schienennetz gebaut wie nie. 28.000 Baustellen sollen es nach dem Willen der Deutschen Bahn dann sein, rund 2000 mehr als in diesem Jahr. Grundsätzlich eine gute Nachricht. Gäbe es da nicht eine nach Ansicht der Wettbewerber sehr mangelhafte Informationspolitik. Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE), der Interessenverband der Güterbahnen, lässt an der zuständigen Tochtergesellschaft DB InfraGO kein gutes Haar. „Wenn die DB noch mehr Baustellen aufmachen will, muss sie ihre Informationsprozesse in Ordnung bringen“, sagte Verbandsgeschäftsführer Peter Westenberger der F.A.Z. Derzeit versuche das Unternehmen stattdessen, den Missstand zu vertuschen.

Worum geht es? Generell existiert ein umfangreiches Regelwerk, wie die Netztochtergesellschaft der DB mit sogenannten „baubedingten Kapazitätseinschränkungen“ umgehen muss. Diese sogenannten BKEs sind definitionsgemäß Behinderungen des Schienenverkehrs in speziellen Situationen. Es handelt sich um Fälle, wenn durch eine Baumaßnahme mindestens ein Zugfahrweg ganz oder teilweise storniert, umgeleitet oder durch einen anderen Verkehrsträger ersetzt werden muss. In der 68 Seiten und 19 Einzelkapitel umfassenden Richtlinie 402.0305 zum Trassenmanagement ist detailliert festgelegt, wie dies mit betroffenen Bahngesellschaften abzustimmen und zu kommunizieren ist.

Infos? Bitte ein halbes Jahr vorher

Die Theorie sieht sogar ein mehrstufiges Verfahren vor. Demnach müssen Entwürfe für baustellenbedingte Fahrplanänderungen (sogenannte ZvF-Entwürfe alias „Zusammenstellung der vertrieblichen Folgen“) mindestens 24 Wochen vor Baubeginn an die Eisenbahnen übermittelt werden. Die wiederum können dazu Stellung nehmen und Änderungen vorschlagen. Die endgültigen baubedingten Fahrplanänderungen („ZvF-Endstücke“) sollen die Verkehrsanbieter mindestens 15 Wochen vorher erhalten.

Und das sei sehr notwendig, betonen die privaten Güterbahnen, die inzwischen in Deutschland einen Marktanteil von mehr als 60 Prozent erreichen: „Nur so können sich die Eisenbahnverkehrsunternehmen auf die neuen Fahrpläne rechtzeitig einstellen, und für die so entstehenden oftmals sehr weitläufigen Umleiter Fahrzeuge und Personal einplanen und ihre Endkunden angemessen informieren.“

Fristen werden oft gerissen

Doch die Praxis sieht anders aus. Die Baukommunikation befinde sich seit vielen Monaten in einer Krise, konstatieren die DB-Wettbewerber. „Die Ankündigungsfristen der Baumaßnahmen werden oft gerissen, so dass die EVU oft erst kurz vor Abfahrt oder im schlimmsten Fall gar nicht über schon seit langem geplante baubedingte Störungen auf den Strecken informiert werden.“ Die Folge: Fahrgäste im Personenverkehr und die Wirtschaft im Güterverkehr erführen erst „im letzten Moment“, wie die geänderten Fahrpläne aussehen.

Auf Anfrage räumt die Deutsche Bahn ein, die Kommunikation von Fahrplanunterlagen wegen Baustellen bleibe angesichts des Bauvolumens „weiterhin herausfordernd“. Allerdings habe DB InfraGO die rechtzeitige Übermittlung der Fahrplandokumente signifikant stabilisieren können. Im September habe der entsprechende Wert 74,8 Prozent betragen, im Oktober 65,4 Prozent und im November rund 80 Prozent. „Das heißt, die Fahrplanunterlagen kommen rechtzeitig an“, so das Fazit der DB.

Konkurrenten werfen DB „aufgehübschte Statistik“ vor

Die Konkurrenten kommen auf völlig andere Zahlen. Der Lobbyvereinigung der Güterbahnen zufolge erreichte die Fristentreue im September einen Wert von 45 Prozent, und das war schon die höchste Quote in diesem Jahr. Häufig bewegte sich demnach die Zahl nur im 30-Prozent-Bereich. Im August sank sie auf nur noch 26 Prozent. „Auch im Oktober wurden nur 38 Prozent der Dokumente rechtzeitig oder überhaupt zugestellt“, beklagt der Verband.

Wie kommt es zu diesen gravierenden Unterschieden? Die Erklärung der Güterbahnen: DB InfraGO verschweige, dass man in den eigenen Statistiken nur die sogenannten Endstücke und tatsächlich erstellte Dokumente zähle. „Alle Dokumente der Baukommunikation, die richtlinienwidrig gar nicht erstellt werden, werden nicht erfasst.“ Von einer „aufgehübschten Statistik“ ist die Rede. Und vom Versuch, „über die tatsächlichen Missstände bei der DB InfraGO zu täuschen“.

Neue Fahrpläne für 2,8 Millionen Zugfahrten

Besonders ärgern sich die Wettbewerber, dass die Netzgesellschaft der Deutschen Bahn in diesem Zusammenhang gegen Beschlüsse der Bundesnetzagentur klagt. Insgesamt habe DB InfraGO seit der eigenen Gründung sogar 41 Klagen gegen den Kontrolleur angestrebt. Deren Ziel sei meist gewesen, sinnvolle Verbesserungen der Regelwerke und Anreize zur Einhaltung der eigenen gesetzlichen Pflichten zu verhindern. Bislang habe der Bund dem Klageverhalten der DB InfraGO tatenlos zugesehen. Güterbahnen-Geschäftsführer Westenberger forderte nun im F.A.Z.-Gespräch, die DB-Tochtergesellschaft müsse eine Klage gegen die Netzagentur, die ihr zum 1. Januar harte Daumenschrauben anlegen wolle, als allererstes zurücknehmen.

DB-InfraGO-Chef Philipp Nagl hat auf dieses Ansinnen bislang offenbar nicht reagiert. Aus einer Kundenveranstaltung mit 230 Teilnehmern wird berichtet, der Topmanager habe vielmehr wörtlich darauf hingewiesen, dass sein Unternehmen „nicht alle Regeln einhalten“ könne.

Und ganz offiziell wirbt die DB mit solchen Zahlen um Verständnis: „Insgesamt sind pro Jahr mehr als 18 Millionen Zugfahrten (2024) auf dem deutschen Netz unterwegs. Wegen der vielen Baustellen – 1.000 pro Tag – müssen für jährlich 2,8 Millionen Fahrten neue Fahrpläne entwickelt werden. Das sind 7500 am Tag.“

Die Wettbewerber beeindruckt das kaum. Ihr erstes Interesse: „Noch mehr Chaos für die Kunden zu verhindern.“

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