Das wollte Söder was auch immer streichen: 5 Attacken hinauf Bürgergeld, Urlaub, Mindestlohn

Markus Söder will Ukrainer vom Bürgergeld ausschließen – und schlägt dabei Fakten in den Wind. Doch es ist nicht das erste Mal, dass der CSU-Chef gegen Schwache austeilt: Wir zeigen die fünf härtesten Vorstöße in seiner Karriere


Wollte in seiner Karriere schon oft den Ärmsten die Leistungen streichen: CSU-Chef Markus Söder

Foto: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance


Im ZDF-Sommerinterview forderte der CSU-Vorsitzende Markus Söder, dass ukrainische Geflüchtete künftig kein Bürgergeld mehr beziehen dürfen, sondern die geringeren Asylbewerberleistungen erhalten sollten. Als Grund führt er an, dass aufgrund des Bürgergelds zu wenige ukrainische Geflüchtete in Arbeit stünden, trotz ihrer guten Ausbildungen. Dass laut Bundesagentur für Arbeit aktuell knapp 35 Prozent der von ihnen in Deutschland berufstätig sind und dieser Anteil kontinuierlich steigt, verschwieg Söder in seiner Problembeschreibung.

Darüber hinaus überschreitet Söder die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags, nach denen nur ukrainische Geflüchtete, die nach dem 1. April 2025 eingereist sind, kein Bürgergeld mehr erhalten sollen. Damit polarisiert er selbst innerhalb der Unionsparteien. Während Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) dem bayerischen Ministerpräsidenten beipflichtet, bezeichnet Dennis Radtke, der Vorsitzende des CDU-Arbeitnehmerflügels, im Focus die Aussagen Söders als „breitbeinige und marktschreierische Forderungen“.

Aber sozialpolitische Tabubrüche und Alleingänge gehören inzwischen zu Söders Standardrepertoire. Wir listen die fünf krassesten Beispiele aus seiner Karriere auf.

1. Als CSU-Generalsekretär wollte Markus Söder 2006 den Arbeitslosen ihren Urlaub streichen

Im August 2006 forderte Markus Söder als Generalsekretär der CSU, man solle Hartz-IV-Empfängern den Urlaub streichen. Damals sah es die Gesetzeslage vor, dass Langzeitarbeitslose unter Zustimmung ihrer zuständigen Arbeitsagenturen bis zu drei Wochen Urlaub nehmen konnten. In dieser Zeit mussten sie nicht wie sonst üblich an ihrer Wohnadresse erreichbar sein. Außerdem solle man die Zuschläge beim Übergang vom Arbeitslosengeld I zum Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) streichen. Mit diesen Sanktionierungen wollte Söder vor allem Langzeitarbeitslose wieder in die Erwerbstätigkeit drängen. Die Anreize, „es sich mit Hartz IV bequem zu machen“, müssten fort.

Die damalige Grünen-Fraktionsvorsitzende Thea Dückert bezeichnete es als einen „unzumutbaren Eingriff ins Privatleben“, Arbeitslose de facto 365 Tage im Jahr an ihrem Wohnsitz festzusetzen. Klaus Ernst, 2006 stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken, nannte Söder eine „Maßeinheit für soziale Inkompetenz“, die Arbeitslose zu staatlichen Leibeigenen degradieren wolle. Auch der damalige Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) lehnte den Vorstoß kategorisch ab.

2. Als Finanzminister forderte Markus Söder 2014 den Verzicht auf den Mindestlohn

Im Herbst 2014, während der Eurokrise, schwächelte die deutsche Wirtschaft. Das Problem: Wegen zahlungsschwacher EU-Handelspartner waren die deutschen Exportüberschüsse ins Wanken geraten. Damit die mangelnde Auslandsnachfrage nicht durch erhöhte Inlandsnachfrage substituiert werden würde, schlug Söder als bayerischer Finanzminister eine ganze Reihe arbeitgeberfreundlicher Maßnahmen vor. Unter anderem wollte er ein zentrales Vorhaben der SPD in der Großen Koalition verhindern: die Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde.

Von seinem „Konjunkturcheck“ war Söder sichtlich überzeugt: „Alles, was der Wirtschaft schadet, muss auf bessere Zeiten verschoben werden.“ Fraktionschef Thomas Oppermann (SPD) steuerte dagegen: Der Mindestlohn würde die Kaufkraft erhöhen und die Konjunktur durch eine höhere Inlandsnachfrage ankurbeln. Das stetige Wachstum des Bruttoinlandsprodukts zwischen der Einführung des Mindestlohns 2015 und der Corona-Pandemie gibt ihm recht.

Gegenwind bekam Söder auch aus der eigenen Partei: Der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer kritisierte Söders Vorstoß nur Monate nach der Koalitionsbildung als Risiko für „die Verlässlichkeit der CSU“. Auch der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder hatte bereits im Vorfeld betont, dass am Koalitionsvertrag nicht einfach so gerüttelt werden solle.

Interessant: Im April 2025 war es ausgerechnet Markus Söder, der als CSU-Chef einen Mindestlohn von 15 Euro ab 2026 für „erreichbar“ befand – trotz Konjunkturschwäche und lauten Zweifeln seitens Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).

3. Söder wollte 2012 an Athen „ein Exempel statuieren“

Nicht nur innenpolitisch, auch außenpolitisch war Söder während der Eurokrise zu Rundumschlägen bereit. „Irgendwann muss jeder bei Mama ausziehen und die Griechen sind jetzt so weit“, höhnte im August 2012 der bayerische Finanzminister Markus Söder im Interview mit der Bild am Sonntag.

Die Deutschen könnten nicht länger Zahlmeister für Griechenland sein, weitere finanzielle Hilfen wären „wie Wasser in der Wüste vergießen“. Denn schuld an der griechischen Schuldenkrise seien allein die Griechen selbst, so Söder. Eine Analyse, bei der viele Ökonomen, ebenso wie die Ratingagentur S&P, widersprachen – schließlich profitierte EU-Exportmeister Deutschland jahrelang von den griechischen Handelsdefiziten durch den EU-Binnenhandel.

4. Auf dem Gillamoos diffamierte Markus Söder 2022 Bürgergeldempfänger

Nicht nur als CSU-Generalsekretär, auch in der Doppelbesetzung CSU-Parteivorsitz und Ministerpräsident waren Arbeitslose Söders liebste Zielscheibe. „Ohne mich gibt es keine Regierung!“, drohte Markus Söder im November 2024 bei Caren Miosga (ARD). Um seine Gunst zu gewinnen, brauche es ein geringeres Bürgergeld mit stärkeren Sanktionen. Der damalige SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ließ Söder abblitzen, man würde vor der Wahl keine Koalitionsgespräche führen. Aber die Forderung Söders nach mehr Sanktionen gegen Bürgergeldempfänger ist nicht neu. Immer wieder diffamierte er diese Gruppe in den letzten drei Jahren.

So zum Beispiel im September 2022 in einer Rede auf dem bayerischen Volksfest Gillamoos. Dort behauptete Söder, dass Arbeitslose wie „Diogenes in der Tonne“ faulenzten und nicht mal mehr gefragt werden dürften, ob sie denn arbeiten wollen. Kritik kam hier von dem Erlanger SPD-Vorsitzenden Munib Agha, der Söder vorwarf, Arbeitslose und Geringverdienende gegeneinander auszuspielen. Auch 2023 behauptete Söder mehrfach, dass Arbeitslose mehr Geld bekämen als Mindestlohnbezieher – eine Aussage, die als widerlegt gilt.

Auffällig ist, dass Söder in seinen Tiraden gerne die Wahrheit dehnt: Eine 2022 erschienene Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) zeigt, dass 75 Prozent der Langzeitarbeitslosen sich mehr Zuverdienstmöglichkeiten wünschen, während 41 Prozent im Ehrenamt tätig sind und 35 Prozent der Langzeitarbeitslosen in kleineren Jobs arbeiten. Außerdem müssen Arbeitslose auch während der anfänglichen sechsmonatigen „Vertrauenszeit“ regelmäßig Vermittlungsangebote der Arbeitsämter wahrnehmen.

5. Sogar „Familiengeld“ und „Krippengeld“ wollte Söder letztes Jahr streichen

2024 sägte Söder an den Stuhlbeinen der bayerischen Familien, die ihm sonst so heilig sind: Bisher erhielten die Familien dort über zwei Jahre verteilt insgesamt 6.000 Euro Familiengeld und 2.400 Euro Krippengeld. Das wollte Söder streichen und durch eine Einmalzahlung von 3.000 Euro ersetzen – also etwas mehr als ein Drittel der vorherigen Prämie. Zusätzlich sollten Pflegebedürftige der Stufe zwei ab 2026 nur noch 500 statt 1.000 Euro jährlich bezuschusst bekommen. Die eingesparten Gelder wolle man in den Ausbau von Kitas und Altenpflege investieren.

Dennoch hätten Kinder und Senioren im „Familienland Bayern“ laut Söder weiterhin höchste Priorität. Das sahen die bayerischen Sozialdemokraten anders: Laut Doris Rauscher, der sozialpolitischen Sprecherin der bayerischen SPD, sind Söders familienpolitische Pläne „absolut unsozial und eine riesige Sauerei“ und letztlich nur ein Mittel zum Zweck, um expansive Fiskalpolitik in Form von erhöhten Kita-Zuschüssen zu umgehen. Auch die bayerischen Grünen zweifelten die Sinnhaftigkeit von Söders Vorhaben an.

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