Als bisher größten Rüstungseinkauf seiner Geschichte bestellt Polen 96 US-Kampfhubschrauber des Typs AH-64E Apache Guardian. Die Flugkörper von Boeing gelten als modernste Helikopter der Welt. Die Anfrage dazu kam im Oktober 2023 noch von der mittlerweile abgelösten PiS-Regierung und wurde am 13. August endgültig vertraglich verankert. Der Preis liegt bei gut neun Milliarden Euro und umfasst auch den Kauf von Radaranlagen, Hellfire-Luft-Boden- und Stinger-Flugabwehrraketen – alles andere als unumstrittene Anschaffungen.
Abgesehen davon, dass die Auslieferung dieses Equipments erst 2028 beginnt, ist in Polen die Auffassung verbreitet, dass die Anzahl der bestellten Militärgüter zu hoch und die Integration in vorhandene Potenziale offen ist. Ganz zu schweigen von exorbitanten Kosten für den polnischen Staat. Militärexperten schätzen, dass es für den Unterhalt der Helikopter bei einem „Lebenszyklus“ von 40 Jahren nochmals mehr als die zweifache Anschaffungssumme braucht – 20 bis 23 Milliarden Euro.
Für die finanziellen Kapazitäten Polens sind das erhebliche Lasten, die zu Streichungen und Reformverzicht in anderen Sektoren führen. Zumal im laufenden Jahr wie auch danach gut vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Rüstung und Verteidigung ausgegeben werden. Möglich wird das durch einen Sonderfonds und Schulden neben dem regulären Haushalt. Bereits 2023 flossen umgerechnet knapp 32 Milliarden Euro in militärische Zwecke. Das entspricht etwa 3,9 Prozent des BIP.
Kritiker stellen besonders die große Zahl der in Aussicht stehenden Apache-Helikopter infrage. Sind sie eines Tages ausgeliefert, wird Polen nach den USA über die weltweit zweitgrößte Flotte dieser Art verfügen. Die Zeitung Rzeczpospolita kommentiert: „Die AH-64E Apache sind wirklich hervorragende Hubschrauber mit enormer Kampffähigkeit. Das Problem ist, dass wir nicht 96 davon brauchen. Die Gigantomanie der PiS-Regierung und der fehlende Mut der Regierung Tusk werden uns teuer zu stehen kommen.“ Das Blatt listet weitere geplante Käufe auf, die ebenso gigantisch ausfallen wie die bereits bestellten, teils gelieferten 500 US-Abrams-Panzer sowie südkoreanische K2-Tanks, dazu Anlagen zur Luftverteidigung.
Und wer finanziert Polens gigantische Rüstungskäufe?
Tatsächlich dürfte der Ende 2023 angetretenen Regierung Tusk bewusst sein, dass diese Anschaffungen den bisher üblichen Rahmen sprengen. Noch im ersten Halbjahr 2024 hatte das Verteidigungsministerium die auf das PiS-Kabinett zurückgehenden Rüstungskäufe ausdrücklich evaluiert, doch letztlich wurde fast alles durchgewinkt, was bereits abgewickelt oder vorgesehen war. Es fehlt in Warschau offenbar der Mut, der Aufrüstung einen nachvollziehbaren und für den Staatsetat tragbaren Rahmen zu geben.
Donald Tusk lässt selten sich bietende Möglichkeiten aus, Kriegsangst vor Russland zu schüren. Wohl auch deshalb werden in Polen vier Prozent des BIP für die Verteidigung nur von einer Minderheit infrage gestellt. Bei einer Umfrage Ende 2023 unterstützten 75 Prozent der Interviewten den kostspieligen Erwerb neuer Rüstungsgüter, wobei nicht nach der konkreten Höhe der eingesetzten Mittel gefragt wurde.
So hat die Regierung bereits weitere Käufe in den USA angefragt, etwa den Transporthubschrauber Chinook sowie 32 Kampfjets vom Typ F-15 aus dem Boeing-Konzern. Um diesen Auftrag konkurriert ebenso der Eurofighter Typhoon, jedoch spricht vieles dafür, dass nicht die Europäer, sondern die US-Amerikaner zum Zug kommen. Inzwischen kauft Polen den Großteil seiner Waffen in den USA, nachdem die PiS-Regierung 2016 den Kauf von 50 französischen Caracal-Kampfhubschraubern storniert hatte.
Dies gilt ebenso für das Raketenartilleriesystem HIMARS und die Patriot-Flugabwehr, wozu teilweise auf Kredite der Biden-Regierung zurückgegriffen wird. Da kann es nicht überraschen, wenn die Verhandlungsposition der USA bei allen Anschaffungsprogrammen Warschaus äußerst stark ist. Ob Polens Übererfüllung bei den NATO-Vorgaben zum Verteidigungshaushalt das Land insgesamt sicherer macht, bleibt umstritten. Janusz Zemke, Politologe und von 2001 bis 2005 Vizeverteidigungsminister, moniert: „Der Wert der geplanten Ausgaben allein für Militärtechnologie wird bis zum Jahr 2035 bei 210 Milliarden Euro liegen. Und noch immer versinken die Finanzierungswege im Nebel. Wir reden von Ausgaben, die den Jahreshaushalt Polens übersteigen.“