Der Regenwald, unendliche Weiten – Baumfrösche pfeifen „Star Trek“-Sound – WELT

Auf Madagaskar sind neue Froscharten entdeckt worden. Weil ihre Paarungsrufe die Forscher an den Sound der Serie „Star Trek“ erinnert haben, tragen die Tiere jetzt berühmte Namen. Und zwar von Science-Fiction-Charakteren wie Archer, Picard – und natürlich Kirk.

Keine drei Zentimeter groß, nicht besonders bunt – Baumfrösche der Gattung Boophis machen trotzdem viel her: akustisch. Werben fortpflanzungswillige Männchen um die Aufmerksamkeit der Weibchen, quaken sie nicht, sondern pfeifen, „fast hysterisch und hochfrequent“. Wie nicht von dieser Welt, so beschreiben es jedenfalls die Kenner.

Des Nachts im Regenwald von Madagaskar fühlte sich eine internationale Forschungsgruppe gar an den Sound der Serie „Star Trek“ erinnert. Wie das Team um Miguel Vences von der Technischen Universität Braunschweig und Mark Scherz von der Universität Kopenhagen jetzt im Fachjournal „Vertebrate Zoology“ berichtet, wurden sieben neu definierte Arten deshalb entsprechend benannt.

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Die Madagaskarfrösche aus der Familie der Mantellidae tragen fortan die Namen der fiktiven Captains Kirk, Picard, Sisko, Janeway, Archer, Burnham und Pike, in der jeweiligen Fachbezeichnung latinisiert. Aus Kirk wird beispielsweise Boophis kirki; Frösche dieser Art sind in südlicher gelegenen Waldgebieten auf Madagaskar verbreitet als die der anderen sieben Spezies.

Mit der Neudefinition bringen die Forscher nun taxonomisch Ordnung in das zuvor undurchschaubare Reich dieser kleinen, nachtaktiven Frösche, die auf Bäumen und meist in der Nähe von Bächen und Flüssen leben. Gut 80 Arten der Gattung Boophis waren bisher beschrieben, nun kommen weitere hinzu, weil sich eine als ein Komplex aus mehreren entpuppte.

„Aus einer bekannten Art – Boophis marojezensis – wurden durch unsere genaueren Untersuchungen acht“, erklärt Vences, der eine Professur für Zoologie und Evolutionsbiologie innehat. Optisch oder morphologisch würden sich die Arten stark ähneln. „Auch ich kann sie kaum unterscheiden“, sagt der Experte. Aber ihre Lockrufe zur Paarung seien eben sehr spezifisch.

Diese deutlich hörbaren Unterschiede ließen sich mithilfe von DNA-Analysen tatsächlich genetisch bestätigen. Und im jetzt neu erstellten Stammbaum zweigt Boophis kirki vergleichsweise früh von der Hauptlinie ab, während Boophis picardi wiederum eine jüngere Entwicklung zu sein scheint. Diese beiden Arten sind geografische Nachbarn, aber offenbar nicht näher verwandt: B. picardi ähnelt genetisch am ehesten B. marojezensis, eine Art, die heute in nördlicheren Waldgebieten vorkommt.

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Welche Mechanismen einst dazu geführt haben, dass sich diese acht Arten bildeten, ihre Abstammungslinien trennten, ist nicht völlig klar: „Es war wahrscheinlich ein sich selbst verstärkender Prozess“, sagt Vences und schildert ein mögliches Szenario: Auf verschiedenen Bergen könnten manche Gruppen eine Weile isoliert gewesen sein, fingen dann etwas anders an zu rufen – und verstanden sich nicht mehr so richtig, als sie wieder in Kontakt kamen. „Dann verstärken sich die Rufunterschiede. Die bioakustischen Unterschiede haben sicherlich eine Rolle bei der Artbildung gespielt“, sagt der Evolutionsbiologe Vences.

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Die Studie, die das Team jetzt aktuell veröffentlicht, beruht auf Daten, die über mehrere Jahre hinweg in der Paarungszeit gesammelt wurden. Biodiversitätsforschung sei ein langwieriger Prozess, man könne nicht einfach sofort Namen verteilen, wenn man etwas entdeckt, sondern müsse alles voneinander abgrenzen, erklärt Vences und fügt lachend hinzu: „Man findet diese Baumfrösche außerdem schlecht.“

So aufregend es klingt, in den madagassischen Regenwälder zu forschen, die Insel liegt rund 420 Kilometer vor der Ostküste von Mosambik im Indischen Ozean, so sind die Exkursionen zur Regenzeit. „Stellen Sie sich vor, da kommt so ein seltsamer Ton, ein Pfeifen von irgendwoher, von weit oben in den Bäumen. Es ist Nacht, Sie müssen bei Regen die Bäume hochklettern, um den einen bestimmten Frosch zu finden und einzusammeln, dann wieder herunterklettern“, beschreibt Vences das übliche Prozedere. Noch dazu sind eben nicht nur Amphibien unterwegs, sondern eben auch lästige Mücken und Blutegel.

Oft müsse man geduldig warten, die Taschenlampe wieder und wieder ausschalten, bis der Ruf erneut zu hören ist, sagt Vences. Und man sehe vielleicht ein Tier auf einem Blatt sitzen, auf der Unterseite versteckt sich womöglich ein anderes oder hockt auf dem Nebenblatt: Von welchem aber stammt der Ruf? „Sie müssen sehen, dass sich die Kehlblase bewegt, um wirklich sicher sein zu können“, betont der Zoologe.

Große Augen kennzeichnen die niedlichen Baumfrösche, aber ihre Laute machen sie zu etwas Besonderem. In Kürze wird Miguel Vences wieder nach Madagaskar reisen – und die dortigen Kooperationspartner treffen. „Unsere madagassischen Kolleginnen sind übrigens hervorragend darin, diese Baumfrösche aufzuspüren.“

Und falls weitere Arten zu definieren wären, besteht vorerst kein Mangel an Namen: Im „Star Trek“-Universum tummeln sich noch so einige berühmte Figuren, Captain der Sternenflotte oder nicht, deren Namen sich dann heranziehen ließen.

Als Ressortleiterin ist Sonja Kastilan dem „Wissen“ verschrieben – und verfolgt Themen aus Medizin und Lebenswissenschaften: von Aids über Evolutionsbiologie und Genanalysen hin zu Stammzellen und Zika.

Source: welt.de

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