Die Verhandlungen um eine Waffenruhe in Nahost könnten nach der Tötung von Hamas-Chef Jahja Sinwar im Gazastreifen doch noch neuen Schwung bekommen. Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad, David Barnea, reist am Sonntag nach Katar, um Gespräche über eine Freilassung von Geiseln in der Gewalt der Hamas zu führen.
Bei dem Treffen mit CIA-Chef William Burns sowie Katars Ministerpräsidenten Mohammed bin Abdulrahman Al Thani solle es um Möglichkeiten gehen, die Verhandlungen „vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen“ wieder in Gang zu bringen, teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit.
Der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira News berichtete unterdessen, dass hochrangige Delegationen der Hamas und Ägyptens zu Gesprächen in Kairo zusammen gekommen seien. Dabei sei die aktuelle Lage in Gaza besprochen worden und wie sich aktuelle Hindernisse zu einer Waffenruhe überwinden ließen.
In dem kommenden Tagen werden sich nach Angaben von US-Außenminister Antony Blinken auch die Verhandler zwischen Israel und der Hamas – also die USA, Katar und Ägypten – erneut treffen. Der Tod Sinwars erzeuge „vielleicht eine Gelegenheit, um tatsächlich voranzukommen und eine Einigung zu beschließen“, sagte Blinken.
Bei den Gesprächen hat es seit Monaten keine Fortschritte gegeben. Israel hoffte, nach der Tötung von Sinwar könnte sich dies ändern. Die Hamas beharrt aber vorerst auf ihren bisherigen Positionen, darunter die Forderung nach einem vollständigen Abzug israelischer Truppen aus dem Gazastreifen und ein Ende des Krieges.
Israels Generalstabschef: Befehlskette der Hisbollah zerschlagen
Mehr als drei Wochen nach Beginn der Bodenoffensive im Libanon haben die israelischen Streitkräfte die Schiiten-Miliz Hisbollah nach eigener Einschätzung empfindlich geschwächt. „Wir haben die Befehlskette der Hisbollah gründlich zerschlagen“, sagte Generalstabschef Herzi Halevi nach Militärangaben bei einer Lagebesprechung. Nun bestehe die Möglichkeit, dass die Kampfhandlungen beendet werden könnten.
Iran bereitet sich auf israelischen Vergeltungsschlag vor
Wegen des befürchteten israelischen Vergeltungsschlags arbeitet das iranische Militär einem Medienbericht zufolge bereits mehrere mögliche Reaktions-Szenarien aus – darunter auch ein Ende der Gewalt-Spirale. Zwar werde die Reaktion heftig ausfallen, sollten die israelischen Streitkräfte den Iran massiv angreifen und beispielsweise auch die Öl- und Nuklearanlagen des Landes ins Visier nehmen, berichtete die „New York Times“ unter Berufung auf vier iranische Beamte, darunter zwei Mitglieder der Revolutionsgarden. In einem solchen Fall könne der Iran bis zu 1000 ballistische Raketen auf Israel abfeuern, die Angriffe verbündeter Milizen in der Region ausweiten und den Schiffsverkehr im Persischen Golf und der Straße von Hormus stören.
Sollte Israel allerdings nur begrenzte Angriffe auf wenige Militäreinrichtungen und Waffenlager fliegen, würde der Iran möglicherweise auf eine Reaktion verzichten, hieß es. Das könnte ein Signal an Israel sein, wie eine Eskalation gesichtswahrend vermieden werden kann.
Libanon meldet weitere Opfer nach israelischen Angriffen
Zunächst aber gehen die Kämpfe im Libanon weiter – mit Toten auf beiden Seiten. So gab es bei israelischen Angriffen nach Behördenangaben erneut zahlreiche Opfer. Im Nordosten des Landes wurden dabei mindestens zwölf Menschen getötet und 53 verletzt, wie das libanesische Gesundheitsministerium mitteilte. Unter den Todesopfern waren demnach auch drei Minderjährige.
Bei einem weiteren Angriff auf Madschdel Sun im Süden Landes nahe der israelischen Grenze seien zwei Menschen getötet und fünf weitere verletzt worden. Zwei weitere Menschen seien bei einem Angriff auf ein Auto in Kahale östlich der Hauptstadt Beirut getötet worden. Dabei seien auch zwei weitere Personen verwundet worden.
Fünf israelische Soldaten bei Kämpfen im Libanon getötet
Fünf israelische Soldaten wurden nach Militärangaben bei Kämpfen im Süden des Libanons getötet. Bei einem Vorfall seien vier Reservisten im Alter von 22 bis 42 Jahren getötet worden, hieß es in einer Mitteilung der israelischen Armee.
Israelische Medien berichteten, die vier Männer seien am Mittwoch in ein südlibanesisches Dorf eingedrungen und dabei von Kämpfern der Hisbollah-Miliz überrascht worden. Die proiranischen Kämpfer seien aus einem Schacht gekommen und hätten Handgranaten auf die Truppen geworfen. Bei einem weiteren Vorfall sei der 23-jährige Kommandeur einer Hunde-Staffel getötet worden.
Europa erhöht den Druck auf Israel
Der Präsident des Europäischen Rates erwartet angesichts der Kritik an Israels Kriegsführung im Nahen Osten eine schwierige Debatte über mögliche Einschränkungen der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Land. Mehrere Staats- und Regierungschefs hätten beim EU-Gipfel in der vorigen Woche das bestehende Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und Israel angesprochen, sagte Charles Michel dem Nachrichtenagenturnetzwerk European Newsroom (enr). Früher oder später werde dies ein ernsteres Thema werden. Schon jetzt gebe es auf Ebene der Außenminister Gespräche zum Assoziierungsabkommen, sagte der frühere belgische Regierungschef.
Ein Aussetzen des Abkommens könnte weitreichende Auswirkungen haben, da es Rechtsgrundlage für die Handelsbeziehungen zwischen der EU und Israel ist. In dem Vertrag geht es unter anderem um die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Bereichen wie Industrie, Energie, Verkehr und Tourismus. Zudem sieht er regelmäßige politische Konsultationen vor.
Spanien und Irland hatten bereits vor Monaten gefordert, das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel zu überprüfen. Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell könnte die EU-Kommission ein Aussetzen des Abkommens vorschlagen, falls Israel sich nicht an Grundprinzipien wie die Menschenrechte halten sollte.
Michel erklärte dazu, wenn die EU eine Doppelmoral an den Tag lege und Israel bevorzuge, werde sie ihre Autorität und Glaubwürdigkeit verlieren. Dabei sagte er, dass es unter den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat derzeit manchmal schwierige Debatten gebe, weil nicht alle Mitgliedstaaten genau die gleiche Einschätzung darüber hätten, was im Einklang mit dem Völkerrecht steht und was nicht.
Source: welt.de