Debatte um Haushalt: Lindner stellt Ziele deutscher Entwicklungspolitik infrage

Im Haushaltsstreit der Ampel-Koalition hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Ausgabenpolitik von Entwicklungsministerium und Auswärtigem Amt kritisiert. „Unsere Wirtschaftskraft reicht nicht aus, um überall auf der Welt mitzumischen“, sagte Lindner den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Die Frage, die sich beide Ministerien stellen müssten, sei: „Verbessern wir mit unserem Steuergeld wirklich Lebenschancen oder dienen die Projekte deutschen Interessen?“

In der internationalen Politik müssten harte Sicherheit und die Unterstützung der Ukraine Priorität haben, betonte der Finanzminister. Dabei gehe es um Frieden und Freiheit für Deutschland. „Mit Blick auf Geld für andere Teile der Welt werden wir über Zielgenauigkeit und Umfang sprechen müssen.“ Die Häuser von Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wollen die Vorgaben des Finanzministers für den Haushalt 2025 deutlich überschreiten. Das Entwicklungsministerium etwa hat „dringend notwendige Bedarfe“ in Höhe von 12,16 Milliarden Euro angemeldet. Das geht aus einem Schreiben an die zuständigen Abgeordneten der Ampel-Fraktionen hervor, das dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt.

Die Höhe des Haushalts entspreche dem Haushaltsansatz von 2023 und liege bereits unter dem krisenbedingt erhöhten Ansatz von 2022, heißt es darin weiter. Das Finanzministerium hatte ursprünglich 9,9 Milliarden Euro für das Entwicklungsministerium vorgesehen – also rund zwei Milliarden Euro weniger als nun vom Ministerium veranschlagt.

„Kein Verständnis“

Der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki sagte, er habe „definitiv kein Verständnis“, dass Schulze mehr Geld wolle. „Im Gegenteil, im Entwicklungshilfe-Etat würde ich massiv sparen“, sagte der Bundestagsvizepräsident der „Welt am Sonntag“. Auch die Forderung von Außenministerin Baerbock, mehr Geld als geplant insbesondere für humanitäre Hilfen auszugeben, wies Kubicki zurück. Deutschland gebe „im Vergleich mit den anderen G-7-Staaten pro Kopf der Bevölkerung und gemessen am Bruttoinlandsprodukt am meisten für Entwicklungshilfe aus“, sagte Kubicki. „Wenn wir uns auf den Durchschnitt der Zahlungen der anderen G-7-Staaten begeben würden, dann können wir rund 20 Milliarden Euro an humanitärer Hilfe und Entwicklungshilfe quer über die Ressorts einsparen – ohne schlechtes Gewissen.“

Deutschland hat sich international dazu verpflichtet, 0,7 Prozent seines Bruttonationaleinkommens für die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) aufzubringen. Im vergangenen Jahr betrug die deutsche Quote nach Zahlen der OECD 0,79 Prozent. Insgesamt stellten die Geberländer rund 0,37 Prozent des Bruttonationaleinkommens bereit. In Deutschland machten allerdings die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen dem Bundesentwicklungsministerium zufolge knapp 20 Prozent der Gelder aus. Insgesamt ließ sich die Bundesregierung 33,9 Milliarden Euro als ODA-Ausgaben anrechnen.

Rund 37 Prozent dieser Mittel kamen aus dem Haushalt des Bundesentwicklungsministeriums. Auch aus den Etats des Auswärtigen Amtes (13 Prozent), des Bundeswirtschaftsministeriums (2 Prozent) und anderer Ministerien fließen Gelder in die deutsche ODA. Das Auswärtige Amt ist für die Finanzierung der humanitären Hilfe zuständig.

Nächster Konfliktherd

Streit gibt es zudem bei der Rentenpolitik. FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr hatte für ein flexibles Rentenalter geworben und war mit Äußerungen zum Arbeiten mit 72 Jahren auf Kritik gestoßen. In der „Bild am Sonntag“ formulierten am Wochenende noch einmal verschiedene FDP-Politiker ihre Forderungen: Der Rentenexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, sprach sich dafür aus, die sogenannte Rente mit 63 Jahren einzuschränken. „Sie ist sehr teuer und schadet dem Arbeitsmarkt“, sagte er. „Das muss jetzt einfließen in die parlamentarischen Beratungen zum Rentenpaket II.“ Die Rentenkosten müssten runter.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte der „Bild am Sonntag“, die Rente mit 63 entziehe dem Arbeitsmarkt wertvolle Fachkräfte. Wer länger arbeiten möchte, solle dies „unter attraktiven Bedingungen machen können“. FDP-Finanzexperte Max Mordhorst sagte: „Denkbar ist zum Beispiel, dass die Rente mit 63 künftig nur noch für Geringverdiener möglich ist.“ Mittelfristig müsse sie ganz weg.

Am Wochenende schaltetet sich Bundeskanzler Olaf Scholz in den koalitionsinternen Streit um die Rentenpolitik und den Bundeshaushalt ein. Er machte am Samstag in Potsdam klar, dass er nicht bei den Rentnerinnen und Rentnern sparen wolle. „Auf deren Kosten sollte das nicht gehen“, sagte der SPD-Politiker bei einer Talkrunde des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Scholz lehnte dabei auch den Vorsclag eines höheren Renteneintrittsalters ab und nannte diesen „absurd“. Das sei „nicht der richtige Weg, um einen Haushalt zu sanieren“, sagte Scholz. „Das würde auch gar nichts bringen.“

Rentenpaket auf dem Prüfstand

Am Dienstag war bekannt geworden, dass die Ampel-Koalition den Beschluss ihres geplanten Rentenpakets verschiebt. Mit dem eigentlich schon von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) ausgehandelten Rentenpaket soll ein Rentenniveau von 48 Prozent bis 2039 garantiert werden. Das kostet zusätzliches Geld, so dass der Beitragssatz steigen wird. Dieser Anstieg soll durch eine schuldenfinanzierte Milliardenanlage am Kapitalmarkt abgebremst werden. Aus den Erträgen sollen ab Mitte der 2030er-Jahre jährlich Zuschüsse an die Rentenversicherung gezahlt werden. Die FDP hatte die Pläne auf ihrem Parteitag Ende April klar kritisiert und weitere Reformen gefordert.

Vor diesem Hintergrund betonte Scholz: „Für mich ist ganz klar, dass eine Sache für unser Land wichtig ist, nämlich, dass wir den sozialen Zusammenhalt nicht infrage stellen.“ Der Kanzler hofft, dass der Etat 2025 bis Juli steht. „Der Haushalt wird uns jetzt beschäftigen“, sagte Scholz. „Dass Anfang Juli der Haushalt steht, das steht fest – glaube ich.“ Die Ampel-Koalition steht allerdings vor schwierigen Verhandlungen: Finanzminister Lindner hat die Ministerien zum Sparen aufgerufen, mehrere Ressorts wehren sich gegen Kürzungen. Scholz sprach von einer großen Aufgabe. Er sagte nicht, wo aus seiner Sicht gespart werden sollte. Er wies aber darauf hin: „Wir geben in jedem Fall mehr Geld aus als früher.“

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