Fast ohne Vibrationen verringert der Lastwagen auf der Ausfahrt der Autobahn 81 seine Geschwindigkeit. Tobias Hartmann biegt auf die Straße nach Möckmühl ein und beschleunigt ebenso geräuschlos. In der Fahrerkabine übertönt das Klingeln des Handys das Brummen des Motors. „Das nervige Gerüttel, das Diesellastwagen haben, gibt es hier nicht“, sagt der Transportexperte von Kaufland über den elektrischen Actros 300 von Daimler Truck , während in der Ferne graue Hallen auftauchen. Das Verteilzentrum von Europas größtem Handelskonzern im Norden Baden-Württembergs.
Die Zugmaschine mit dem grünen Anhänger transportiert regelmäßig Obst und Gemüse, Tiefkühlkost, Milch, Joghurt, Haferflocken aus dem Lager in dem kleinen Städtchen nahe Heilbronn in zehn Kaufland-Filialen in und um Ludwigsburg. Acht solche Gespanne hat das Unternehmen in einem Testprojekt seit Dezember im Einsatz, um auszuprobieren, wie sich die Kohlendioxidemissionen bei der Belieferung von Filialen verringern lassen. In diesen Tagen hat Kaufland eine erste Bilanz gezogen. „Wir zeigen, dass die Elektromobilität für diesen Anwendungsfall funktioniert“, sagt Alexander Frohmann, Geschäftsführer Transportlogistik bei Kaufland. „Die hohe Zuverlässigkeit hat uns überrascht.“
Kaufland investiert in eigenen Ladepark
Die Strecken mit Hin- und Rückfahrt haben eine Länge von rund 150 Kilometern, die Lastwagen verkehren auf festen Routen, die Topographie ist bekannt und das Verkehrsaufkommen gut planbar – alles Faktoren, die den Einsatz von elektrischen Fahrzeugen nach Angaben von Frohmann begünstigen. Aufgeladen werden die Zugmaschinen in einem Ladepark mit acht Säulen, den Kaufland direkt neben das Verteilzentrum gebaut hat. Die Kosten belaufen sich auf einen kleineren einstelligen Millionenbetrag.
Die Ladesäulen haben eine Leistung von 150 Kilowatt, wenn alle acht Lastwagen an ihrer Säule stehen und gleichzeitig Strom ziehen, dauert es eine Stunde, bis alle Fahrzeuge mit einer Gesamtreichweite von bis zu 250 Kilometern ihre Batterien von 20 auf 80 Prozent geladen haben. Das schwedische Unternehmen Einride stellt die durch das sogenannte KSNI-Programm geförderten Trucks, die die im baden-württembergische Ort Bad Wimpfen ansässige Spedition Adam Serr gemietet hat und für die Touren nutzt. „Der Spediteur bekommt von uns Transportaufträge, und wir bezahlen ihn mit dem Tourpreis“, erläutert Frohmann. Verrechnet wird ein fester Satz für den bezogenen Strom.
„Als Handelsunternehmen tragen wir die Verantwortung, gegen die Emissionen des Verkehrssektors vorzugehen, die zu einem Drittel von Lastwagen verursacht werden“, beschreibt Frohmann die Motive des Projekts. „Für die Filialbelieferung bietet uns die Elektromobilität eine sehr gute Möglichkeit, das zu tun.“ Mit den hehren Zielen wirbt das Unternehmen auch sehr offensiv. „Kauflands coolster Klimaschützer“ steht in großen Buchstaben auf dem Anhänger.
Elektromobilität muss sich rechnen
Klar ist aber auch, dass der Handelskonzern allein aus Idealismus diesen Schritt nicht gegangen wäre. Lastwagen sind Investitionsgüter, die sich rechnen müssen. Und das sei bei der Filialauslieferung der Fall. „Schon heute sind wir mit den elektrischen Lastwagen günstiger unterwegs als mit Dieselfahrzeugen“, sagt Frohmann. Den genauen Kostenunterschied nennt der Manager genauso wenig wie den genauen Strompreis für die Fahrzeuge. „Aber nach etwa drei Jahren werden sich die Ausgaben für den Ladepark amortisiert haben“, erklärt Frohmann. Immer vorausgesetzt, dass „wir die logistische Arbeit“ machen, um den Wirkungsgrad der Lastwagen zu maximieren. Der Transportlogistiker meint damit eine sorgfältige Tourenplanung, vorausschauendes Laden und ein Vermeiden von Leerfahrten. Bei einer Hausmesse vor wenigen Tagen hat Kaufland seine Spediteure eingeladen, um sie mit Herstellern von elektrischen Lastwagen zusammenzubringen und so Vorbehalte gegen die Elektromobilität in der Transportwirtschaft abzubauen.
Perspektivisch will Kaufland die Nutzung von elektrischen Lastwagen für die Filialbelieferung auf weitere Standorte und auf längere Strecken ausweiten. In der Regel stellen die Verteilzentren Lebensmittel für 150 bis 180 Filialen bereit, die im Durchschnitt 150 Kilometer von den Lagern entfernt sind. „Bis 2030 wird der elektrische Lastwagen in sehr viel mehr Anwendungsfällen die günstigere Alternative sein – und darauf stellen wir uns ein“, sagt Frohmann. Der Grund liegt nicht zuletzt im absehbar steigenden Preis für Kohlendioxidemissionen. „Noch sind die Kostensteigerungen beim Diesel nicht absehbar, aber über den Zertifikatehandel rechnen wir mit überproportionalen Preissteigerungen spätestens von 2026 an.“
Bei aller Begeisterung über den Erfolg auf den Fahrten zwischen dem beschaulichen Möckmühl und Ludwigsburg: Auch Alexander Frohmann ist klar, dass die Gemüse- und Milchauslieferungen auf kurzen Strecken nicht das Problem der Schwerlastemissionen lösen. „Wir wollen jetzt auf Basis der Erfahrungen, die wir gesammelt haben, weitere Anwendungsfälle finden. Das gelingt uns aber nicht allein“, sagt Frohmann. „Das müssen wir gemeinsam machen mit Herstellern, Netzbetreibern und Spediteuren.“ Und mit der Politik, da mahnt der Kaufland-Manager mehr Engagement an. „Wir brauchen mehr Commitment, mehr Klarheit – da kommt insbesondere in Bezug auf die Ladeinfrastruktur zu wenig.“ Vor allem wenn man das Ziel hat, den gesamten Schwerlastverkehr emissionsfrei zu machen, denn dann sind entlang der großen Verkehrsachsen Ladepunkte notwendig.
„Der Massenmarkt wird sich erst bewegen, wenn eine ausreichende Ladeinfrastruktur zur Verfügung steht“, sagte Daimler-Truck-Chef Martin Daum vor wenigen Wochen. Ende des Jahres beginnt dort die Serienproduktion des Actros 600, der mit einer Batterieladung 500 Kilometer weit fahren kann. Dass die Elektromobilität aber im überschaubaren Auslieferungsverkehr angekommen ist, wundert den weltgrößten Hersteller von Lastwagen nicht. Der elektrische Actros 300 ist seit Ende 2021 in der Serie. Auch die Drogeriekette dm und der Lebensmittelhändler Rewe setzen elektrische Lastwagen für die Versorgung ihrer Filialen ein. Nun zieht Kaufland nach.
Das Projekt von Möckmühl hat aber nicht nur bei dem Handelskonzern für Veränderungen gesorgt, sondern auch bei der von Kaufland beauftragten Spedition. „Wir werden in diesem Jahr an unserem Heimatstandort eine Ladeinfrastruktur aufbauen, und vom nächsten Jahr an sind auch bei uns fünf elektrische Lastwagen unterwegs“, sagt Albert Bolinth, Prokurist bei dem auf Lebensmitteltransporte spezialisierten Unternehmen Adam Serr. „Unsere Kunden zeigen großes Interesse.“ Allerdings werden die Fahrer nächstes Jahr nicht auf Fahrzeugen von Daimler Truck unterwegs sein. Die Spedition hat sich für Fahrzeuge vom Wettbewerber DAF entschieden.