Der E-Scooter befreit Frauen und Männer aus welcher gesellschaftlichen Unterdrückung

Jeder kennt die lieblos umgeworfenen E-Scooter, über die man oft mitten auf dem Gehweg steigen muss. In einem sind sich viele einig: Die Dinger nerven! Oder haben sie doch ihre Berechtigung?


Die Freiheit auf zwei akkubetriebenen Rollen

Foto: Jochen Tack/Imago Images


Ich oute mich hier einmal: Ich bin E-Scooter-Fahrerin. Genau, die Dinger, die aussehen wie Kinderroller mit Motor. Die in Großstädten immer mitten auf dem Bürgersteig stehen! Die in Flüssen landen! Die das Stadtbild abscheulich machen! Deren Batterien Ü-B-E-R-H-A-U-P-T nicht nachhaltig sind! Ja, die Roller, die 30-Jährige zu motzenden Boomern werden lassen. Ich verstehe ja, man kann sich über die E-Scooter tierisch aufregen, und wahrscheinlich haben die meisten Vorwürfe ihre Berechtigung.

Und ich gebe es zu, nichts, wirklich absolut nichts am Rollerfahren ist cool. Das beginnt schon, wenn man den E-Scooter auf der Karte und über das Läuten seiner Klingel sucht und wie bei einer auditiven Runde Topfschlagen von der einen Straßenseite zur anderen rennt – und wieder zurück. Es wird nicht besser, wenn man danach auf dem Roller steht und losfährt. Dann nämlich fühlt man sich wie auf einem Podest, das einen durch die ganze Stadt schweben lässt und förmlich schreit: Schaut mich an, ich bin einer dieser Idioten, der die Teile fährt! Ja, mir ist mein E-Scooterfahren peinlich.

Und trotzdem fahre ich nicht nur E-Scooter, ich lehne mich hier einmal so weit aus dem Fenster und behaupte: Der E-Scooter befreit Frauen und Männer aus ihrer gesellschaftlichen Unterdrückung! (Zumindest ein bisschen.) Bevor Sie nun aufhören zu lesen, lassen Sie mich das erklären.

Ich für meinen Fall habe abends alleine auf der Straße oft Angst. (Treue Kolumnenleser*innen wissen das bereits.) Was sie aber nicht wissen, ich fahre nachts meistens mit dem Taxi nach Hause. Auf die Dauer kann ich mir das jedoch nicht leisten. Deswegen blieb ich früher regelmäßig lieber gleich zu Hause auf der Couch. Zu groß die Angst, zu klein der Geldbeutel. Jetzt fahre ich E-Scooter. Ich will nicht sagen, dass E-Scooter günstig sind, aber ich kann sie mir eher leisten.

Sicherheit im Dunkeln

Im Dunkeln auf dem Scooter mag ich nicht besonders schnell sein und dennoch fühle ich mich sicherer. Im Dunkeln ist der E-Scooter kein Podest der Scham, sondern ein fliegender Thron, der mich mutiger macht. Und ist das nicht auch eine kleine Befreiung? Für mich bedeutet der E-Scooter: kleine Num-mer auf der Anzeige (20 km/h), große Befreiung für meine Abendgestaltung.

Als ich am Wochenende vom Balkon aus auf die Straße blickte, erkannte ich: Der E-Scooter ist auch für junge Männer ein Werkzeug der Befreiung. Schließlich hörte ich in meiner Jugend noch, dass Jungs ab einem bestimmten Alter lernen, dass sie sich gegenseitig keine körperliche Zuneigung mehr schenken können, ohne gesellschaftliche Sanktionen fürchten zu müssen.

Damals hieß es: Deswegen rangeln Jungs. Manch einer ging so weit und erklärte selbst die Schlägereien unter Hooligans in Fußballstadien mit dieser Theorie. Man mag diesen Ansatz für Humbug halten. Wer sich auf Berliner Straßen umsieht, scheint sich darüber aber sowieso keinen Kopf mehr zerbrechen zu müssen.

Von meinem Balkon aus sah ich nämlich das: zwei Jungs, die auf einem E-Scooter die Straße runterfuhren. Der eine hielt den Lenker, der andere seine Hände eng umschlungen um die Taille seines Freundes, ihre Körper stützend aneinandergepresst. Das Bild erzählte: „Ich vertraue dir und das zeige ich allen. Hier auf diesem Podest, das uns durch die Hauptstadt schweben lässt.“ Mir wurde klar: Der E-Scooter gibt nicht nur Frauen wie mir Sicherheit, nein, er ist auch die Kuscheloase des jungen Mannes. Und damit eigentlich doch ziemlich cool!

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