Chinesische Produkte machen nicht nur deutsche Unternehmen nervös. Seit geraumer Zeit sorgen sie auch immer wieder für Krisenrunden im Kanzleramt – und mitunter für handfesten Koalitionsstreit. Neben möglichen Strafzöllen für chinesische E-Autos sind auch die Bauteile des chinesischen Mobilfunkherstellers Huawei heiß umstritten. Diese stecken tief im deutschen Antennennetz, und schon seit mehr als einem Jahr diskutiert die Bundesregierung, ob das so bleiben kann. In der vergangenen Woche wurde ein Ministertreffen ergebnislos vertagt. Die Debatte geht also weiter.
Je weiter man sich aus dem Berliner Regierungsviertel wegbewegt, umso nüchterner fallen die Antworten aus. Für den Politikberater Ansgar Baums dreht sich die Diskussion derzeit weniger um die Frage, wie hoch das Sicherheitsrisiko ist. Dieses hält er für überschaubar, sowohl was eine mögliche Spionage angeht als auch die Gefahr einer Sabotage durch den chinesischen Staat. In den vergangenen Jahren habe es keinen einzigen Zwischenfall mit dem chinesischen Anbieter gegeben, betont er im F.A.Z. Podcast für Deutschland. Und auch für die Zukunft zweifelt er an der Hypothese, Huawei könnte in Software-Updates Schwachstellen einbauen.
Der Fall berührt Grundsatzfragen
In der Debatte geht es seiner Ansicht nach vor allem um die politische Vertrauenswürdigkeit von Huawei. In diesem Zusammenhang stelle sich die Frage: Was bedeutet es für die Wirtschaftsordnung, wenn ein Unternehmen nicht wegen objektiver Sicherheitsmängel ausgeschlossen werde, sondern weil man die politische Zuverlässigkeit in Zweifel ziehe? Das rüttele schon an den Grundfesten unserer Wirtschaftsordnung, sagt Baums, der „Senior Fellow“ der Denkfabrik Stimson Center ist und gerade ein Buch mit dem Titel „Tech Cold War“ abgeschlossen hat: „Wir reden dann über Markt-Eintrittsbereiche, die politisch motiviert sind. Das ist das, was wir nichtliberalen Handelsnationen immer vorgeworfen haben.“
Baums rät dazu, die Debatte auf Grundlage von klaren Szenarien und Risikoabwägungen zu führen, und lobt den Bundeskanzler, der sich bisher im Zusammenhang mit einem möglichen Ausschluss zurückhaltend gibt. Baums erinnert daran, dass der kurzfristige Ausbau von Huawei-Bauteilen ein „kostenintensives Projekt“ wäre. Derzeit gehen Schätzungen von Kosten in Höhe von rund 2,5 Milliarden Euro aus.
Auch für den Staat könnte das teuer werden
Sollten die Anbieter gezwungen werden, Huawei-Technologie im bestehenden Netz auszubauen, führt dies aller Voraussicht nach zu Schadenersatzklagen gegenüber der Bundesregierung. Die Netzanbieter pochen darauf, dass der Ausbau des Mobilfunknetzes auf Basis der bestehenden gesetzlichen Regelungen geschehe, welche die Zusammenarbeit mit Huawei gestatten, solange der Anbieter die umfangreichen Sicherheitsprüfungen bestehe. Dies war bisher stets der Fall. Unabhängig davon haben sich die Telekommunikationsanbieter, die das sogenannte Kernnetz betreiben, schon vor Jahren dazu entschieden, Huawei auszuschließen. Die Diskussion dreht sich deshalb vor allem um das sogenannte Zugangsnetz, also die Antennenanlagen.
Auch Huawei selbst pocht darauf, dass bisher nie ein Sicherheitsproblem aufgetreten sei. Im Antennennetz würden Daten überhaupt nicht verarbeitet, dort seien die Daten hochgradig verschlüsselt, betont der Huawei-Sprecher Patrick Berger im Gespräch mit dem F.A.Z. Podcast für Deutschland. Das Risiko einer Spionage durch den chinesischen Staat nannte er „absolut unwahrscheinlich“. Ähnliches gelte für das oft beschriebene Risiko, China könnte das deutsche Mobilfunknetz im Konfliktfall abschalten.
„Kein Ausrüster und auch sonst niemand hat aus der Ferne Zugriff auf die deutschen Netze“, erläutert er. Schließlich seien es die Netzbetreiber, die den Zugang kontrollieren. Für das deutsche Kernnetz sind dies Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica. „Die Vorstellung, man könne sich auf ein Netz aus der Ferne draufschalten und das irgendwo ausknipsen, hat viel mit Phantasien aus James-Bond-Filmen zu tun, aber nicht mit der technologischen Realität“, sagt Berger. Er verweist darauf, dass Huawei auch vom chinesischen Staat nicht dazu gezwungen werden könne, Daten aus Deutschland herauszugeben. Dies habe der Konzern in Rechtsgutachten prüfen lassen, auch habe es dafür keinen Präzedenzfall gegeben, wie Berger versichert: „Wir sind vom chinesischen Staat nie gefragt worden, wir sind nie gebeten worden.“ Für die weitere Arbeit in Europa zeigt sich der Huawei-Sprecher optimistisch: Im Elsass baut der Konzern gerade eine Fabrik für Mobilfunk-Equipment: „Daran sieht man schon, dass Huawei fest davon ausgeht, dass wir hier im europäischen Markt aktiv bleiben.“