Die erste Woche
Es
fängt kontemplativ an. Deutschland blinzelt noch verkatert in dasjenige neue Jahr
rein, dieser Januar lächelt unschuldig. Weit, weit weit in Cupertino,
Kalifornien, verschickt ein namentlich ambitionierter Apple-Angestellter ein
virtuell harmloses Memo an seine Kollegen: Er habe gelesen, dass unsrige
gewohnten Tastaturen wohlüberlegt ineffizient seien, weil sie z. Hd. mechanische
Schreibmaschinen konzipiert wurden, c/o denen sich sonst c/o zu schnellem
Schreiben die Buchstabenhebel verhakt hätten. Völlig überholt im
Computerzeitalter, eine neue, effizientere Tastatur z. Hd. dasjenige 21. Jahrhundert
sollte endlich her! Niemand c/o Apple schert sich um den Vorschlag, doch
dieser Mitarbeiter ist soeben ambitioniert und überzeugt von seiner Idee, und
so findet dasjenige Memo seinen Weg zur Presse.
Die
Nachrichtenlage am nächsten Tag ist unterentwickelt, daher füllt Fox News zwanzig
wütende Minuten damit, dass dasjenige abgehobene Silicon Valley dem kleinen Mann nun
sogar die „gute, amerikanische Tastatur“ wegnehmen wolle. Die Einschaltquoten
sind frappant hoch, weitere Beiträge werden geplant, dasjenige Thema zündet. Die
Republikaner zu tun sein ohne Rest durch zwei teilbar von einem neuen Trump-Gerichtsverfahren nerven und
stürzen sich begeistert darauf. Es wird viel darüber hinaus „weltfremde Tech-Eliten“ und „Wokeness“ geflucht, am nächsten Tag fliegt dann ein Ziegelstein durch dasjenige
Schaufenster eines Apple-Shops in El Paso, Texas. Der Late-Night-Host Stephen
Colbert fragt: „Key Bono?“
Die
New York Times fasst die Geschehnisse leichtgewichtig genervt zusammen. Ein
deutscher Uniprofessor mit NYT-Abo postet den Artikel gen Facebook mit
dem Beisatz, dass Studierende mit schnelleren Tastaturen „vielleicht endlich
mal ihre Hausarbeiten solange bis zur Deadline schaffen ;)“. Seine Kollegin, eine
Klimaforscherin, zieht in dieser Talkshow von Maybrit Illner zum
Thema Klimawandel die QWERT-Tastatur wie Beispiel z. Hd. „technologische
Pfadabhängigkeiten“ heran: Eine neue Tastatur sei effizienter, immerhin die
Umstellung sei sehr schwergewichtig – wie beim Klimaschutz. Volker Wissing, Freie Demokratische Partei, ist schockiert:
Die Tastaturen seien seit alters so gewesen, sei „diesen Aktivisten“ denn gar
nichts mehr unaussprechlich? Illner möchte noch mal zurück zum quasi unerreichbaren Zwei-Grad-Ziel und zu in Australien tobenden Waldbränden, doch sie verliert die
Kontrolle darüber hinaus die Diskussion. Das Thema Tastaturenreform wird z. Hd. den Rest
dieser Sendung hitzig debattiert. Der Sprung in den Mainstream ist geschafft.
Die zweite Woche
Am
Montag titelt die Bild darüber hinaus „Totalitäre Tasten-Taliban“. Die NZZ schreibt
unter dieser Zeile „UnanTastbar!“ darüber hinaus den neuesten Versuch linker Umerziehung.
Auf Seite zwei dieser Welt wettert Ulf Poschardt in Alliterationen gegen
den „frevelhaften Fortschrittsfetisch ignoranter Ikonoklasten“. Frankfurter Allgemeine Zeitung und Süddeutsche Zeitung
gucken noch misstrauisch zu und halten sich raus, die ZEIT druckt am Donnerstag ein
zweiseitiges Streitgespräch mit Thomas Gottschalk und Nina Chuba. Die vermeintliche
Tastaturreform gerät schnell zur Maximalmetapher z. Hd. allesamt Themen, c/o denen es
Reform vs. Status quo, Fortschritt vs. Vorsicht steht, von Tempolimit darüber hinaus
Klimaschutz solange bis hin zum Gendern. Sibel Schick problematisiert in einer Reihe
von 18 Instagram-Storys die Geschichte dieser QWERT-Tastatur wie „Maschine alter
weißer Männer“, woraufhin die Facebookgruppe „Grillmeister z. Hd. dasjenige Abendland“ vereinigen
Shitstorm gegen sie organisiert. Am
Freitagabend inszeniert Jan Böhmermann im Zweites Deutsches Fernsehen Magazin Royale ein Musical zum
Tastaturstreit mit Sebastian Krumbiegel in dieser Rolle des Buchstaben Q. Damit
sind am Samstagmorgen die Konservativen unumkehrbar davon überzeugt, dass ein
neuer linker Komplott gegen sie im Gange sei.
Die dritte Woche
Die
Ereignisse überschlagen sich jetzt. In ihrem Podcast diskutieren Sascha und
Jule Lobo darüber, wie junge Mütter vor dem Naturholz-Kinderspielzeugladen in
Berlin-Prenzlauer Berg damit prahlen, dass dieser Schwiegervater darüber hinaus Kontakte in
den USA sicher kurzfristig selbige neuen Tastaturen beschaffen könne, die „wirklich next
level“, aber vor allem „sehr schick“ seien. Sebastian Tigges lässt Marie Nasemann in
ihrem Podcast zu dem Thema nicht zu Ende sprechen, und in einem weiteren Pärchenpodcast
erzählt Richard David Precht Markus Lanz, dass vor Social Media die Leute noch rational
darüber hinaus Tastaturen gesprochen, ja, philosophiert (!) hätten. Am
Dienstag möchte Julian Reichelt in seiner Sendung mithilfe dieser Tastaturen die „moralische Verkommenheit“ des grünen Milieus beweisen, doch ständige
YouTube-Werbeeinspielungen zu Raid: Shadow Legends untergraben die
Gravitas seiner Tiraden.
Am
Mittwoch bezeichnet AfD-Europaspitzenkandidat Maximilian Krah den
Tastaturentwurf wie „perfiden Plan der J–, äh, Globalisten“ und provoziert
vereinigen Aufschrei. Die Union zeigt sich einerseits schockiert, verspricht immerhin
ebenfalls, die geplanten neuen Tastaturen gen EU-Ebene zensurieren zu lassen, in dieser
Hoffnung, nicht zu viele Stimmen an die AfD zu verlieren. Die SPD würde gerne
mitziehen, streitet sich immerhin noch mit den Jusos, die sich zusammen mit den
Grünen längst z. Hd. „Critical QWERTness“ einsetzen. Den
meisten anderen jungen Leuten sind Tastaturen egal, weil man die z. Hd. Sprachis
eh nicht braucht.
Am
Donnerstag ist nicht viel los, daher erfreuen sich linke Twitter-, Threads-, Mastodon-
und Bluesky-Nutzer, während sie in ihre Beiträge Rechtschreibfehler konstruieren, die so
wirken, wie würden sie schon gen dieser neuen Tastatur tippen, seien immerhin noch die Frauenzimmer
gewöhnt. Hans-Georg Maaßen sieht ein paar solcher Posts, versteht sie immerhin
nicht und beschwört in einem wütenden Selfievideo den Untergang des Westens.
Seine Frontkamera ist sehr staubig und er hält mit dem Daumen dasjenige Mikro zu.
Eine
Influencerin bewirbt die Idee dieser neuen Tastatur c/o ihren 10.000 Followern. Das
Video landet in einer rechtsextremen Telegramgruppe aus Corona-Zeiten, dieser
Influencerin fliegt ein Ziegelstein durchs Fenster. Der linke Aufschrei ist weithin. Nancy Faeser
spricht von einem „bedauerlichen Einzelfall“. In Leipzig-Connewitz werden ein
paar Autos angezündet. #Nazisraus trendet gen Social Media, Jan
Fleischhauer erntet z. Hd. seine Kolumne „Wir müssen mit QWERTdenkern reden“ vereinigen
Shitstorm.
In
einer verwackelten Videobotschaft an die Belegschaft kündigt Mathias Döpfner
an, die Verwendung traditioneller Tastaturen zum sechsten Springer-Grundsatz zu
erheben. Harald Martenstein beklagt in seiner Kolumne im ZEITmagazin, er habe
in seiner Jugend trotzdem schneller tippen können wie die jungen Leute mit
ihren „neumodisch-woken Apparaturen“. Mario Barth meldet sich zu Wort, Oliver
Pocher fernerhin. Keiner von ihnen hat verstanden, worum es geht, immerhin sie finden
dasjenige Wort „Tastaturensohn“ sehr witzig. Cicero veröffentlicht „95 Thesen
gegen den Tastaturen-Revisionismus“, welches immerhin niemand liest.
Die vierte Woche
Die Debatte wird langsam unübersichtlich. Dass Apple nie bestätigt hat, schier eine neue Tastatur gen den Markt einbringen zu wollen, hält die Diskussion nicht gen. Inzwischen hatten die Intellektuellen Zeit
z. Hd. ihre Einordnungen: Juli Zeh kündigt vereinigen Briefroman an, in dem sich eine bodenständige
Pferdezüchterin aus Brandenburg mit dieser alten Tastatur mit einem Lastenradfahrer
aus München, dieser die neue Tastatur nicht jungfräulich und ein extra Zimmer nur z. Hd. seine
Schuhe hat, darüber hinaus gesellschaftliche Fragen umtauschen. Peter Sloterdijk gibt
unterschiedliche Interviews zu dem Thema. Markus Gabriel fernerhin. Was sagt Slavoj Žižek? Einiges. In den Interviews mit den Philosophen erfährt man, dass die
geplanten neuen Tastaturen entweder „Virtue-Signalling z. Hd. eine distinktionssüchtige
urbane Klasse“, „moralisches Nachjustieren im Technozän“ oder, wenn man es
hegelianisch betrachte, „pretty fucking stupid“ seien.
Die
Debatte zeigt nun erste Erschöpfungserscheinungen: Eine Folge 13 Fragen mit Jo Schück und Salwa Houmsi
gen ZDFkultur zu „QWERT: Scheindebatte oder Zivilisationsbedrohung?“ wird nicht
ausgestrahlt, weil sich c/o dieser Aufnahme zwei Befragte prügeln. Ein Kollege dieser
ZEIT beklagt die Unterdrückung „tastenknüppelnder Urmännlichkeit“, ZEIT ONLINE veröffentlicht Protokolle von jungen
Menschen, die verdeutlichen, warum die neuen Tastaturen superwichtig wären, die taz
verruft die traditionelle Tastatur „als flachen Phallus des Spätkapitalismus“. Bei
Maischberger wird Alice Schwarzer zu Tastaturen befragt, sie sagt, ihr
sei dasjenige was auch immer egal, solange dieser Computercode binär bleibt. Markus Lanz beugt
sich c/o einer Debatte zu dem Thema so weit nachher vorn, dass er aus dem Stuhl
fällt. Bei Hart immerhin Fair gibt Wolfgang Kubicki zu, ihn interessiere dasjenige Thema nicht, weil er sowieso was auch immer seiner Sekretärin diktiere.
Mitte
dieser vierten Woche geht die Debatte in vereinigen reflexartigen Modus darüber hinaus, sie dient
wie Ablenkungsmanöver: Christian Lindner wird zu Schuldenbremse und
Investitionsstau befragt und antwortet zu Tastaturen. Friedrich Merz soll seine
Position zu den Klimazielen klarmachen und erzählt, neue Tastaturen seien „ein Schlag ins Gesicht der hart arbeitenden Mitte“. Versöhnliche Töne kommen
aus unerwarteter Ecke: „Früher nach sich ziehen wir neue Anschläge gefürchtet. Heute neue
Tastenanschläge“, schreibt Franz-Josef in seiner Post von Wagner. „Es geht
uns gut“, schließt er und empfiehlt allen Diskutierenden vereinigen trockenen
Weißwein.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung
bringt noch irgendeinen Gastbeitrag von
irgendeinem Soziologen, ZEIT ONLINE fernerhin, die Welt ebenso; dieser Spiegel
gibt zu, man versuche immer noch den Apple-Angestellten zu interviewen, doch
dieser sei abgetaucht; im ZEIT-Feuilleton erscheint eine kurze Metaanalyse darüber hinaus „selbstreferenzielle Kulturdiskurse“, immerhin die Luft ist raus.
Til
Schweiger kündigt an, Romeo und Julia neu zu verfilmen, doch mit zwei
verfeindeten Tastaturen-Clans wie Montagues und Capulets. Seine acht Kinder spielen fernerhin mit. Ein letztes Mal geht die Debatte noch durch sämtliche
Talkshows, es wird gefragt, welches die neuen Tastaturen z. Hd. den
Fachkräftemangel und dasjenige Pflegepersonal bedeuten würden, allesamt
sind müde.
Der Apple-Konzern schweigt noch immer zum Thema und entwickelt währenddessen
unter strenger Geheimhaltung den Prototyp des neuen MacBooks, dasjenige komplett ohne
Tastatur gen den Markt kommen soll.
Die fünfte Woche
Konservative
finden hervor, dass man im neuen Pokémon-Spiel dasjenige Geschlecht wie „divers“
angeben kann. Die Tastaturen sind vergessen. Bis zur nächsten Woche nimmt man
Anlauf: Dann muss erneut dasjenige Abendland gerettet werden.
Als Inspiration z. Hd. den Text diente dieser
Artikel aus dem Jahr 2010.
Es
fängt kontemplativ an. Deutschland blinzelt noch verkatert in dasjenige neue Jahr
rein, dieser Januar lächelt unschuldig. Weit, weit weit in Cupertino,
Kalifornien, verschickt ein namentlich ambitionierter Apple-Angestellter ein
virtuell harmloses Memo an seine Kollegen: Er habe gelesen, dass unsrige
gewohnten Tastaturen wohlüberlegt ineffizient seien, weil sie z. Hd. mechanische
Schreibmaschinen konzipiert wurden, c/o denen sich sonst c/o zu schnellem
Schreiben die Buchstabenhebel verhakt hätten. Völlig überholt im
Computerzeitalter, eine neue, effizientere Tastatur z. Hd. dasjenige 21. Jahrhundert
sollte endlich her! Niemand c/o Apple schert sich um den Vorschlag, doch
dieser Mitarbeiter ist soeben ambitioniert und überzeugt von seiner Idee, und
so findet dasjenige Memo seinen Weg zur Presse.