
Das italienische Luxus-Unternehmen Prada will offensichtlich die Marke Versace kaufen. Eine Marke, die inmitten einer schweren Krise steckt. Doch der gewagte Plan ergibt durchaus Sinn. Gelingt er, dürfte die französische Luxus-Dominanz durchbrochen werden.
In Mailand gab es bei vor wenigen Tagen bei der Modewoche eine zweifelhafte Kombination zu sehen: Ein Model trug ein rotes Kleid kombiniert mit einer Jeanshose. Die 75-jährige Miuccia Prada und ihr Co-Designer Raf Simons verbanden wieder einmal Kontraste zu etwas Neuem. Die Feministin Prada lotete die Selbstbestimmung der modischen Frau aus.
Geschäftlich will das Unternehmen Prada, geleitet von Miuccia Pradas Ehemann Patrizio Bertelli, nun ebenfalls eine gewagte Kombination ausloten. So berichtet es jedenfalls die Agentur Bloomberg: Fast 1,5 Milliarden Euro wolle Prada zahlen, um die ebenfalls italienische Marke Versace zu kaufen.
Versace gehört seit 2018 zu der vor 44 Jahren vom Designer Michael Kors gegründeten Holding Capri. Gelingt der noch unbestätigte Deal, würde sich das an der Hongkonger Börse notierte Familienunternehmen Prada einen Sanierungsfall auflasten – und das trotz eigener unguter Erfahrungen.
Denn Prada stand nicht immer so gut da wie heute: Um die Jahrtausendwende wollte Bertelli sein Unternehmen zu einem Marken-Imperium nach dem Vorbild des französischen LVHM-Konzerns ausbauen. Unter anderem kaufte er die deutschen Marken Helmut Lang und Jil Sander sowie das Modehaus Fendi zu.
Alle drei verkaufte er in den Folgejahren wegen Erfolgslosigkeit wieder. Die aus den Plänen resultierenden Finanzprobleme führten dazu, dass Bertelli Anteile über die Hongkonger Börse abgeben musste, um frisches Geld in die Kassen zu bekommen.
Doch diese Zeiten scheinen vergessen: In einem schwachen Luxusmarkt seht Prada aktuell stark da. Jahreszahlen legt die Gruppe erst am Dienstag vor. Bekannt sind aber schon die Halbjahreszahlen 2024: Die Kernmarke Prada wuchs im Einzelhandel um sechs Prozent, die Zweitmarke Miu Miu sogar um 93 Prozent.
Sie ist nach dem Spitznamen von Miuccia Prada benannt und etwas preisgünstigster positioniert als Prada – und daher beliebt bei jüngeren Kundinnen. Operativ (gemessen an der Kennzahl Ebit) verdiente der Konzern im Halbjahr 575 Millionen Euro – eine Marge von stolzen 22,6 Prozent. 265 Millionen Euro lagerten als Geldreserve in der Bilanz, also rund ein Viertel des nun kolportierten Kaufpreises für Versace.
Die laut-bunte Marke Versace ist nicht nur bei der modischen Aussage ein Gegenstück zur elegant-dezenteren Prada-Linie, sondern auch beim aktuellen wirtschaftlichen Erfolg. Capri-Chef John Idol äußerte sich zum dritten Quartal recht unverblümt: „Wir waren sehr enttäuscht über die Ergebnisse.“
Versace soll erst ab 2026 keine Verluste mehr machen
Versace, neben Kors und der Schuhmarke Jimmy Choo ein Schwergewicht im Portfolio, drückte besonders auf die Laune des Managers. Der Quartalsumsatz sank um 15 Prozent auf 193 Millionen Dollar, der Verlust stieg auf 21 Millionen Dollar. Je umgesetztem Dollar verlor die Marke operativ fast elf Cent. Nach derzeitiger offizieller Planung – also ohne den Verkauf – soll Versace erst 2026 keinen operativen Verlust mehr schreiben, sondern ungefähr bei null herauskommen.
Kein Wunder also, dass Capri den Verlustbringer Versace verkaufen will. Denn Plan A ist gescheitert: Eigentlich wollte die Holding Capri mit der New Yorker Modeholding Tapestry, zu der unter anderem die Marke Coach gehört, zusammengehen. Doch das stieß auf rechtliche Hürden. Dadurch geriet Capri unter Druck: Das Kreditrating der Gruppe steht seit Februar im Ramschbereich – es wird also schwierig, frische Kredite zu bekommen.
Analysten trauen Prada zu, Versace wieder flottzumachen. „Prada wäre gut positioniert, um das Markenpotenzial von Versace langfristig auszuschöpfen und damit den Weg für die Gruppe zu ebnen, Italiens Antwort auf die französischen Luxuskonglomerate zu werden“, urteilte etwa die UBS-Analystin Susy Tibaldi. Entsprechend stieg die Prada-Aktie am Montag in Hongkong um gut vier Prozent.
Dabei helfe die gegensätzliche modische Aussage der Kollektionen: beide Marken erreichen unterschiedliche Kundengruppen. Ähnlich ist hingegen die personelle kreative Aufstellung: Das Gegenstück zu Miuccia Prada ist als Designerin Donatella Versace.
Das Unternehmen Prada wäre allerdings auch nach dem Zukauf noch deutlich kleiner als etwa LVMH – nach Börsenwert etwa um den Faktor 16. Allerdings wäre der inner-italienische Deal, so er den zustande kommt, ein Signal dafür, dass der Ausverkauf der italienischen Marken an ausländische Konzerne vorerst gestoppt ist. So hatte LVMH erst im vergangenen Jahr die Kontrolle über Moncler gewonnen.
Christoph Kapalschinski ist Wirtschaftsredakteur und berichtet unter anderem über die Mode-Industrie.
Source: welt.de