Donald Trumps Wahlsieg scheint sicher. Damit bekommt Deutschlands wichtigster Handelspartner einen Präsidenten, der sämtliche Einfuhren mit einem Zoll von 10 oder sogar 20 Prozent belegen will, einen fiskalpolitisch riskanten Kurs mit möglichen Auswirkungen auf den Rest der Welt verfolgt und mehr Einsatz der Nato-Partner verlangt. Moritz Schularick vom Kieler Institut für Weltwirtschaft spricht vom „ökonomisch schwierigsten Moment in der Geschichte der Bundesrepublik, weil zur inneren Strukturkrise nun massive außenwirtschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderungen auf uns zukommen, auf die wir nicht vorbereitet sind.“
Deutschland setzte im vergangenen Jahr Güter und Dienste im Wert von 200 Milliarden Euro in den Vereinigten Staaten ab. Rund sieben Prozent der deutschen Wertschöpfung geht in die USA. Der angedrohte Einfuhrzoll würde die deutschen Güter im Vergleich zu den amerikanischen deutlich verteuern und damit vor allem Industrieunternehmen der Auto-, Chemie- und Maschinenbau-Industrie schaden, die sich von den jüngsten Energie- und Pandemiekrisen noch nicht erholt haben.
Indirekte Auswirkung hätte auch der Zoll in Höhe von 60 Prozent, den Trump für Importe aus China angedroht hat. Denn die deutsche Wirtschaft exportiert zahlreiche Vorprodukte nach China, die dann nach Weiterverarbeitung in die USA gehen. Mit der Handelsbarriere für Lieferungen aus China schrumpfen auch die Absatzchancen der deutschen Industrie.
„Viele deutsche Unternehmen dürften über eine Verlagerung ihrer Produktion in die USA nachdenken“
Gewöhnlich kann ein Teil der Verluste im Handel durch Umlenkung ausgeglichen werden. Die Hoffnungen ruhen auf Kanada und Mexiko, die mit den USA durch ein Freihandelsabkommen verbunden sind. Doch dieses Abkommen hat die ungewöhnliche Klausel, dass es 2026 überprüft wird und komplett außer Kraft gesetzt werden kann, wenn einer der drei Partner mit den Vertragsbedingungen nicht länger einverstanden ist. Trump weckte e in jüngsten Kundgebungen Zweifel am Fortbestand des Paktes.
Eine mögliche Folge: „Viele deutsche Unternehmen dürften über eine Verlagerung ihrer Produktion in die USA nachdenken: Um die Zölle zu umgehen und um die üppigen Subventionen abzugreifen“, glaubt Ökonom Jens Südekum. Trump wolle genau das: Autos für den amerikanischen Markt sollen in Amerika produziert werden und dort Jobs schaffen. „Die deutsche Autoindustrie wird diesem Ruf folgen“, sagt der Düsseldorfer Ökonom.
Die EU ist allerdings nicht wehrlos. Sie könnte versuchen, den Handelsbilanz-Überschuss zu reduzieren durch Käufe von Flüssiggas, Agrarprodukten oder Militärgütern. Das Handelsbilanzdefizit der USA mit der EU und speziell mit Deutschland ist eine Obsession Trumps. Aber auch seine wichtigsten Wirtschaftsberater drängen auf eine ausgewogenere Handelsbilanz. Die EU könnte ferner selbst Zölle reduzieren, die leicht höher sind als die unter Trump durchschnittlich auf 2,8 Prozent gestiegenen Einfuhrzölle der USA.
Schließlich könnte sie androhen, wie sie bereits lancierte, mit drakonischen Zöllen die US-Einfuhren zu verteuern und die Maßnahmen des alten, neuen Präsidenten zu kontern. Allerdings ist Europa als Absatzmarkt für die USA deutlich weniger wichtig als die USA als Absatzmarkt für Europa. Das schwächt Brüssels Verhandlungsposition.
Es drohen weitere Probleme. Die EU und die USA hatten es nicht vermocht, noch unter Präsident Joe Biden den Handelsstreit über die Zölle auf Stahl und Aluminium beizulegen, die von Trump verhängt worden waren. Er war lediglich auf Eis gelegt werden und muss nun aus europäischer Sicht mit einem Verhandlungspartner geregelt werden, der dem transatlantischen Bündnis weniger Bedeutung beimisst. Auch der seit Jahrzehnten schwelende Streit um die Airbus-Subventionen ist noch nicht geklärt.
„Wir sind in einer neuen Welt“
Trump wird von den Europäern und von Deutschland verlangen, die Verteidigungsausgaben deutlich aufzustocken und die Verantwortung für die Unterstützung der Ukraine zu übernehmen. Sicherheitsexperten beider US-Parteien kommen zu der Einschätzung, dass speziell die deutsche Zeitenwende, mit der Bundeskanzler Olaf Scholz die Stärkung des Militärs ankündigte, gescheitert ist. Ökonom Schularick kommentiert, es sei „unglaublich kurzsichtig und unverantwortlich, unsere Sicherheit von ein paar 1000 Swing Wählern in den USA abhängig zu machen. Das rächt sich jetzt“.
Er forderte, dass Deutschland kurzfristig massiv in Verteidigungskapazitäten investieren und dafür die Schuldenbremse aussetzen müsse. „Natürlich werden die Demokratie-Feinde in Europa sich den Erfolg von Trump genau angucken und ihre Anstrengungen verdoppeln“, warnt Schularick weiter: „Wenn die Trump Handelspolitik so kommt, wie er das angekündigt hat, ist das ein schwererer Schlag für die deutsche Exportwirtschaft, aber nur ein Teil der Herausforderungen. Wir sind in ein neuen Welt.“
Risiken kommen überdies auf den Rest der Welt zu, wenn Trump seine Steuerversprechen umsetzt. Das würde das Haushaltsdefizit noch einmal deutlich ansteigen lassen und die Gefahr von Finanzmarktturbulenzen vergrößern, die auf andere Länder ausstrahlen könnten.